Das FHA mit Vietnam ist das umfassendste, das die EU jemals mit einem Entwicklungsland abgeschlossen hat. Es beinhaltet neben der Liberalisierung des Handels mit Waren, Dienstleistungen und Investitionen unter anderem auch Regeln zum Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen.

Das 2015 in Kraft getretene Freihandelsabkommen mit Südkorea hat sich bewährt. Das Handelsabkommen mit Vietnam liegt zur Unterzeichnung bereit und könnte noch dieses Jahr rechtsverbindlich werden.

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Freihandelsabkommen (FHAs) ermöglichen einen besseren Zugang zu internationalen Märkten. Trotz der Bedeutung Asiens für den europäischen Außenhandel kommen die Verhandlungen mit asiatischen Ländern nur schleppend voran. Erst 2014 traten das FHA mit Singapur, 2015 das mit Südkorea und am 1. Februar das FHA und das Investitionsschutzabkommen mit Japan in Kraft. Noch in diesem Jahr soll allerdings auch das Abkommen mit Vietnam unterzeichnet werden.

Lange führte die EU Verhandlungen mit dem ASEAN-Staatenbund (Vietnam, Singapur, Sri Lanka, Kambodscha, Thailand, Malaysia, Indonesien, Brunei, Laos, Myanmar, Philippinen). Diese wurden jedoch 2009 ausgesetzt und durch bilaterale Konsultationen abgelöst.

Am 17. Oktober 2018 legte die Europäische Kommission nun dem Europäischen Rat ein Freihandelsabkommen und ein separates Investitionsschutzabkommen mit Vietnam zur Unterzeichnung vor. Sobald Rat und Europäisches Parlament dem FHA zugestimmt haben, kann es in Kraft treten. Das Investitionsschutzabkommen muss nach Zustimmung des Rats und des Europäischen Parlaments noch zusätzlich von allen EU-Mitgliedstaaten einzeln ratifiziert werden.

Vietnam ante portas

Das FHA mit Vietnam ist das umfassendste, das die EU jemals mit einem Entwicklungsland abgeschlossen hat. Es beinhaltet neben der Liberalisierung des Handels mit Waren, Dienstleistungen und Investitionen auch Regeln zum Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen, zu sanitären und phytosanitären Maß­nahmen (SPS), zum Schutz geistigen Eigentums (IPR) inklusive geographischer Herkunftsbezeichnungen (GIs), zum Beschaffungswesen, zu Regulierungsfragen, zum Wettbewerb und zur nachhaltigen Entwicklung.

Im Rahmen des Abkommens wird Vietnam innerhalb von zehn Jahren rund 99% seiner Einfuhrzölle für EU-Waren abschaffen, wobei 65% bereits bei Inkrafttreten des Abkommens liberalisiert werden. Im Gegenzug wird die EU ihre Zölle auf Importe aus Vietnam innerhalb von sieben Jahren beseitigen. Nur für einige landwirtschaftliche Produkte (Reis, Mais, Knoblauch, Champignons, Zucker und hoch zuckerhaltige Produkte, Maniokstärke, Surimi und Thunfischkonserven) wird es Zollkontingente geben.

Durch das FHA bekommen EU-Unternehmen außerdem die Möglichkeit, bei öffentlichen Ausschreibungen der viet­namesischen Ministerien (einschließlich Infrastruktur), der wichtigsten Staatsunternehmen (wie z.B. der Energieversorgungsunternehmen und bundesweiten Bahnbetreiber), der 34 öffentlichen Krankenhäuser sowie der beiden größten vietnamesischen Städte Hanoi und Ho-Chi-Min-Stadt mitzubieten.

Das Investitionsschutzabkommen soll die bestehenden 21 bilateralen Investitionsschutzabkommen (BITs) der EU-Mitgliedstaaten ersetzen und enthält alle Aspekte des neuen Ansatzes der EU zum Investitionsschutz samt den zugehörigen Durchsetzungsmechanismen. Das Abkommen sieht ein dem Handelsabkommen mit Kanada (CETA) ähnliches Investitionsgerichtshofsystem vor.

Die EU erhofft sich vom FHA mit Vietnam einen ähnlich positiven Effekt auf den bilateralen Handel, wie ihn das FHA mit Südkorea gehabt hat. Vor allem Exporteure von Maschinen, elektrischen und elektronischen Geräten, Pharmazeutika, Fahrzeugen und Flugzeugen rechnen sich bessere Absatzchancen aus.

Freihandelsabkommen EU–Südkorea

Das FHA EU–Südkorea wird seit 2011 angewendet und trat im Dezember 2015 offiziell in Kraft. Seit der Ratifizierung sind rund 98,7% aller Zölle entfallen.  Dadurch konnten Exporteure und Importeure Zollzahlungen in Millionenhöhe einsparen. Der Handel zwischen der EU und Südkorea konnte erheblich gesteigert werden. Vor allem die deutsche Pharma- und Chemieindustrie sowie der Maschinenbau haben profitiert.

