Neben Griechenland und Portugal gelten vor allem Spanien und Italien als die Sorgenkinder nach der Euro-Krise. Haben die Länder die wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwunden, und in welcher wirtschaftlichen Situation befinden sich beide Länder aktuell? Wie ist es um ihren Export sowie Import bestellt, und welche Möglichkeiten bieten sich deutschen Unternehmen dort? Eine Bestandsaufnahme.

Von Sven Gohlke, Regional Manager Europe, Commerzbank AG, Mittelstandsbank International

Sechs Jahre nach der Krise befindet sich Italien noch immer in der Rezession. Nach dem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts schien das Land 2010 und 2011 wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt zu sein. Allerdings schrumpfte die Wirtschaftsleistung schon im darauffolgenden Jahr erneut um 2,4%. Ein Trend, der sich auch 2013 (–1,9%) fortsetzte, da insbesondere die Binnennachfrage eingebrochen ist.

Gute Nachrichten gibt es dagegen vom Außenhandel. Seit 2011 haben sich die Exporte um insgesamt 15,1 Prozentpunkte erhöht. Diesen Wert konnte man 2013 zwar nicht mehr steigern, aber immerhin wurde das Ergebnis gehalten.

Sowohl im Export wie im Import ist Deutschland mit einem Anteil von 12,5% bzw. 14,5% der wichtigste Handelspartner Italiens. Besonders Lieferungen von Kfz und Kfz-Teilen sowie chemischen Erzeugnissen und Maschinen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Ein großes Interesse besteht darüber hinaus an ­Elektronik und elektronischen Produkten. Es zeigt sich, dass Unternehmen im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten in Italien mittlerweile auch technisch anspruchsvolle Produkte absetzen können.

In all diesen Segmenten bieten sich für mittelständische Unternehmen aus Deutschland viele Möglichkeiten, grenzüberschreitend aktiv zu werden. Allerdings sollten diese Unternehmen ihr Engagement gründlich vorbereiten. Dafür gibt es eine Vielzahl guter Gründe. Zu-nächst hält der italienische Bankenmarkt zwar für große Firmen – also solche, die mehr als 150 Mio EUR Umsatz im Jahr machen – die gleichen Finanzierungsmöglichkeiten wie in Deutschland bereit. Aber den Finanzinstituten des Landes fehlt oftmals die Bereitschaft, mittelständische Unternehmen zu unterstützen. Es gibt zwar in Italien mit der Cassa Depositi e Prestiti ein Äquivalent zur deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), allerdings hilft diese Einrichtung in der Regel ebenfalls nur großen Unternehmen.

Viele deutsche Banken, darunter die Commerzbank, sind deshalb in Italien mit ­Filialen vertreten, um mittelständischen Firmen genau das Leistungsspektrum ­bieten zu können, das sie aus ihren Heimatmärkten kennen. Auf Basis dieser ­Vor-Ort-Expertise ist es möglich, schnell und unkompliziert Kreditlinien in Italien zu stellen. Dafür bietet die Commerzbank beispielsweise an, dass für Garantie/Bürgschaft normalerweise das bessere Rating der Muttergesellschaft in Deutschland genutzt wird. Auf diese Weise kann auch das durch die Euro-Krise heraufbeschworene Länderrisiko entschärft werden, und Unternehmen wird so ein möglichst sanfter Einstieg in den italienischen Markt ermöglicht.

Besonders deutsche Unternehmen sollten des Weiteren beachten, dass die italienische Judikative im Vergleich zu der in der Bundesrepublik verhältnismäßig langsam arbeitet – und das in einem äußerst komplexen rechtlichen Umfeld. Gemeinsam mit einer ebenso komplexen Bürokratie und sehr hohen Lohnkosten entsteht eine hohe Einstiegshürde für den Handel bzw. den Markteintritt. Für Italien und seine Regierung bedeutet das: Will man künftig noch mehr internationale Unternehmen und Investoren für sich gewinnen, sind Reformen in diesem Bereich unabdingbar.

