Mehr als ein Jahr nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses ist der Schweizer Franken deutlich höher bewertet als vor dieser Maßnahme. Solange die Euro-Zone ihre Probleme nicht in den Griff bekommt, dürfte sich daran wenig ändern. Doch die Auswirkungen auf die Wirtschaft in der Schweiz bleiben begrenzt: Die Wirtschaft wächst, und die reale Kaufkraft nimmt bei sinkenden Preisen zu. Was heißt das für Unternehmen, die mit der Schweiz Geschäfte machen?

Von Martin Keller, Bereichsleiter Product Management der Mittelstandsbank, Commerzbank AG, und Markus Landau, Product Management in Corporates & Markets, Commerzbank AG

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Die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) beruht seit den 70er Jahren auf freien Wechselkursen. Im September 2011 wurde allerdings „in einer Zeit der massiven Überbewertung des Franken und größter Verunsicherung an den Finanzmärkten“ ein Mindestkurs von der SNB eingeführt. „Diese außerordent­liche und temporäre Maßnahme“, so die SNB rückblickend, „hat die Schweizer Wirtschaft vor schwerem Schaden be-wahrt.“ Für etwas mehr als drei Jahre wurde der Schweizer Franken (CHF) damit faktisch an den Euro (EUR) gebunden.

Der Schweizer Franken auf Gipfelsturm

Am 15. Januar 2015 beendete die SNB dieses geldpolitische Intermezzo zur Überraschung vieler Marktteilnehmer. Unmittelbar darauf legte die Schweizer Währung so stark zu, dass die Wechselkurse sogar die Schwelle von 0,90 CHF je Euro unterschritten – ein sich selbst verstärkender Prozess, weil durch fallende Kurse immer mehr Stop-Loss-Orders aktiviert wurden. Inzwischen haben sich die Kurse wieder erholt und liegen bei rund 1,10 CHF – noch deutlich unter der alten Wechselkursgrenze von 1,20 CHF je Euro.

Robustes Wirtschaftswachstum

Trotz der zwischenzeitlich drastischen Aufwertung des Schweizer Franken haben die Unternehmen des Landes auch 2015 gute Geschäfte gemacht. Die Wirtschaft wuchs um fast 1%, obwohl sich die für die Schweiz wichtigen Exporte verteuerten und auch Touristen bei Schweiz-Besuchen tiefer in die Tasche greifen mussten. Hat die SNB also ihr Ziel erreicht? Die aktuelle Preisentwicklung zeigt ein anderes Bild. Denn von ihrem eigentlichen Ziel der Preisstabilität ist sie durch die Aufwertung weit entfernt. Die Schweizer Verbraucherpreise fallen seit Mitte 2015 monatlich im Durchschnitt um etwas mehr als 1% gegenüber dem Vorjahr. Die Rückkehr der Inflationsrate in den positiven Bereich erwartet die SNB erst für 2017. Um das Inflationsziel schneller zu erreichen, wäre eine Abwertung wünschenswert.

Schwächung des Schweizer Franken schwierig

Die Geldpolitik der SNB basiert auf zwei – eher unkonventionellen – Maßnahmen: Erstens dem Negativzins von –0,75% p.a. auf Sichteinlagen bei der SNB und zweitens der Bereitschaft der Währungshüter, bei Bedarf weiterhin am Devisenmarkt einzugreifen. Wie handlungsfähig ist die SNB mit diesem geldpolitischen Rüstzeug noch?

Bei einem Einlagensatz von bereits –0,75% p.a. ist ihr Spielraum begrenzt, und schon jetzt steigt die Bargeldhaltung stetig. Sollte sie den Zins weiter senken, auf –1,00% oder –1,25% p.a., dürfte sie das Ende der Fahnenstange erreichen. Insofern würde dieser Schritt den Schweizer Franken nur kurzfristig schwächen.

Wahrscheinlicher ist, dass die SNB versuchen wird, den Wechselkurs durch Interventionen zu stützen. Aber auch dieses Instrument ist begrenzt. Schließlich hatte die SNB durch die Aufgabe des Mindestkurses verdeutlicht, dass sie eine beliebige Ausweitung ihrer Bilanz nicht akzeptiert. Allein von Anfang Dezember 2014 bis zum Fall der 1,20er-Grenze Mitte Januar 2015 kaufte sie für mehr als 70 Mrd CHF Fremdwährungen, um den unter Druck geratenen Mindestkurs zu verteidigen.

Kurzum: Der SNB gehen die Mittel aus, um ihre Währung deutlich zu schwächen. Die wenigen Instrumente, die sie noch zur Hand hat, hält sie für den Fall zurück, dass sie eine weitere Aufwertung des Schweizer Franken verhindern muss.

