Als wohlhabende und technologisch entwickelte Industrienation ähnelt Kanada seinem südlichen Nachbarn USA und teilt mit ­diesem das marktwirtschaftliche System, die Produktionsweise und den hohen Lebensstandard. Reich an natürlichen Ressourcen, qualifizierten Arbeitskräften und Kapital, hat das Land nach Einschätzung des aktuellen D&B-Länderberichts solide wirtschaftliche Perspektiven. Doch auch die kanadische Konjunktur schwächt sich ab.

Von Gunther Schilling, Redaktionsleiter ExportManager, F.A.Z.-Institut

Der Ausblick für die kanadische Wirtschaft bleibt unsicher. Im zweiten Quartal 2011 sank die reale Wirtschaftsleistung im saisonbereinigten Quartalsvergleich um 0,1%, nachdem sie im ersten Quartal noch um 0,9% gewachsen war. Der erste Rückgang seit der Rezession von 2008/2009 war insbesondere auf die Lieferunterbrechungen durch das Erdbeben in Japan im März zurückzuführen. Die Exporte gingen im Quartalsvergleich deutlich um 2,1% zurück und trugen maßgeblich zur Abschwächung bei. Dagegen hielt der Anstieg des privaten Konsums und der Investitionen an. Nach der weitgehenden Wiederherstellung der Lieferketten dürfte sich die Konjunktur im dritten Quartal wieder erholt haben.

Die Oktoberumfrage von Markit-RBC unter den Einkaufsmanagern signalisierte ein bescheidenes Wachstum der gegen die Nachfrageschwäche kämpfenden verarbeitenden Industrie. Die Zunahme des Auftragseingangs deutete auf eine weiterhin robuste Produktion hin. Gleichzeitig hat der Aufwertungsdruck auf den kanadischen Dollar nachgelassen, und die Exporteure können sogar von einer leichten Abwertung der Landeswährung profitieren. Trotzdem bestehen Bedenken hinsichtlich der Bedrohungen durch eine schwächere Konjunktur in den USA (70% der kanadischen Exporte) und der anhaltenden Volatilität auf den Finanzmärkten.

Wenn sich die schwache Auslandsnachfrage und die unbeständige Finanzmarktentwicklung auch auf die Inlandsnachfrage niederschlagen, dürften sich die Aussichten für den privaten Verbrauch – traditionell der Wachstumsmotor der kanadischen Wirtschaft – eintrüben. Und eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht: Der Immobilienmarkt hat sich abgekühlt, die Realeinkommen der Arbeitnehmer wurden von der hohen Inflation verringert, und die Finanzanlagen der Verbraucher haben unter dem Rückgang der Kurse gelitten. Entsprechend ist das Verbrauchervertrauen in fünf der letzten sechs Monate, zuletzt im Oktober 2011, gesunken, der entsprechende Index liegt nun auf dem Stand vom Mai 2009.

Auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Arbeitslosenquote im Oktober bei 7,3% stabilisiert. Angesichts des deutlichen Rückgangs der Arbeitsproduktivität im zweiten Quartal 2011 haben einige Unternehmen im Privatsektor Neueinstellungen verschoben, um ihre Lohnstückkosten zu verringern. Daher dürfte der Beschäftigungsaufbau bis in das Jahr 2012 hinein stagnieren.

Die Bank of Canada, Zentralbank des Landes, signalisierte bereits im September eine Fortsetzung der relativ lockeren Geldpolitik, da die schwächere Weltkonjunktur und die große Unsicherheit auf den Finanzmärkten die Notwendigkeit einer Straffung verringert hätten. Gleichzeitig erhöhen die Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung im eigenen Land den Druck auf die Regierung, ihre Pläne zum Abbau der staatlichen Neuverschuldung aufzuweichen. Glücklicherweise sind die öffentlichen Finanzen in einer guten Verfassung, und die Regierung verfügt über einen ausreichenden Spielraum zum Einsatz konjunkturfördernder Maßnahmen.

Kontakt: g.schilling[at]faz-institut.de

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