In der Exportwirtschaft lassen sich Exportverstöße nicht ganz vermeiden. Viele hängen damit zusammen, dass Einzelgenehmigungen nicht beantragt werden, u.a. weil nicht erkannt wurde, dass es um ein gelistetes Gut geht. Andere hängen damit zusammen, dass die Nebenbestimmungen zu Allgemeingenehmigungen nicht richtig beachtet werden. Welche Rolle spielt die Vorschrift des § 22 Abs. 4 AWG gut sieben Jahre nach ihrer Einführung für freiwillige Selbstanzeigen?
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Ausgangsfall
D in Deutschland will gelistete Maschinenteile an R in Russland liefern. Diese sollen aus Kostengründen mit dem gleichen Container, welcher zwei Teile einer genehmigten Industrieanlage umfasst, versandt werden. Dabei würden dann Güter aus drei verschiedenen Bestellungen zusammen exportiert. Der Wert der Maschinenteile beträgt 4.800 EUR. Im Container befinden sich Güter im Wert von 25.000 EUR: einmal die genannten gelisteten Maschinenteile (4.800 EUR) sowie die zwei Teile der Industrieanlage im Wert von insgesamt 20.200 EUR. Nur für diese Teile der Industrieanlage liegen Einzelgenehmigungen vor. Für den Export der gelisteten Maschinenteile nutzt D die AGG12. Nach dem Export behauptet der Zoll, dass hierfür die AGG12 aus mehreren Gründen nicht zulässig sei, u.a. weil es hier um einen Wert von 25.000 EUR gehe, der eindeutig über der Grenze von 5.000 EUR liege.
Die Vorschrift des § 22 Abs. 4 AWG, ihre Kritik und Genese
Mit der Neufassung des AWG zum 1. September 2013 wurde erstmals in ihrem § 22 Abs. 4 AWG explizit die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstanzeige gesetzlich anerkannt. Die Literatur, die kritisierte, sie sei völlig überraschend in das AWG aufgenommen worden und ihr Anwendungsbereich sei zu begrenzt, weil sie nur für Exportverstöße nach § 19 Abs. 2 bis 5 AWG gelte, kennt die Genese nicht: Der Wortlaut des § 22 Abs. 4 AWG stammt vom Autor dieses Beitrags, der im Rahmen der mündlichen Expertenanhörung im Bundestag darauf aufmerksam machte, dass die Neufassung des AWG zu einer unnötigen Kriminalisierung von Arbeitsfehlern der Exportbearbeiter führen könne. Dies sei nur dann verantwortbar, wenn zugleich eine Entlastung geschaffen werde in Form der freiwilligen Selbstanzeige, die absolut unverzichtbar sei. Kurz darauf hat die Kanzlei Hohmann (in Anlehnung an den Wortlaut des § 764.5 EAR, Export Administration Regulations) den Gesetzesvorschlag für § 22 Abs. 4 AWG an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion geschickt – etwas später war dies Gesetz. Dass die wichtigen Exportverstöße nach § 19 Abs. 1 AWG (der klassische Fall der fahrlässigen ungenehmigten Ausfuhr) vom Anwendungsbereich ausgeschlossen wurden, hängt mit der Stellungnahme eines anderen Experten zusammen, der nur dann die freiwillige Selbstanzeige unterstützte, wenn der Anwendungsbereich entsprechend eingeschränkt wurde. Wir bedauern diese Einschränkung. Gleichzeitig wissen wir aus der Praxis, dass § 22 Abs. 4 AWG für sehr viel mehr Verstöße als nur für Form- und Meldeverstöße genutzt werden kann (zur Auslegung von § 22 Abs. 4 AWG vgl. auch den Beitrag des Autors im Jahrbuch Außenwirtschaft 2014, S. 171 ff.).
Lösung des Ausgangsfalls
Soweit hier ein Exportverstoß vorliegen sollte, bietet sich die freiwillige Selbstanzeige an. Genaugenommen gibt es zwei Formen der freiwilligen Selbstanzeige: einmal die gesetzlich explizit geregelte Form in § 22 Abs. 4 AWG, die zur Sanktionslosigkeit führt, aber nur für Exportverstöße nach § 19 Abs. 2 bis 5 AWG gilt. Daneben existiert auch die Möglichkeit, v.a. über § 47 OWiG zu einer Milderung von Sanktionen zu gelangen; sie gilt auch für Exportverstöße nach § 19 Abs. 1 AWG.
