Die wirtschaftlichen und politischen Risiken Thailands werden aufgrund günstiger ökonomischer Rahmenbedingungen, guter Liquidität und einer robusten Wirtschaft als sehr niedrig eingestuft. Die Wirtschaft hat sich sehr gut vom Rekordhochwasser erholt. Hierzu haben die Wiederaufbauarbeiten, der Tourismus und die heimische Nachfrage, die von der Regierung unterstützt wird, beigetragen. Allerdings ist Thailands politische Stabilität immer wieder bedroht.
Von Christoph Witte, Direktor Deutschland, Delcredere N.V.
Die politischen Spannungen haben zwar unter Premierministerin Yingluck Shinawatra nachgelassen, aber die soziale Polarisierung im Land bleibt bestehen. Die Gefahr politischer Instabilität könnte infolge einer umstrittenen Verfassungsreform und einer eventuellen Rückkehr des ehemaligen Premierministers Thaksin wieder zunehmen. Die politischen und wirtschaftlichen Risiken werden weitgehend von innenpolitischen Entwicklungen und dem globalen Wirtschaftsklima (Euro-Krise und schwächere Nachfrage in China bzw. Asien) abhängen, da Thailands Wirtschaft primär vom Export getrieben wird.
Thailand hat sich nach Jahren der Unruhe politisch stabilisiert, seit Yingluck Shinawatra die Wahl im Juli 2011 in einem Erdrutschsieg gewonnen hat und ihre Regierungskoalition, dominiert von ihrer Puea Thai Party (PTP), mit einer komfortablen Mehrheit regiert. Dennoch bleibt das Misstrauen zwischen der armen Landbevölkerung, die Shinawatra unterstützt, auf der einen Seite und der städtischen Bevölkerung, den Royalisten und den Militärs auf der anderen Seite bestehen. Daher könnte die politische und gesellschaftliche Spaltung immer noch Konflikte bei umstrittenen Themen wie der Zukunft der Monarchie (angesichts der angegriffenen Gesundheit des 85-jährigen Königs) und der Verfassungsreform auslösen. Die Spannungen entluden sich wieder im letzten Sommer, nachdem die Regierung dem Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte, der bedeutende Änderungen an der 2007 vom Militär entworfenen Verfassung vorschlug. Diese Änderungen sahen vor, die Macht der Regierung zu stärken und die des Militärs einzuschränken. Außerdem legte die Regierung Amnestiegesetze vor, die unter anderem die Thaksin-Anhänger, die nach 2006 verhaftet wurden, aber auch Thaksin selbst begnadigen sollten. Eine Begnadigung des ehemaligen Premierministers Thaksin, Yinglucks beliebten Bruders, würde diesem den Weg für eine umstrittene Rückkehr aus seinem mehrjährigen Exil ebnen.
Die Begnadigungen könnten die politische Instabilität wieder erhöhen und gewalttätige Proteste der Opposition auslösen, da Thaksin noch immer als eigentlicher Führer der PTP gesehen wird. Die Beeinträchtigung der politischen Stabilität und der schlechte Gesundheitszustand des Königs stellen erhebliche wirtschaftliche und politische Risikofaktoren für Thailand dar, zumal eine politische Versöhnung der beiden Lager in weiter Ferne liegt. Die Proteste gegen die Regierung in Bangkok Ende 2012 zeigen, dass diese Risiken immer noch akut sind.
Trotz dreier Kabinettsumbildungen in 16 Monaten bleibt die klare Mehrheit der Regierung unangefochten. Indes befürchtet man ein Zunahme der Spannungen, wenn die Diskussionen über eine Verfassungsreform anhalten. Das Verfassungsgericht hat den Gesetzentwurf teilweise zurückgewiesen und befürwortet ein Referendum.
Während die politische Stabilität unter Yingluck zunahm, hat sich die Sicherheitslage in den aufständischen, islamisch geprägten Provinzen im Süden verschlechtert. Der langanhaltende Aufruhr, angetrieben von Unabhängigkeitsbestrebungen, führt sporadisch zu Gewaltausbrüchen. Das Problem ist nach wie vor ungelöst, obwohl die Regierung zunächst versucht hat, die Aufstände kompromisslos zu unterdrücken, und sich dann später um Friedensverhandlungen bemühte.
Der Streit mit Kambodscha, betreffend die Hoheitsgewalt über einen buddhistischen Tempel an der thailändisch-kambodschanischen Grenze, hat sich seit der Machtübernahme von Yingluck Shinawatra entschärft. Die Truppen beider Seiten haben sich aus der Region zurückgezogen, und man erwartet vom Internationalen Gerichtshof ein abschließendes Urteil zu diesem Streit bis Oktober 2013. Je näher dieser Termin rückt, desto wahrscheinlicher werden innenpolitische, auch nationalistisch motivierte Spannungen.
Die Prognose für Thailands Wirtschaft ist verhalten positiv. 2011 entging Thailand knapp einer Rezession (+0,1%). Grund für die Rezessionstendenz waren die verheerenden, vom Monsum ausgelösten Überschwemmungen, die insbesondere die Region Bangkok trafen. Die anschließenden Investitionen in den Wiederaufbau haben die Konjunktur belebt. Der Tourismus, Thailands zweitwichtigste Quelle von Exporterlösen, hat sich sehr schnell erholt, und dank der entspannten politischen Situation ist die Zahl der Touristen (insbesondere aus China, Malaysia und Russland) auf Rekordhöhe gestiegen.
Mit der Konjunkturerholung kehrte das Vertrauen in die Wirtschaft zurück, was mit einer stetigen Zunahme ausländischer Direktinvestitionen einherging. Der private Konsum – gefördert durch Regierungsmaßnahmen wie die Erhöhung des Mindestlohns und der Beamtengehälter sowie des heimischen Reispreises zur Verbesserung der Einkommen der Landwirte – zog wieder an. Diese Faktoren führten zu einem starken BIP-Wachstum um 6,4% im Jahr 2012. Die Exportzahlen waren zwar enttäuschend, doch konnte die schwache Nachfrage der Industrieländer durch höhere Exporte in die Schwellenländer teilweise kompensiert werden.
Die diesjährige Wirtschaftsleistung wird wegen verschiedener belastender Faktoren schwächer ausfallen: Zu nennen sind insbesondere eine verlangsamte Weltkonjunktur mit einer schwächeren Nachfrage aus China und den USA sowie die andauernde Schuldenkrise in der Euro-Zone. Auch könnte die innenpolitische Entwicklung die Wirtschaft erneut belasten. Hingegen kommt die jüngste Abwertung des Baht gegenüber dem US-Dollar, die durch den Abfluss von Kapital aus den Schwellenländern verursacht wird, der Wettbewerbsfähigkeit Thailands zugute. Diese könnte zwar durch die diesjährige Anhebung des Mindestlohns etwas beeinträchtigt werden, doch die negativen Effekte steigender Lohnkosten werden durch ähnliche Maßnahmen bei den Wettbewerbern in China und den ASEAN-Ländern abgeschwächt.
Da die thailändische Wirtschaft hauptsächlich vom Warenexport, der 65% des BIP ausmacht, abhängt, ist sie anfällig für externe Schocks. Thailand war seit 2008 zweimal von solchen plötzlichen, externen Ereignissen (Weltwirtschaftskrise 2008/2009 und Naturkatastrophen in Japan im Jahr 2011, die massive Störungen der Lieferkette verursachten) betroffen. Hinzu kamen 2011 die schwersten Überschwemmungen der letzten 50 Jahre. Daher ist die Regierung bemüht, der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Sie stimuliert die Verbrauchernachfrage und wirkt der Zunahme sozialer Ungleichheit entgegen. So dürfte sich Thailands Wachstumstrend trotz des fragilen globalen Umfelds für einige Zeit im Bereich von 5% bewegen, was dem durchschnittlichen Wachstum vor der Krise 2008/2009 entspricht.
Die asiatische Nachfrage nach thailändischen Gütern – drei Viertel der thailändischen Exporte, insbesondere Autos und Elektronik, sind für asiatische Zielmärkte bestimmt – ist von besonderer Bedeutung für Thailand. Die wirtschaftliche Entwicklung in China (Thailands wichtigstem Exportmarkt) wirkt sich noch positiv auf die thailändischen Exporte aus, doch die Aussichten in diesem Zielmarkt sind zunehmend mit Ungewissheit behaftet.
Thailands bedeutende Agrarexporte könnten wegen der Wettbewerbsprobleme beim Reisexport sinken. Das umstrittene „Rice Pledge Programme“ wurde verlängert. Die Regierung kauft im Inland produzierten Reis zu einem Preis über dem marktüblichen Niveau, mit dem Ziel, ihn anschließend zu höheren Weltmarktpreisen zu exportieren. Diese Maßnahme hat nicht die erhofften Resultate hervorgebracht. Die Regierung hat inzwischen einen riesigen Vorrat an unverkauftem Reis angehäuft. Sie setzt mit dieser Politik Thailands traditionelle Rolle als weltgrößter Reisexporteur aufs Spiel. Die Situation kann sich nur verbessern, wenn die thailändische Regierung ihre Vorgehensweise korrigiert, einen Teil des Preises subventioniert und zulässt, dass Reis zu niedrigeren Preisen auf dem Weltmarkt verkauft wird. Unabhängig davon, wie die zukünftigen Anpassungen aussehen werden, ist von einer Fortführung der Reissubventionen auszugehen, da die Regierung auf die Unterstützung der Landwirte bei den Wahlen 2015 zählt.
