Der Mercosur sollte eigentlich einen gemeinsamen Markt am Cono Sur schaffen, doch die Wirtschafts- und Handelsunion ist bei weitem noch nicht vollzogen. Insbesondere beim Antidumping, das heimische Anbieter vor Preisunterbietungen aus dem Ausland schützen soll, sind die nationalen Interessen allererste Priorität – mit zahlreichen Maßnahmen werden die Einfuhren erschwert. Auch in den Freihandelsgesprächen mit der EU sind noch einige Hürden zu überwinden.

Von Alf Baars, Rechtsanwalt und Junior-Partner, Oppenhoff & Partner

Der 1991 durch den Vertrag von Asunción ins Leben gerufene Mercado Común del Sur – Mercosur ist ein regionales Integrationsbündnis zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, das nach dem Vorbild der Europäischen Gemeinschaft auf die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes zwischen den Mitgliedsstaaten abzielt. Dieses Ziel beinhaltet den Abbau aller tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedsstaaten, die Einführung eines gemeinsamen Außenzolls und einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittstaaten sowie eine umfassende Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung in den von der Integration betroffenen Bereichen.

In der Realität ist der Mercosur in den 20 Jahren seines Bestehens allerdings bislang über das Integrationsstadium einer unvollkommenen Zollunion nicht hinausgekommen. So werden nicht nur die seit 1995 bestehende Zollfreiheit für den internen Warenverkehr und der gemeinsame Außenzoll durch zahlreiche Ausnahmeregelungen durchbrochen, die vor allem die Automobilindustrie betreffen. Auch bei der Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse innerhalb des Mercosur und der Einführung einer gemeinsamen Handelspolitik bestehen erhebliche Defizite.

Ein Beispiel hierfür ist das handelspolitische Schutzinstrument des Antidumpingrechts, das nach wie vor autonom durch die Mitgliedsstaaten sowohl gegenüber Drittstaaten als auch im Bereich des Binnenhandels angewandt wird und insbesondere im argentinisch-brasilianischen Handelsverkehr bereits des Öfteren zu Handelskonflikten geführt hat. Als Dumping verstanden wird der Verkauf einer Ware im Ausland zu einem Preis, der unter dem normalen Wert des Produkts liegt. Dabei richtet sich der für die Dumpingfeststellung relevante Normalwert in der Regel nach den im Ausfuhrland gezahlten Preisen.

Das Antidumping ist völkerrechtlich durch Art. VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und den WTO-Antidumpingkodex von 1994 festgelegt und primär ein Ordnungsmittel der internationalen Wettbewerbspolitik. Es soll den heimischen Wettbewerb vor einer geographischen Preisdifferenzierung schützen und verhindern, dass ausländische Hersteller oder Exporteure die heimischen Anbieter durch Schaffung eines künstlichen Preisdrucks von ihrem angestammten Markt verdrängen. Zu diesem Zweck werden entweder Zusatzzölle auf die entsprechenden Produkte bis zur Höhe der Dumpingmarge erhoben, oder der ausländische Exporteur muss sich zur Selbstbeschränkung verpflichten. Allerdings besteht die große Gefahr, dass die Antidumpingregeln zu industriepolitischen und protektionistischen Zwecken missbraucht werden.

Sämtliche Mercosur-Staaten haben eigene nationale Antidumpingregeln, die sich aufgrund der Vorgaben der WTO inhaltlich nur marginal voneinander unterscheiden. In der praktischen Anwendung gibt es dagegen ein erhebliches Gefälle zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten. Während sich die bislang durch die kleineren Staaten Paraguay und Uruguay eingeleiteten Antidumpingverfahren an zwei Händen abzählen lassen, gehören Brasilien und allen voran Argentinien zu den weltweit führenden Anwendern des Antidumpingrechts.

So führt der Bericht des Antidumping-komitees der WTO (G/L/935) zum Ende vergangenen Jahres für Brasilien 32 laufende (vorläufige oder endgültige) Antidumpingmaßnahmen auf, Argentinien führt mit 115 Antidumpingmaßnahmen die Liste gar an. Die Antidumpingmaßnahmen richten sich dabei überwiegend gegen Importe aus China sowie aus anderen BRIC-Staaten, aber auch gegen Einfuhren aus Europa und den USA. Zum Vergleich: Die Europäische Union kommt insgesamt auf 84 Maßnahmen.

