In Nordamerika müssen Unternehmen durchschnittlich 5,3% ihrer offenen Forderungen gegenüber Geschäftskunden abschreiben. Im vergangenen Jahr waren es noch 4%. Das ist ein Ergebnis aus dem aktuellen „Zahlungsmoralbarometer“, für das Atradius ­über 600 Unternehmen aus Kanada, Mexiko und den USA befragen ließ. Die Bonität jedes einzelnen Kunden sollte sorgfältig geprüft ­werden. Eine Absicherung gegen Forderungsausfälle ist ratsam.

Von Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius Kreditversicherung

Aus der Studie geht hervor, dass sich die Summe der uneinbringlichen Forderungen gegenüber 2011 in allen drei Ländern erhöhte: in Kanada von 2,9% auf 5,2%, in Mexiko von 4,3% auf 5,2% und in den USA von 4,6% auf 5,6%. In Europa blieb die Höhe der nicht einziehbaren Forderungen dagegen mit durchschnittlich 3% auf Vorjahresniveau.

In Mexiko waren die Verluste bei inländischen Forderungen mit 5,6% stärker ausgeprägt als bei Forderungen gegenüber ausländischen Geschäftspartnern mit 4,1%. In Kanada und den USA stellte dagegen der Export ein größeres Risiko dar. US-amerikanische Unternehmen mussten 6,6% ihrer Forderungen gegenüber ausländischen und 5,1% der Außenstände gegenüber heimischen Geschäftspartnern abschreiben. Kanadische Unternehmen blieben auf 4,8% der Außenstände gegenüber inländischen und 5,8% der Forderungen gegenüber ausländischen Firmenkunden sitzen.

Der Anteil verspäteter Zahlungen in Nordamerika nahm zwar insgesamt im Vergleich zum Vorjahr nicht merklich zu, jedoch warteten die befragten Unternehmen 2012 länger auf ihr Geld und häufiger vergeblich. Dadurch erhöhte sich auch die durchschnittliche Forderungslaufzeit in der gesamten Region Nordamerika. Knapp ein Viertel der Befragten (23,3%) beobachtete in den letzten zwölf Monaten einen Anstieg der Forderungslaufzeit. 7,8% registrierten eine Verkürzung.

Die durchschnittliche Forderungslaufzeit für die Region Nordamerika lag bei 42,7 Tagen. Damit wurde die durchschnittliche Zahlungsfrist von 34,3 Tagen um acht Tage überschritten. Mit 50,7 Tagen verzeichneten die mexikanischen Unternehmen die längste durchschnittliche Forderungslaufzeit, gefolgt von den US-amerikanischen mit 38 und den kanadischen Firmen mit 36,8 Tagen.

Laut unserem Experten für die Region Nordamerika, Senior Regional Director Richard Ariens, zeigten die zunehmenden Forderungsausfälle, dass wir uns weiterhin in einer sehr instabilen Konjunkturphase befinden. Die Insolvenzzahlen lägen weiterhin auf einem hohen Niveau, da die Unternehmen oft zu aggressive Wachstumsziele verfolgten und das Nachfragepotential am Anfang des Aufschwungs überschätzten.

Laut unserem Chief Market Officer An­­dreas Tesch seien die Insolvenzen in den USA zwar seit zwei Jahren rückläufig. Allerdings verdeutlichten die Zunahme der uneinbringlichen Forderungen in den Befragungsergebnissen, dass niedrigere Insolvenzquoten nicht zwangsläufig zu weniger Zahlungsausfällen führten. Diese Entwicklung unterstreicht vielmehr, wie wichtig es ist, die Bonität jedes einzelnen Kunden sorgfältig zu prüfen und sich gegen Forderungsausfälle abzusichern.

Über 55% der befragten Unternehmen in Nordamerika erwarten keine weitere Verschlechterung der Zahlungsmoral in den nächsten sechs Monaten. Doch unter den restlichen 45% befinden sich mehr Unternehmen mit negativen als mit positiven Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Zahlungsausfälle. Die pessimistischen Einschätzungen konzentrieren sich insbesondere im Finanzsektor und im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen.

So plant auch über die Hälfte der befragten Unternehmen, die Bonität ihrer Kunden in den nächsten sechs Monaten stärker zu überprüfen. Ein bedeutender Anteil der Befragten wird zudem verstärkt auf Vorauskasse setzen und Reserven für Zahlungsausfälle bilden. Insbesondere große Unternehmen und solche aus dem Dienstleistungssektor haben angegeben, dass sie die Bonität ihrer Kunden stärker prüfen werden.

Die gesamte Studie „Atradius Zahlungsmoralbarometer Nordamerika“ steht in englischer Sprache kostenlos zum Download unter www.atradius.de bereit.

Textkasten: Mexiko mit guten Indikatoren

Mexikos Wirtschaft hat die tiefe Rezession 2009 schnell überwunden; seit 2010 wächst das BIP solide um über 3,5% jährlich. Wichtigste Treiber sind die Exporte, insbesondere in die USA, und die Investi­tionen im Bau- und Industriesektor. Doch konjunkturelle Risiken bestehen durch einen möglichen Abschwung in den USA.

Die mexikanischen Banken verfügen über reichlich Kapital und Liquidität und sind wenig anfällig für Währungsrisiken, wenn auch ihre zurückhaltende Kreditpolitik den privaten Konsum hemmt und die Finanzierungsmöglichkeiten der mittelständischen Unternehmen einschränkt.

Die stabilitätsorientierte Geld- und Fiskalpolitik führt zu einer rückläufigen Neuverschuldung und einer Inflationsrate unter 4%. Die Herausforderung liegt darin, ein Zinsniveau zu finden, das die Inflation eindämmt, aber die Aufwertung des Peso wegen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in Grenzen hält.

Mexikos internationale Zahlungsfähigkeit ist mit niedrigen Schuldendienstquoten sowie ausreichenden Währungsreserven gut. Das steigende Leistungsbilanzdefizit wird durch stärkere Zuflüsse an Direktinvestitionen abgedeckt. Der neu gewählte Staatspräsident, Peña Nieto, übernimmt am 1. Dezember 2012 die Regierungs­geschäfte. Ihm fehlt die Mehrheit im ­Kongress. So bleibt abzuwarten, ob er die jahrelang blockierten Strukturreformen wird voranbringen können. Weitere Informationen: „Country Report Mexiko“ unter www.atradius.de.

Kontakt: thomas.langen[at]atradius.com

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