Thailands Leistungsbilanz, die bislang dank hoher Exporte stets Überschüsse erwirtschaftet hat (außer im Jahr 2005), dürfte in den nächsten Jahren lediglich ausgeglichen sein oder mit einem kleinen Fehlbetrag abschließen. Und das, obwohl sich der positive Trend im Tourismus fortsetzt. So wird die Inlandsnachfrage Thailands zunehmend zum treibenden Wirtschaftsmotor. Doch dürften ausreichende Kapitalzuflüsse für eine positive Zahlungsbilanz sorgen und dazu beitragen, dass keine Finanzierungsprobleme aufkommen.
Thailands Staatsfinanzen sind relativ solide; sie haben sich allerdings seit der globalen Krise 2008/2009 verschlechtert. Die Regierung hat eine akkommodierende Fiskalpolitik verfolgt, Wiederaufbauarbeiten finanziert, einige Maßnahmen zur Einkommensverbesserung eingeführt, die im Zusammenhang mit Shinawatras Wahlversprechen einer Einkommensumverteilung standen, und sie hat die Körperschaftsteuersätze gesenkt. Zudem plant die Regierung ein mehrjähriges Programm zum Ausbau der Infrastruktur, einschließlich wichtiger Maßnahmen zur Hochwasserprävention.
Die Alterung der Bevölkerung verursacht Kosten, die den Haushalt zunehmend belasten. Angesichts der ohnehin nicht ausreichenden Steuereinkünfte und der stark steigenden Staatsausgaben (einschließlich der Subventionierung von Reis) sind Haushaltsdefizite bereits die Regel geworden. Sie werden voraussichtlich zukünftig mehr als 3% bis 4% des BIP ausmachen. Die genannten Faktoren werden sich negativ auf die öffentlichen Finanzen Thailands auswirken. Die Staatsverschuldung wird sich mittelfristig von derzeit 45% des BIP – dem höchsten Wert seit 2005 – auf 50% des BIP erhöhen. Das ist nicht allzu weit entfernt vom regionalen Durchschnittswert, doch werden Anpassungen notwendig sein, um die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen aufrechtzuerhalten.
Flankierend zur expansiven Fiskalpolitik, haben die thailändischen Behörden ihre Geldpolitik etwas gelockert, da sich die Verbraucherpreissteigerungen in der von der Regierung angestrebten flexiblen Bandbreite von 0,5% bis 3% bewegen. Aufgrund ihrer niedrigen Inflationserwartungen dürfte die Zentralbank die Zinsen weiterhin auf einem relativ niedrigen Niveau von 2,5% belassen, es sei denn, die Inflation würde durch höhere Preise für Nahrungsmittel und Treibstoff stimuliert. Die Einführung eines landesweiten Mindestlohns sollte sich nur geringfügig auf die Preise auswirken, da viele Unternehmen ihn schon einkalkuliert haben.
Thailand hat eine der niedrigsten Auslandsschuldenquoten in Asien. Seit der Asienkrise 1998 gehen diese Quoten – abgesehen von einem Anstieg in den Jahren 2009/2010 – konstant zurück und liegen derzeit bei nur noch einem Viertel des Werts von 1998. Die Auslandsschulden lagen 2012 bei nur 35% der Exporteinnahmen und bei unter 30% des BIP. Dank eines stabilen BIP-Wachstums werden diese Quoten voraussichtlich weiter sinken.
Thailand befindet sich hinsichtlich der internationalen Zahlungsfähigkeit in einer komfortablen Lage, und die Risiken beim Devisentransfer sind gering. Die Importdeckung des Landes ist von 9,6 Monaten im Jahr 2009 auf momentan weniger als sieben Monate gefallen. Die Devisenreserven bewegten sich seit 2010 auf einem relativ stabilen Niveau, während die Importe weiterhin wuchsen. Der rückläufige Trend bei der Importdeckung dürfte sich in den kommenden Jahren sehr langsam fortsetzen. Die Devisenreserven sind jedoch ausreichend, da sie die gesamten Auslandsschulden 1,5fach abdecken.
Die ausführliche Länderstudie Thailand steht unter www.ducroiredelcredere.de zum kostenlosen Download bereit.
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