Erste Ansätze dafür lassen sich bereits erkennen. Das italienische Handelsdefizit sank 2012 von 3,8% im Vorjahr auf 3,0%. Dieser Wert konnte im darauffolgenden Jahr gehalten werden. Der Rückgang ist das Ergebnis einer Reihe verschiedener Konsolidierungsmaßnahmen, die die Regierung unter Ministerpräsident Mario Monti vorangetrieben hatte.

Doch das kann nur der Anfang sein. Weitere Reformen sind dringend notwendig, um der italienischen Wirtschaft wieder positive Impulse zu geben, denn der Aufbau der Industrie in den südlichen Ländern gilt als Schlüssel zur Überwindung des Wachstumsgefälles zu den nördlichen Mitgliedsstaaten der EU. Besonders deutsche Unternehmen leisten mit ihren Beteiligungen und Kooperationen einen großen Beitrag zur Stärkung der Kapitalbasis und der Wettbewerbsfähigkeit Italiens. Deshalb ist es wichtig, hier noch bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.

Handelsbeziehungen zu Italien lohnen sich jedoch durchaus schon jetzt – mit der richtigen Planung und einem gut aufgestellten Finanzpartner mit Vor-Ort-Expertise. Ein wichtiger Markt der Zukunft wird dabei der Bereich Energieversorgung sein. Dieser bietet künftig gerade für mittelständische Zulieferunternehmen viele Möglichkeiten, denn die italienische Bevölkerung hat sich 2011 mit einem Referendum gegen die Wiedereinführung der Nuklearenergie ausgesprochen. Bei erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarkraft wird in den kommenden Jahren also mit einem erheblichen Wachstum zu rechnen sein.

Spanien ist mit ähnlichen Voraussetzungen wie Italien aus der Krise gekommen, hat die größten Probleme mittlerweile allerdings überstanden. Natürlich sind die Medienberichte über die hohe Arbeitslosigkeit bei den Iberern allgegenwärtig – für dieses Jahr wird zumindest ein Rückgang, allerdings auf noch immer stattliche 25%, erwartet. Dennoch hat die spanische Volkswirtschaft die Rezession 2013 mit einem leichten Wachstum von 0,1% hinter sich gelassen. In diesem Jahr wird sogar eine weitere Verbesserung um 1 Prozentpunkt erwartet.

Daneben hat sich die Einfuhr von Investitionsgütern nach acht negativen Quartalen in der zweiten Jahreshälfte 2013 wieder belebt – sie gilt als wichtiger Frühindikator für einen Wirtschaftsaufschwung. Ein weiterer Beweis für Spaniens gute Entwicklung: Das Land kann bereits vorzeitig mit der Rückzahlung von EU-Krediten beginnen, die die Halbinsel nach der Krise erhalten hatte – eigentlich wäre eine Rückzahlung erst im nächsten Jahrzehnt fällig gewesen.

Für internationale Unternehmen ist Spanien aus vielerlei Gründen ein äußerst wichtiger Markt. Nicht zuletzt auch, weil Spanisch weltweit von ca. 340 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen wird. Damit ist es nach Englisch und Mandarin die am häufigsten benutzte Sprache der Welt. Und daraus ergeben sich gute Einstiegsmöglichkeiten, besonders in den lateinamerikanischen Wachstumsmärkten. Daneben bietet auch die geographische Lage einen Standortvorteil: Spanien ist der nächste europäische Nachbar zu den nordafrikanischen Emerging Markets. Doch auch der spanische Markt an sich hält für ausländische Unternehmen viele interessante Handels- und Investitionsansätze bereit.

Nach Frankreich, dem direkten Nachbarn, ist Deutschland Spaniens zweitgrößter Handelspartner. Bei den Importen liegt die Bundesrepublik sogar auf dem ersten Platz.