Mit dem Abkommen wurden sektorübergreifend nichttarifäre Hemmnisse u.a. in der Automobil- und Arzneimittelindustrie sowie der Unterhaltungselektronik beseitigt. Im Rahmen des FHAs akzeptiert Südkorea jetzt viele europäische Normen als gleichwertig. Das Gleiche gilt umgekehrt. Für geographische Angaben der EU wie bei Champagne, Prosciutto di Parma, Fetakäse, Rioja, Tokajer oder Scotch Whisky garantiert das Abkommen ein hohes Schutzniveau.

Die Ursprungsregeln wurden vereinfacht, und für sensible Sektoren hat man strenge Regeln festgelegt. Bei Fahrzeugen wurde der zulässige Anteil von Importteilen von 40% auf 45% angehoben. Für Textilien, Agrar- und Fischereierzeugnisse wurden die Standardursprungsregeln der EU mit nur einigen wenigen Abweichungen beibehalten. Gemäß den WTO-Regeln behalten sich die EU und Südkorea das Recht auf die Rückerstattung von Zöllen vor, die auf Einfuhren von Fahrzeugteilen entrichtet wurden. Für den Fall, dass die Einfuhren aus Ländern stark ansteigen, die mit Südkorea kein Freihandelsabkommen geschlossen haben und für die damit weiterhin die Meistbegünstigungszollsätze gelten, kann jedoch im Rahmen einer Sonderklausel die Rückerstattung auf eine Obergrenze von 5% reduziert werden.

Hürden für KMUs

Obwohl sich das FHA bewährt hat, wird das Potential noch nicht voll ausgeschöpft. Laut einer Untersuchung der Europäischen Kommission haben bisher 35% der nach Südkorea exportierenden EU-Unternehmen noch keine Präferenzbehandlungen beantragt, um von niedrigeren Zöllen und anderen Vorteilen zu profitieren.

Eine große Hürde für die Nutzung von Präferenzabkommen ist für KMUs die Bestimmung des Ursprungs aller Import- und Exportwaren. Diese kostet nicht nur Zeit. Auch ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen Geschäftsleitung, Export, Beschaffung, Qualitätssicherung, Logistik und Finanzen sowie ein kontinuierliches Monitoring sind notwendig.

Wenn z.B. die Einkaufsabteilung aufgrund tieferer Preise den Lieferanten wechselt (bisheriger Ursprung Deutschland; neuer Ursprung China/Drittland), muss die Exportabteilung darüber informiert werden, da sich dadurch möglicherweise der Ursprung ändert. Auch Preis- und Produktionsänderungen oder Wechselkursschwankungen können Änderungen in der Ursprungsbeurteilung nach sich ziehen. Wird die Kalkulation nicht regel­mäßig überprüft, können bei Falschdeklarationen Nachzahlungen von Zöllen und erhebliche Bußen auf die Unternehmen zukommen.

Digitalisierung ein Muss

FHAs bringen in vielen Marktsegmenten auch keine komplette Zollfreiheit. Der stufenweise Abbau der Zollschranken über mehrere Jahre, Quoten und Kontingente stellen ebenfalls hohe Ansprüche an die Unternehmen. Zur Unterstützung bieten zahlreiche Softwarehäuser cloudbasierte IT-Lösungen für Global-Trade-Management und Zollprozesse an, die in bestehende ERP-Systeme integriert werden können. Diese vereinfachen die rechtskonforme Abwicklung von Außenhandelstransaktionen im Rahmen von Wirtschafts- und Freihandelsabkommen.

Eine durchgehende Digitalisierung der Import- und oder Exportprozesse macht die Zusammenarbeit mit den Handelspartnern, Zollbehörden und Verzollungspartnern transparenter. Investitions­treiber ist aber vor allem eine höhere Kosteneffizienz bei der Abwicklung von Außenhandelsgeschäften und beim Ausschöpfen von Präferenzabkommen. Die Digitalisierung von Supply-Chain-Prozessen ist eine Chance, Produktivität, Compliance und Einnahmen zu erhöhen sowie Einkaufskosten zu senken. Die Digitalisierung ist heute – auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) – keine Option mehr, sondern ein Muss.

Fazit

Freihandelsabkommen sind gerade für KMUs wirksame Hilfen bei der Erschließung neuer Absatzmärkte. Beim Einkauf von Vormaterialien können sie kostendämpfend wirken. Viele Außenhandelsunternehmen hoffen daher, dass das Tempo der Verhandlungen mit asiatischen Ländern beschleunigt wird.

arnemielken@amberroad.com

www.amberroad.de

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