Geldpolitik der EZB erhöht Attraktivität der Schweizer Währung

Die Attraktivität des Schweizer Franken beruht zum großen Teil auf seiner Funktion als „sicherer Hafen“. Hauptgrund für die massiven Kapitalzuflüsse in die Schweiz war in den vergangenen Jahren die Euro-Krise: zunächst wegen des schwindenden Vertrauens in den Euro, später wegen der Gegenmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB), die indirekt Kapital in das kleine Land lenkte. Denn immer niedrigere Zinsen in der Euro-Zone machten es für Investoren attraktiver, in die Schweiz auszuweichen.

Dies lässt sich auch an der stärkeren internationalen Nutzung des Schweizer Franken ablesen: So stieg dessen Anteil an den SWIFT-Transaktionen von 1,38% im Januar 2014 auf 1,63% im Januar 2016. Angesichts des schwächelnden Euro hat die SNB den Franken-Kurs so lange wie möglich künstlich niedrig gehalten – mit massiven Euro-Käufen. Die direkten Auswirkungen der Aufgabe des Mindestkurses spüren natürlich auch alle Schweizer Unternehmen sowie die, die mit dem Land Geschäfte machen: Die Entwicklung des Wechselkurses und die damit verbundenen Risiken kehren zurück auf deren Agenda.

Unsichere Aussichten

Vieles spricht mittelfristig für ein deutliches Abwärtspotential des EUR-CHF-Kurses, sofern die Züricher Notenbank nicht erneut interveniert. Maßgeblichen Einfluss hat dabei nach wie vor die Geldpolitik der EZB in Frankfurt am Main: Wenn sie ihre expansiven Maßnahmen fortsetzt oder sogar noch verstärkt, dürfte das die Aufwertung des Schweizer Franken weiter beschleunigen.

Die Unsicherheiten bleiben also bestehen. Fundierte aktuelle Informationen zum Management von operativen und strategischen Währungsrisiken sind für Unternehmen in dieser Situation essentiell. Eine Quelle dafür ist z.B. der kostenlose Corporate FX Navigator der Commerzbank für Finanzentscheider – auch zum Thema Schweizer Franken.

Wie sich Importeure jetzt absichern sollten

Die Erholung des EUR-CHF-Kurses in den vergangenen Monaten – bis auf über 1,10 CHF/EUR Ende Januar 2016 – kam besonders Importeuren als CHF-Käufern zugute. Angesichts eher zu erwartender stagnierender bzw. fallender Kurse bietet sich jetzt die Erweiterung regulärer Termingeschäfte um eine chancenorientierte Komponente mit einem Forward-Extra an.

Diese Forward-Version verbindet einen definierten Absicherungskurs (z.B. 1,10 CHF/EUR) mit der Möglichkeit, von einer weiteren Franken-Aufwertung bis zu einer definierten Kursgrenze (z.B. 1,05 CHF/EUR) zu profitieren. Hat der EUR-CHF-Kassakurs während der sechsmonatigen Laufzeit die Kursgrenze nie erreicht und notiert er zur Fälligkeit zwischen Absicherungskurs und Kursgrenze, profitieren Kunden von einem zusätzlichen Barausgleich, der den Absicherungskurs verbessert. Berührt oder unterschreitet der EUR-CHF-Kassakurs während der Laufzeit die festgelegte Kursgrenze bzw. notiert der Kassakurs zur Fälligkeit oberhalb des Absicherungskurses, erfolgt die Währungskonvertierung zum Absicherungskurs.

Schutz und Chancen für Exporteure

Exporteure als CHF-Verkäufer können bei dieser Kursentwicklung ebenfalls zusätzliche Chancen nutzen. Das Mittel der Wahl ist hier beispielsweise der Collecting Forward. Dessen Ausgangsbasis bildet ein sechsmonatiges Termingeschäft über den Verkauf von Schweizer Franken gegen Euro zu einem attraktiven Wechselkurs (z.B. 1,08 CHF/EUR). Das genaue Volumen (Nominal) des Termingeschäfts ist beim Vertragsabschluss noch nicht bekannt: Es wird erst während der Laufzeit durch eine Ansammlung ermittelt. Dazu dienen 25 wöchentliche EUR-CHF-Fixings und eine bei Abschluss definierte Bandbreite (z.B. von 1,05 bis 1,14 CHF/EUR).

Jedes Fixing innerhalb der Bandbreite erhöht das Volumen des Termingeschäftes um 1/25 des Grundvolumens. Für jedes Fixing unterhalb der Bandgrenze steigt das Nominal sogar um 2/25 des Grundnominals. Wird ein Fixing oberhalb der Bandbreite festgestellt, sammelt der Collecting Forward kein Volumen an. Der endgültige Nominalbetrag kann also zwischen Null und dem doppelten Grundnominal liegen.

Euro dominiert weiter das Geschehen

Die geldpolitischen Verhältnisse im Herzen Europas sind heute weniger von der Franken-Stärke als vielmehr von der anhaltenden Euro-Schwäche geprägt. Was das für die Schweizer Währung bedeutet, bleibt unsicher: der richtige Zeitpunkt für Unternehmen, um grenzüberschreitende Geschäfte vor Kursrisiken abzusichern.

Kontakt: martin.keller@commerzbank.com, markus.landau@commerzbank.com

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