Mit der Finanzkrise 2007/2008 hat sich das Finanzierungsumfeld im Nahen Osten spürbar verändert. Der Zugang zu lokalen ­Finanzierungen ist für Käufer herausfordernder geworden. Vor diesem Hintergrund hat die Nachfrage nach Exportfinanzie­rungen an Bedeutung gewonnen. Für Lieferanten ist somit auf den inzwischen hart umkämpften Märkten des Nahen Ostens die Bereit­stellung einer Finanzierungslösung zum Schlüsselfaktor für den Erhalt eines Auftrags geworden.

Von Piers Constable, Head of Middle East & Africa, Structured Trade & Export Finance, Deutsche Bank AG, Dubai

Vor fünf Jahren hätte ein Gespräch zwischen einem Exporteur bzw. seiner
Bank und einem Käufer im Nahen Osten über eine Exportfinanzierung nur zwei Minuten gedauert. „Vielen Dank, aber nein“, wäre die Antwort des Käufers gewesen. Die Ablehnung hätte auf der Annahme beruht, dass eine Export-finanzierung teuer und zeitaufwendig wäre. Zudem hätte ihre Inanspruchnahme eine schlechte Bonität des Käufers signali­sieren können, weil der Eindruck hätte entstehen können, dass er sich keine anderen Finanzierungsquellen erschließen könne.

Der Markt war damals mit günstiger Liquidität von lokalen Banken überschwemmt. Diese liehen den Darlehensnehmern gerne Geld auf Namensbasis. Sie hatten einen eingeschränkten Einblick in die Zahlen und verlangten minimale Sicherheiten. Projektfinanzierer wie europäische und US-amerikanische Banken stellten langfristige Finanzierungen zu niedrigen Preisen bereit, um ihre Erträge und ihren Platz im jährlichen Ranking zu sichern.

Neue Lage nach der Finanzkrise: geringeres Kreditangebot

Die 2007 und 2008 einsetzende Finanzkrise veränderte das Bild radikal. Sie war Ursache für Turbulenzen, die 2009 und 2010 auch Märkte wie Dubai erschütterten. Die Finanzierung von Projekten und Kapitalexpansionen durch Käufer im Nahen Osten wurde stark gebremst. Banken und Investoren, die bereit waren, Kredite und Kapital zu liefern, taten dies nur für ihre wichtigsten Kunden und zu beträchtlich höheren Preisen.

Dennoch erlebte die Region ein anhaltend starkes Wirtschaftswachstum. Die Bevölkerungszahlen stiegen rasch an. Die jungen Bürger des Nahen Ostens forderten einen Zugang zu besserer Ausbildung und zu Arbeitsplätzen. Um ihre Zukunftschancen zu verbessern, waren beträchtliche Investitionen der Regierungen in Sozialprojekte und in die Infrastruktur sowie eine Diversifizierung weg von der Öl- und Gasindustrie nötig. Letztere erbrachte den Großteil der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, bot jedoch nur eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten für lokale Arbeitnehmer.

Exportfinanzierung rückt in den Fokus

Die anspruchsvollen und vorausdenkenden Kreditnehmer in der Region wandten sich neuen Finanzierungsmöglichkeiten zu, und die Exportfinanzierung rückte in den Mittelpunkt des Interesses. Sie bietet eine stabile Quelle der langfristigen Finanzierung zu wettbewerbsfähigen Preisen und wurde zuerst in beträchtlichem Umfang von Staaten und regierungsnahen Käufern in stark importorientierten Branchen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien genutzt. Die europäischen Exportkreditagenturen (Export Credit Agencies, ECAs) hatten Erstanbietervorteile, denn sie waren sehr interessiert an einer Diversifizierung ihres Portfolios durch die Bereitstellung von Unterstützungen für Käufer mit guter Qualität in Ländern mit A-Rating.

