Kolumbien schüttelt sein traditionell negatives Image zunehmend ab. Dem Land wird neuerdings sogar der „Aufstieg zum Tigerstaat“ attestiert. Die schon lange bestehende politische Stabilität, gepaart mit wirtschaftlicher Solidität, lässt Kolumbien zu einem der hoffnungsvollsten Zukunftsmärkte Südamerikas werden. Die deutlichen Erfolge bei der Verbesserung der Sicherheitslage in den letzten zehn Jahren geben dieser Zuversicht zusätzlichen Schwung.
Von Ingo Gerding, Senior Regional Manager, BHF-BANK
Kolumbien ist seit mehr als 50 Jahren eine stabile Demokratie. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten Lateinamerikas wurde das Land in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht durch eine Militärdiktatur regiert. Trotz der Guerillabewegungen und des mit ihnen verbundenen Drogengeschäfts, die die innere Sicherheit zeitweise notorisch gefährdet haben, verfügt Kolumbien seit mehr als einem halben Jahrhundert über ein stabiles demokratisches Regierungssystem.
Die gegenwärtige Regierung von Juan Manuel Santos hat im Parlament eine solide Mehrheit und wird allgemein als Mitte-rechts-Koalition eingestuft. Die nächste Präsidentenwahl findet im Frühjahr 2014 statt, der Amtsantritt wird im Sommer 2014 sein. Präsident Santos hat trotz niedriger Popularitätswerte gute Chancen auf eine Wiederwahl, da es an starken Konkurrenten mangelt.
Die Regierung Santos verhandelt seit November 2012 in Oslo und Havanna mit der größten Rebellenorganisation FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) über ein Friedensabkommen. Der Präsident will diese Verhandlungen bis November 2013 abschließen. Ein erfolgreicher Abschluss würde die bereits erreichten Verbesserungen in der Sicherheitslage des Landes einen entscheidenden Schritt voranbringen.
Kolumbien ist in Südamerika nach Brasilien das bevölkerungsreichste Land und liegt nach Wirtschaftskraft (Höhe des BIP) an dritter Stelle, nach Brasilien und Argentinien, wobei Argentinien bald überholt werden könnte. Die makroökonomischen Zahlen des Landes sind schon lange recht gut, da die Regierungen Kolumbiens immer eine dezidiert marktwirtschaftliche und gleichzeitig stabilitätsorientierte und eher konservative Wirtschaftspolitik verfolgt haben. Kolumbien hat nur selten „chinesische“ bzw. „asiatische“ Wachstumsraten erzielt, aber stets befriedigende, nahe am Potentialwachstum liegende Raten von 4% bis 5% p.a. Auch dadurch ist es gelungen, das konstante Wachstum mit niedrigen, kontrollierten Inflationsraten von um die 3% p.a. in Einklang zu bringen.
Durch die verbesserte innere Sicherheit fließen immer mehr Auslandsgelder nach Kolumbien, die ausländischen Direktinvestitionen haben im letzten Jahr knapp 17 Mrd USD erreicht, in diesem Jahr wird mit einer ähnlichen Zahl gerechnet. Der weit überwiegende Teil dieser Direktinvestitionen (ca. 85%) fließt in die dynamischen Sektoren Bergbau und Energie. Die Erdölproduktion Kolumbiens, die vor nur sieben Jahren erst bei 500.000 Fass pro Tag lag, hat in diesem Jahr erstmals die 1-Million-Fass-Grenze überschritten. Kolumbien ist außerdem der viertgrößte Kohleproduzent der Welt und einer der wichtigsten Steinkohlelieferanten Deutschlands.
Im Jahr 2011 hat Kolumbien nach etwa zehnjähriger Unterbrechung wieder ein Investmentgraderating von allen drei wichtigen Ratingagenturen erhalten. S&P hat Kolumbien erst im April dieses Jahres von BBB– auf BBB hochgestuft. Die Auslandsverschuldung des Landes ist relativ gering und tendenziell abnehmend, die Währungsreserven steigen dagegen durch Interventionen der Zentralbank am Devisenmarkt (Kauf von US-Dollar zum Abbremsen der Aufwertungstendenz des Kolumbianischen Peso) kontinuierlich. Man rechnet damit, dass Kolumbien noch in diesem Jahr zum Nettogläubiger gegenüber dem Ausland wird.
Im Gegensatz zu den allgemein als stagnierend bzw. „sklerotisch“ eingestuften Integrationsbündnissen „Mercosur“ und „UNASUR“ wird der Zusammenschluss der marktwirtschaftlich orientierten und sich seit Jahren erfolgreich entwickelnden Länder Chile, Peru, Kolumbien und Mexiko zur „Pazifik-Allianz“ als künftiges Erfolgsmodell gesehen. Wichtigster Handelspartner Kolumbiens sind nach wie vor die USA, mit denen seit 2012 ein Freihandelsabkommen besteht, jedoch wird auch der intraregionale Handel immer stärker. Auf der Importseite sind zudem Handelspartner aus Asien, allen voran China, von immer größerer Bedeutung, wobei diese Länder in Kolumbien aber nicht so stark Fuß gefasst haben wie etwa in Chile und Peru (für diese Länder ist China inzwischen der wichtigste Handelspartner). Ein bereits abgeschlossenes Freihandelsabkommen mit der EU könnte Ende des Jahres ratifiziert sein.
Eines der größten Probleme Kolumbiens ist die schlechte Infrastruktur. Kolumbien hat eine schwierige Topographie, da sich die Anden beim Eintritt in das Land vom Süden her in drei Stränge aufteilen und das Land damit von Süd nach Nord „zerschneiden“. Gleichzeitig sind größere Teile des Landes von Urwald bedeckt. Diese Verhältnisse haben von jeher die Verkehrserschließung innerhalb Kolumbiens stark behindert. Bis jetzt wurde auch nicht genug in die Infrastruktur investiert, was dazu geführt hat, dass der Transport eines Containers von der Hauptstadt Bogotá in einen kolumbianischen Hafen teurer ist als der anschließende Transport von Kolumbien nach China (oder in umgekehrter Richtung).
Die Regierung Santos hat jetzt jedoch ein auf mehrere Jahre angelegtes großes Programm für Investitionen in die Infrastruktur aufgelegt. Das Straßennetz, die Wasserwege und das Schienennetz sowie die Seehäfen sollen erheblich erweitert werden. Dieses Programm sollte dem Land einen weiteren Entwicklungsschub bescheren. Für deutsche Unternehmen könnten sich hier Chancen eröffnen.
Die BHF-BANK hat traditionell gute Kontakte zu kolumbianischen Banken und unterstützt deutsche Exporteure bei der Absicherung ihrer Auslandsforderungen.
Kontakt: ingo.gerding[at]bhf-bank.com