Schutzzölle für Mähdrescher und Abwrackgebühr für importierte Fahrzeuge und Landmaschinen – Russland zieht trotz seiner ­Mitgliedschaft in der WTO die Handelszäune hoch. Die starke Konkurrenz westeuropäischer Hersteller und der Rückgang der ­Fertigung heimischer Produzenten hat die Regierung auf den Plan gerufen. Doch die Modernisierung der heimischen Industrie lässt sich mit veralteter russischer Technik kaum erreichen. Westliche Hersteller investieren zunehmend vor Ort und füllen die Lücke.

Von Gunther Schilling, Redaktionsleiter ExportManager, F.A.Z.-Institut

Mit einem Zuwachs von 11% auf 2,9 Mio Fahrzeuge überstieg der russische Automobilabsatz (Pkw und leichte Nfz) 2012 erstmals wieder das Vorkrisenniveau von 2008. Während ausländische Marken zumeist zweistellige Wachstumsraten erzielen konnten, ging der Absatz des heimischen Marktführers Lada um 7% zurück.

Für das Jahr 2013 sind die Erwartungen allerdings gedämpft bis pessimistisch: So gilt seit September 2012 eine Abwrackgebühr für im Ausland hergestellte Fahrzeuge, die den Import verteuert und bereits zu deutlich rückläufigen Fahrzeugimporten geführt hat.

Allerdings ist der Erneuerungsbedarf des russischen Fahrzeugbestandes hoch und das Potential des Marktes noch lange nicht ausgeschöpft. Daher investieren ausländische Hersteller zunehmend in die Fertigung vor Ort und erhöhen ihren lokalen Wertschöpfungsanteil. Auch Partnerschaften mit lokalen Herstellern helfen dabei, den Markteintritt zu meistern.

Russland verfügt über 77 Mio ha ertragreicher Ackerfläche, die zumeist weit unter ihrem Potential genutzt wird. Es fehlt neben unternehmerischer Qualität oft auch an moderner Landtechnik. Der Erneuerungsbedarf des Maschinenparks liegt nach Einschätzung von Martin Richenhagen, CEO des US-Landmaschinenherstellers Agco, theoretisch bei 100.000 Fahrzeugen im Jahr. Doch die langsame Modernisierung der zumeist noch in großen Einheiten organisierten Betriebe bremst die Marktentwicklung. Hinzu kommt die protektionistische Politik der russischen Regierung, die auch den Import von Landmaschinen zugunsten heimischer Hersteller verteuert.

Das russische Industrieministerium bereitet die Einführung einer Abwrackgebühr für importierte Landtechnik vor. Zudem unterliegen Lieferungen von Mähdreschern in die eurasische Zollunion seit Januar 2013 einem zusätzlichen Zoll von 27,5%. Damit sollen russische Hersteller wie Rostselmasch und Krasnojarski Sawod Kombainow verlorene Marktanteile wiedergewinnen können, die sie seit dem Beitritt Russlands zur WTO eingebüßt haben. Schließlich erhalten Käufer russischer Landmaschinen günstige Kredite zur Finanzierung dieser Investitionen.

Auch für Landmaschinenproduzenten aus den USA und Westeuropa führt angesichts der Importhürden kein Weg an einem Engagement vor Ort vorbei, wenn sie den russischen und eurasischen Markt nicht verlieren möchten. Der Mähdrescherproduzent Claas will seine Kapazitäten bis 2015 verdoppeln, um den Marktanteil auf 25% zu erhöhen. Dabei soll sich der lokale Wertschöpfungsanteil von 20 auf 50% erhöhen. Der US-Hersteller Agco setzt auf einen russischen Partner, um als russischer Anbieter wahrgenommen zu werden und die Teilezulieferung zu sichern.

Kontakt: g.schilling[at]faz-institut.de

18 replies on “Protektionismus zwingt zur Lokalisierung”

Comments are closed.

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner