Vom Status „Emerging Market“ hin zum Handelspartner auf Augenhöhe – seit der Osterweiterung 2004 durchlaufen die neuen ­Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine bemerkenswert positive Entwicklung. Was bedeutet das für die Chancen im Außenhandel deutscher Unternehmen? Welche Finanzierungsinstrumente stehen dabei zur Verfügung? Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Möglichkeiten vor Ort und empfiehlt einen „soften“ Einstieg.

Von Per Fischer, Head of Financial Institutions, Commerzbank AG

Als im Zuge der EU-Osterweiterung 2004 Polen, Tschechien, Ungarn, Estland, Lettland, die Slowakei, Slowenien sowie Litauen und 2007 dann Bulgarien und Rumänien in die Europäische Union aufgenommen wurden, überwog anfangs die Skepsis. Die westlichen Länder befürchteten eine Verschärfung des Preiswettbewerbs durch günstigere Anbieter aus den neuen Mitgliedstaaten. Auch bei manchem unserer östlichen Nachbarn gab es die Sorge, ob die heimische Wirtschaft dem nun schrankenlosen Wettbewerb gewachsen sein würde.

Heute, gut zehn Jahre später, wird mehr und mehr deutlich, dass diese Sorgen unbegründet waren. Für die deutsche Wirtschaft und ihre Beschäftigungslage ist der Handel mit den EU-Oststaaten mittlerweile eminent wichtig. Das beweist schon ein Blick auf die nackten Zahlen: Mit einem Ausfuhrvolumen von über 42 Mrd EUR und Importen von 32 Mrd EUR im vergangenen Jahr rangiert Polen unter den Top Ten der führenden Handelspartner der Bundesrepublik. Große Fortschritte machten auch Tschechien und Ungarn, die sogar etablierte deutsche Handelspartner wie Dänemark oder Kanada hinter sich gelassen haben.

Im Jahr 2013 verzeichnete der gesamte Osthandel ein wirtschaftliches Wachstum von 1,4%, das Handelsvolumen ist dabei auf 350 Mrd EUR gestiegen. Besonders positiv war die Entwicklung in Polen, wo es 2013 einen Zuwachs von 4,3% gab.

Gerade für kleine sowie mittlere deutsche Unternehmen und für Branchen wie den Maschinenbau bietet der Osten Europas inzwischen einen attraktiven Absatz- und Beschaffungsmarkt. Die Finanzen der neuen EU-Länder haben sich deutlich stabilisiert, auch wenn es durchaus noch das eine oder andere Problem gibt. Polen oder Ungarn beispielsweise sind auf diesem Weg bereits weiter vorangekommen als Rumänien oder Bulgarien, aber die Richtung stimmt in jedem Fall.

Mittlerweile spielt es auch kaum noch eine Rolle, dass einige der wichtigsten EU-Länder im Osten – u.a. Polen, Tschechien, Ungarn und Kroatien – den Euro noch nicht eingeführt haben. Der polnische Słoty oder die Tschechische Krone sind sehr nahe an den Euro herangerückt. Insofern gibt es kein Währungsrisiko mehr, das nicht durch entsprechende Finanzinstrumente abgesichert werden könnte.

Darüber hinaus wurde erheblich in die Infrastruktur investiert, auch von privaten Geldgebern. Die Korruption geht spürbar zurück, die Verlässlichkeit der Rechtssysteme ist gewachsen. Auch nach der Finanzmarktkrise haben viele der öst­lichen Mitgliedstaaten durch effektive Kostensenkungen schnell dafür gesorgt, dass sie wieder auf finanziell gesunden Beinen stehen.

Für den Handel mit dem Osten spricht noch ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Faktor: Gerade in den direkten ­östlichen Nachbarländern finden deutsche Unternehmen weitgehend ähnliche Bedingungen wie auf dem heimischen Markt vor. Besonders Polen verfügt über einen starken Mittelstand. Unternehmen werden dort demnach auf Partner in Augenhöhe treffen.

Ein vertrautes Bild bietet auch die Bankenlandschaft in den östlichen EU-Staaten. Die Commerzbank ist ebenso wie viele der anderen aus Westeuropa vertrauten Institute mit eigenen Filialen, Tochter- und Beteiligungsgesellschaften beispielsweise in Warschau, Prag oder Budapest vertreten. Besonders reibungslos funktioniert die Zusammenarbeit dann, wenn diese Banken deutsch­sprachige Relationship-Manager bereithalten.

Auch beim Einsatz von Instrumenten zur Absicherung und Handelsfinanzierung unterscheidet sich der Osten der EU kaum noch vom Westen. Akkreditive sind u.a. bei Konsum- und Verbrauchsgüterexporten sowie Ersatzteillieferungen ebenso selbstverständlich und gängig wie Garantien. Vom Bestellerkredit über den Forderungsankauf bis hin zu strukturierten Handels- und Lagerfinanzierungen stehen alle klassischen Instrumente zur Verfügung.

An Bedeutung verloren haben im Laufe der letzten Jahre die Deckungen durch Kreditversicherer – sie sind schlichtweg kaum noch erforderlich und werden nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt. Das gilt auch für Förderprogramme, wie sie von der European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) bereitgestellt werden. Sie spielen in Osteuropa vor allem außerhalb der EU-Mitgliedstaaten nach wie vor eine wichtige Rolle, in den EU-Ländern nur noch selten, wenn es beispielsweise um komplexe Infrastruktur-investitionen geht.

Die wirtschaftliche Lage ist stabil, die Finanzierungsmöglichkeiten umfangreich – trotzdem ist der erstmalige Gang über die Grenzen immer ein Schritt auf Neuland. Viele Unternehmen beklagen sich insbesondere über den ungewohnten bürokratischen Aufwand, der ihr Auslandsgeschäft begleitet. An entsprechenden landesspezifischen Strukturen lässt sich von Unternehmerseite nichts ändern. Die einzige erfolgversprechende Handlungsoption besteht darin, sich frühzeitig mit den Anforderungen und Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Ein wichtiger Partner sind dabei die Außenhandelskammern (AHKs), die ein umfangreiches Informations- und Unterstützungsangebot bereithalten. Angesprochen werden sollten aber auch die Filialen und Repräsentanzen der deutschen Banken, die mit ihrem Finanz-Know-how und ihrer Vor-Ort-Expertise ein fundiertes Risikomonitoring betreiben. Außerdem sind sie mit ihrem Netzwerk oft ein wichtiger Mittler bei der Anbahnung neuer Geschäftsverbindungen.

In den östlichen EU-Ländern besteht großes Interesse an Konsum- und industriellen Gütern aus Deutschland. Das Label „Made in Germany“ erfährt auch dort eine hohe Wertschätzung. Ein Grund mehr, diesen Ländern mehr Aufmerksamkeit zu schenken – als „softem“ Einstieg in die Märkte des Ostens.

Kontakt: per.fischer[at]commerzbank.com

17 replies on “Handelsfinanzierung in den östlichen EU- Staaten”

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