Hart umkämpfter Markt für internationale ECAs

Fünf Jahre später zeigt sich, dass die Käufer im Nahen Osten zunehmend Exportfinanzierungen in Anspruch nehmen. Nach wie vor sind die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien die größten Nutzer der ECA-gedeckten Finanzierungen, aber auch Darlehensnehmer in Ägypten, Oman, Bahrain, Qatar, Kuwait, im Libanon und im Irak nehmen das Angebot in nennenswertem Umfang in Anspruch. Während früher ECA-gedeckte Finanzierungen nur in Verbindung mit Projekten des Öl- und Gassektors, der pe­trochemischen Industrie und der Energie- und Luftfahrtindustrie nachgefragt wurden, werden sie nun zunehmend in unterschiedlichen Bereichen wie Immo­bilien, Bauwesen, Telekommunikation und Schifffahrt in Anspruch genommen. Und die europäischen ECAs müssen ihre Bemühungen verstärken, um sich auf dem stark umkämpften Markt zu behaupten. Ihre Hauptkonkurrenten sind die US-amerikanischen und asiatischen Agenturen, die sehr aktiv ihre Exporteure unterstützen.

Privatwirtschaft zunehmend ­wichtiger Kunde

Die meisten Finanzierungsmöglichkeiten erschließen sich neuerdings durch die Nachfrage privater Unternehmen. Bislang waren diese angesichts mangelnder Transparenz und Offenlegung ihrer Bücher tabu für die ECAs. Doch inzwischen sind die diversifizierten Familienbetriebe bereit, sich Lieferanten und Banken zu öffnen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um eine langfristige Exportfinanzierung zu günstigen Konditionen zu erhalten. Einige Käufer ermutigen sogar aktiv ihre Lieferanten von Waren und Dienstleistungen, bei Ausschreibungen gegen lokale Lieferanten zu bieten. Letztere sind zwar meist preislich wettbewerbsfähiger, können aber keine längerfristige Finanzierung mitliefern. Und damit die Wahl zugunsten ihrer Exporteure ausfällt, lockert eine Reihe von ECAs ihre Anforderungen hinsichtlich des ausländischen Lieferanteils in Sektoren wie Bauwesen, Infrastruktur und Immobilien, in denen lokale Waren und Dienstleistungen traditionell einen hohen Anteil der Gesamtprojektkosten darstellen.

Der Nahe Osten war schon immer eine Region, in der die Darlehensnehmer ihre Finanzierungsentscheidungen selbst in die Hand nehmen. Es ist sehr viel weniger üblich als z.B. in Afrika, dass Lieferanten aufgefordert werden, Finanzierungslösungen anzubieten. Doch ein gut vorbereiteter Exporteur kann seinem Kunden einen echten Mehrwert anbieten, wenn er im Voraus mit seinem Bankpartner ein gut durchdachtes Finanzierungsangebot ausarbeitet, das er dem Kunden vorlegt.

Erfolgsfaktor persönliche ­Beziehungen

Beziehungen sind überall auf der Welt wichtig, aber dies gilt noch viel mehr im Nahen Osten. Die Käufer fühlen sich wohler, wenn sie mit der Bank, die sie bereits kennen und mit der sie zusammenarbeiten, zusammen am Tisch sitzen. Wählen Sie Ihren Bankpartner daher mit Bedacht aus – Preise sind zwar wichtig, aber die Präsenz vor Ort und ein Verständnis für das Geschäft Ihres Kunden bringen häufig einen höheren Nutzen mit sich.

Und schließlich ist es sehr wichtig, flexibel auf die kulturellen Besonderheiten der Region einzugehen. Eine Reihe von Banken und ECAs hat in den vergangenen Jahren hart daran gearbeitet, Darlehensnehmern in der Region Scharia-konforme islamische Finanzierungsstrukturen anzubieten. Einige dieser Produkte sind relativ einfach, andere dagegen sehr komplex. Alle bieten jedoch Mehrwert und konnten sicherstellen, dass europäische Exporteure den Zuschlag für Geschäfte bekommen haben, die an einen anderen Anbieter gegangen wären, wenn diese Innovation nicht angeboten worden wäre.

Für die absehbare Zukunft wird die Exportfinanzierung ein wichtiger Schlüsselfaktor für Lieferanten bleiben, die sich neue Chancen im Nahen Osten erschließen möchten. Dafür zu sorgen, dass dies eine der ersten Überlegungen bei der ­Vorbereitung eines Angebots ist und nicht nur eine untergeordnete Rolle
spielt, könnte ausschlaggebend für den Erhalt eines Auftrags sein, den sich ansonsten möglicherweise die Konkurrenz sichert.

Kontakt: piers.constable[at]db.com

19 replies on “Exportfinanzierung im Nahen Osten”

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