Im Bereich des Mercosur-Binnenhandels hat Argentinien zehn Antidumpingmaßnahmen gegenüber Importen aus Brasilien verhängt, die insbesondere Stahlprodukte betreffen, sowie weitere drei Maßnahmen hinsichtlich Ausfuhren aus Paraguay und Uruguay. Die Versuche Brasiliens, die Maßnahmen im Rahmen des institutionellen Streitbeilegungssystems des Mercosur für unzulässig erklären zu lassen, sind bislang erfolglos geblieben.

Zwar wurde bereits 2001 im Rahmen eines Mercosur-Schiedsverfahrens festgestellt, dass die intraregionale Verhängung von Antidumpingmaßnahmen im klaren Widerspruch zum Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit innerhalb des Mercosur steht. Allerdings müsse die nationale Dumpingabwehr grundsätzlich auch innerhalb des Mercosur zulässig bleiben, solange der Mercosur nicht über gemeinsame Wettbewerbsvorschriften verfüge, die – wie in der EU – an die Stelle der nationalen Antidumpinggesetze treten könnten. Die Anwendung des Antidumpingrechts müsse sich jedoch an ihrer wettbewerbspolitischen Zielsetzung orientieren und dürfe nicht zu protektionistischen Zwecken missbraucht werden.

An dieser Rechtslage wird sich vorerst auch nichts ändern, da mit einer einzelstaatlichen Umsetzung des bereits 1996 auf den Weg gebrachten Wettbewerbsprotokolls des Mercosur in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Selbst die durch den Rat des Mercosur im Jahre 2002 beschlossene Übernahme des WTO-Antidumpingkodexes in das Mercosur-Recht sowie die Einführung eines Konsultations- und Informationsverfahrens vor Verhängung von Antidumpingmaßnahmen innerhalb des Binnenmarktes ist bislang nur durch Brasilien in nationales Recht umgesetzt worden. Inwieweit indes langfristig die Verhängung von Antidumpingmaßnahmen innerhalb des Mercosur mit den Vorgaben des Art. XXIV Abs. 8 lit. a und b GATT vereinbart werden kann, der Antidumpingmaßnahmen nicht zum Kreis der innerhalb einer Zollunion bzw. Freihandelszone ausnahmsweise zulässigen Handelsbeschränkungen zählt, ist fraglich.

Unternehmen, die Waren in den oder innerhalb des Mercosur liefern wollen, müssen sich darauf einstellen, dass mangels einheitlicher Vorschriften innerhalb des Blockes die Regeln zum Antidumping nicht homogen durch die Mitgliedsstaaten angewandt und ausgelegt werden. Insbesondere in Argentinien laufen sie Gefahr, Antidumpingmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Im Falle der Eröffnung eines Antidumpingverfahrens sollte in jedem Falll rechtzeitig das Gespräch mit den zuständigen Behörden gesucht werden. Auch nach Verhängung von Antidumpingmaßnahmen kann sich ein administratives Überprüfungsverfahren noch lohnen.

Textkasten: Freihandelsgespräche mit der EU

Die Staaten des Mercosur wickeln rund ein Fünftel ihres Warenhandels mit den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ab. Exportiert werden vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse, aus der EU kommen Maschinen und Transportausrüstungen. Die beiden Warengruppen haben jeweils einen Anteil von ca. 50% an den Warenströmen.

Seit dem Abschluss eines Assoziationsabkommens im Jahr 1995 verhandeln beide Seiten über weitere Handelserleichterungen. Nach einer längeren Unterbrechung wurden die Gespräche 2009 wieder aufgenommen und zuletzt Anfang Juli 2011 in Brüssel fortgesetzt. Allerdings wurden bislang kaum Fortschritte erzielt.

Insbesondere die europäischen Landwirte wehren sich gegen eine Marktöffnung, die vor allem die Rindfleischerzeuger treffe. Profitieren würden laut einer Studie der EU-Kommission die europäische Industrie und Anbieter von Dienstleistungen.

Kontakt: alf.baars[at]oppenhoff.eu

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