Politische Stabilität, Exportmöglichkeiten und leistungsfähige Strukturen sind Eckpfeiler einer erfolgreichen Wirtschaftsentwicklung. Ghana hat die Voraussetzungen dafür durch einen friedlichen Machtwechsel und die Erschließung seiner Rohstoffvorkommen geschaffen. Nun muss das Land die Risiken einer zu stark auf Rohstoffe ausgerichteten Wirtschaft vermeiden: Abhängigkeit und politische Einflussnahme. Dann können die Erträge aus dem Rohstoffexport den wirtschaftlichen Aufschwung verstetigen.
Von Christoph Witte, Direktor Deutschland, Delcredere N.V.
Im Januar 2009 wurde John Atta Mills als Präsident des rohstoffreichen westafrikanischen Landes Ghana vereidigt, nachdem er die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen mit knappem Vorsprung gewonnen hatte. Der Machtwechsel war friedlich und führte nicht zu Instabilität im Land.
Das politische Klima in Ghana blieb auch während der weltweiten Rezession günstig, obwohl sie 2009 zu einer Verringerung des Wirtschaftswachstums und einer schlechteren Leistung einiger Banken führte. Der deutliche Anstieg der notleidenden Kredite war vor allem auf Zahlungsverzögerungen von Behörden und kommunalen Versorgern zurückzuführen. Im Februar 2010 erreichte der Anteil der notleidenden Kredite 20% der Gesamtkreditsumme gegenüber 7,7% im Jahr 2008.
Im November 2010 veröffentlichte Ghanas Statistikamt neue und wesentlich höhere BIP-Zahlen. Die Anhebung der Werte hing nicht nur mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage, sondern auch mit einer verbesserten Berechnungsmethode zusammen, die Veränderungen der Wirtschaftsstruktur zwischen 1993 und 2006 widerspiegelt. Ghanas Bruttoinlandsprodukt pro Kopf für 2010 lag demnach bei rund 1.300 US$. Das bedeutet, dass Ghana nicht mehr als Land mit niedrigem Einkommen gilt und daher einen schlechteren Zugang zu Darlehen zu Vorzugsbedingungen von Institutionen wie der Internationalen Entwicklungsorganisation, einer Unterorganisation der Weltbank, bekommen könnte. Ghanas Schuldenquote wird sich ändern, und der Anteil der gewerblichen Kredite an der gesamten öffentlichen Verschuldung wird voraussichtlich weiter steigen. Ein paar Tage vor der Ankündigung der neuen BIP-Zahlen stimmte der IWF einem umfangreichen chinesischen Kreditpaket zur Finanzierung von (Infrastruktur-)Projekten zu. Die Rendite dieser Projekte könnte tatsächlich hoch genug sein, um die Kredite zurückzuzahlen.
Trotz der geringeren Schuldenquote – eine logische Folge des höheren BIP – sind eine effiziente öffentliche Ausgabenpolitik und eine umsichtige Verwaltung der öffentlichen Finanzen erforderlich. Denn es besteht die Möglichkeit, dass sich die Kredite verteuern und damit die Schuldenlast steigt. Maßnahmen zur besseren Steuererhebung würden helfen, das niedrige Verhältnis der Steuereinnahmen zum BIP zu erhöhen – besonders angesichts eines höheren BIP. Außerdem könnten höhere Steuereinnahmen die Zahlung von womöglich steigenden Zinsen erleichtern und zur Verwirklichung der Haushaltsdefizitziele des IWF beitragen.
Nach der Revision der Wirtschaftsdaten wurden für 2009 eine Wachstumsrate des realen BIP von 4,7% und für 2010 eine von 5,7% ausgewiesen. Dies hatte auch zur Folge, dass die Wachstumsprognose nach oben revidiert wurde. Im Oktober 2010 schätzte der IWF das reale Wirtschaftswachstum für das Jahr 2011 auf 10%. Im April 2011 stiegen die Prognosewerte auf 13,7%. Auch wenn die neuen volkswirtschaftlichen Zahlen eine verbesserte Kreditwürdigkeit signalisieren, dürfen potentielle Risiken nicht ignoriert werden.
Als Rohstoffexporteur ist das Land den Schwankungen der Rohstoffpreise ausgesetzt, was es anfällig für negative Einflüsse von außen macht. Im Jahr 2009 waren Kakao und Gold die wichtigsten Exportgüter, deren Erlöse zusammen mehr als 45% der Exporteinnahmen ausmachten. Die von 2004 bis 2008 hohen Preise dieser Rohstoffe auf den internationalen Märkten reichten jedoch nicht aus, um das erwartete Leistungsbilanzdefizit zu verhindern. Im Jahr 2009 verringerte sich das Leistungsbilanzdefizit als Folge einer vorübergehenden Verringerung der Einfuhren. Sobald sich die Investitionen in den Ölsektor auszuzahlen beginnen, könnte sich die Leistungsbilanz schrittweise weiter verbessern. Seitdem Ghana begann, Erdöl aus dem Jubilee-Ölfeld zu fördern, gilt das Land offiziell als Ölproduzent. Das kurzfristige Produktionsziel liegt bei 120.000 Barrel pro Tag, ab 2013 sollen rund 250.000 Barrel pro Tag produziert werden.
Ghana wird oft mit Recht für seine stabile, demokratische und verantwortungsvolle
Staatsführung gelobt. Es gibt aber Bedenken, dass die Öleinnahmen die öffentlichen Finanzen beeinträchtigen könnten. Als die Ölproduktion Mitte Dezember 2010 begann, waren die gesetzlichen Regelungen dafür noch nicht verabschiedet worden. Darüber hinaus gibt es Berichte über Betrug und Einmischung in internationale Ölverträge. Im August 2010 forderte die International Finance Corporation (IFC) der Weltbank erhöhte Wachsamkeit, als ein japanisches Engineering-Unternehmen erklärte, es habe einem Beratungsunternehmen mit Verbindung zum ehemaligen Chef der Ghana National Petroleum Corporation (GNPC) exorbitante Gebühren bezahlt. Ein weiteres Problem tauchte auf, als das Unternehmen Kosmos Energy seine Beteiligung am Jubilee-Ölfeld an ExxonMobil verkaufen wollte, während die Behörden einen Verkauf an GNPC vorzogen. Der Streit wurde inzwischen beigelegt. Kosmos Energy hat zugesagt, eine Geldbuße wegen der Freigabe vertraulicher Informationen von GNPC zu zahlen, und dem Unternehmen wurde dafür zugesichert, dass es nicht verklagt werden wird.
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