Auf der spanischen Halbinsel haben Autos und Kfz-Teile, Maschinen, Chemieprodukte sowie Elektronik und Elektro-
technik den größten Anteil am Import. Die gleichen Schwerpunkte finden sich auch im Export. Dort kommen lediglich noch Nahrungsmittel als wichtiges Handelsgut hinzu. In Spanien selbst sind rund 1.200 deutsche Unternehmen mit Tochtergesellschaften präsent. Sie bilden damit einen bedeutenden Faktor der iberischen Volkswirtschaft und haben insgesamt immerhin 300.000 Arbeitsplätze geschaffen.

Damit diese Unternehmen in Spanien erfolgreich arbeiten können, ist es wichtig, auch einen kompetenten Finanz­partner an seiner Seite zu wissen. Deutsche Banken sind traditionell in Spanien vor Ort aktiv, um Unternehmen aus der Bundesrepublik in ihren Handelsbeziehungen zu unterstützen – die Commerzbank beispielsweise schon seit 1953. Das bezieht sämtliche Aspekte des internationalen Handels mit ein: von wich­tigen Informationen rund um die Besonderheiten des heimischen Markts über die Bereitstellung von Liquidität bis zur Absicherung von Exporten und Importen.

Als fünftgrößte Wirtschaft der EU bietet Spanien internationalen Unternehmen viele Anreize, denn die Spanier haben gerade nach der Krise Reformen vorangetrieben: beispielsweise die finanzielle Konsolidierung auf allen Ebenen der Verwaltung. Das Finanzsystem wurde adjustiert und rekapitalisiert, der Arbeitsmarkt reformiert. Insgesamt hat die Regierung umfassende Maßnahmen ergriffen, um Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmertum zu fördern.

Darüber hinaus wurden neue Rahmenbedingungen geschaffen, um Investoren anzulocken. Unter anderem bietet man Unternehmen steuerliche Erleichterungen und andere Incentives dafür, dass sie Arbeitsplätze schaffen. Hinzu kommt, dass die spanische Regierung bereits generell für eine relativ moderate Steuerbelastung sorgt, die Lohnkosten liegen unter dem Durchschnitt der Europäischen Union, ebenso die Sozialausgaben.

Gute Voraussetzungen also für deutsche Unternehmen, die außerdem auf zusätzliche Unterstützung vor Ort bauen können. Das Spanish Institute for Foreign Trade (ICEX) bietet ausländischen Firmen Hilfe und Beratung bei der Etablierung im spanischen Markt an. Es hilft Unternehmen aber ebenso bei der Suche nach Fördermitteln und Handelsabsicherungen sowie bei der Anbahnung erster Geschäftsbeziehungen.

Generell gibt es in Spanien viele weitere Förderprogramme, von denen die der European Investment Bank (EIB) und des Official Credit Institute (ICO) die bekanntesten sind. Darüber hinaus haben jede Comunidad Autónoma (in etwa vergleichbar mit den deutschen Bundesländern) und einige Städte ihre eigenen Förderprogramme. Allerdings gibt es dazu bis jetzt keine zusammenfassende Übersicht. Es ist daher ratsam, sich bei jeweiligen lokalen Behörden oder der spanischen Repräsentanz der deutschen Außenhandelskammer über eventuelle Fördermöglichkeiten zu informieren.

Ob Italien oder Spanien: Der Blick in die südlichen Regionen Europas ist für deutsche Unternehmen sicherlich lohnenswert. Mit einer sich zunehmend erholenden spanischen Wirtschaft und einer ita-lienischen Regierung, die gewillt ist, weitere Reformen voranzutreiben, werden sich hier künftig interessante Möglichkeiten für den Außenhandel bieten. Wichtig ist jedoch, sich im Vorfeld des Gangs in diese Märkte ausführlich über lokale Besonderheiten zu informieren – und nicht zuletzt auch sicherzustellen, dass man vor Ort einen kompetenten Finanzpartner an seiner Seite weiß.

Kontakt: sven.gohlke[at]commerzbank.com

15 replies on “Neue Perspektiven für den Handel mit Südeuropa”

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