Es stellt sich hier die Frage, ob ein Exportverstoß vorliegt. Der Charme von Allgemeingenehmigungen liegt in der fehlenden Notwendigkeit, eine Einzelgenehmigung zu beantragen, die Crux aber darin, dass hierfür eine Vielzahl von Voraussetzungen beachtet werden muss, um einen Exportverstoß zu vermeiden. So führt gerade die AGG12 einige Voraussetzungen auf, die vielfach übersehen werden: Erst einmal darf sie nur dann genutzt werden, wenn der Ausführer hierfür registriert ist, und außerdem muss das Kürzel „X002/A12“ genutzt werden. Darüber hinaus nimmt sie die Ausfuhr gelisteter Güter in einige Länder aus, neben acht namentlich genannten Ländern u.a. die EU-Waffenembargoländer, zu denen auch Russland gehört. Daher war D nicht berechtigt, die AGG12 für diese Russland-Ausfuhr zu nutzen; er hätte hierfür eine Einzelgenehmigung beantragen müssen. Es lässt sich die Auffassung vertreten, dass dies ein Exportverstoß nach § 19 Abs. 3 Nr. 1b AWG sei, für den die freiwillige Selbstanzeige nach § 22 Abs. 4 AWG zulässig bleibt. Dann könnte dies dazu führen, dass Sanktionen gegen D entfielen.
Weitere Risiken: Kein wirkliches Risiko dürfte hier sein, dass der Wert der drei Gegenstände im Container zusammengerechnet werden muss. Denn solange dies Gegenstände aus drei verschiedenen Bestellungen sind, fehlt der „einheitliche wirtschaftliche Vorgang“. Bei der Wertermittlung ist dann grundsätzlich jede Bestellung bzw. jeder Auftrag separat zu berücksichtigen. Ein Risiko könnte aber sein, dass ein Gut mit einem Wert von 4.800 EUR zum Gegenstand der AGG12 gemacht wird. Für die Grenze von 5.000 EUR ist der Zollwert entscheidend; und auf diesen müssen u.a. Transportkosten bis zur deutschen Grenze dazugerechnet werden.
Resümee
Die freiwillige Selbstanzeige ist ein absolut notwendiges Instrument der Exportkontrollpolitik geworden, das – ganz im Interesse von Compliance – die eigenverantwortliche Wiederherstellung des legalen Zustandes honoriert. Sie ermutigt dazu, das ICP (Internal Compliance Programme) umfassend zu betreiben und dabei entdeckte Verstöße freiwillig anzuzeigen, ohne dabei Sanktionen befürchten zu müssen. So verpflichtet auch eine AEO-Zertifizierung zu einer Risikokommunikation, bei welcher auch Verstöße freiwillig anzuzeigen sind; damit wäre kaum vereinbar, wenn dies zu Strafsanktionen führte.
22 Abs. 4 AWG hat sich in der Praxis bestens bewährt, was u.a. daran abzulesen ist, dass sich seit 2013 die Anzahl freiwilliger Selbstanzeigen wesentlich erhöht hat. Die Einschaltung eines Exportanwalts ist dabei sehr empfehlenswert. Auch die Befürchtung eines Kritikers, § 22 Abs. 4 AWG könnte die Möglichkeit wesentlich erschweren, freiwillige Selbstanzeigen für die typische fahrlässig ungenehmigte Ausfuhr (für die Fälle des § 19 Abs. 1 AWG) einzureichen, hat sich nicht bewahrheitet. Auch für diese Fälle kann nach wie vor eine freiwillige Selbstanzeige eingereicht werden; dies führt allerdings nur zur Strafmilderung. In der Praxis konnten wir aufgrund guter Argumentation erreichen, dass manchmal nur sehr geringe Geldbußen nach § 30 OWiG zu zahlen waren, z.T. sogar unterhalb der Grenze, die für die Eintragung ins Gewerberegister erforderlich ist.
Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER.
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