Die von den USA eingeführten Zölle auf Waren aus Aluminium und Stahl zum einen und eine Vielzahl von chinesischen Waren zum anderen stellen zusammen mit den durch sie ausgelösten Gegenmaßnahmen anderer Staaten eine Herausforderung für globale Wertschöpfungsketten dar, die Unternehmen zum Handeln zwingt.

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Präsident Trump betrachtet Zölle als Mittel der Politik: „If countries will not make fair deals with us, they will be ‚tariffed‘!“, kündigte er am 17. September 2018 via Twitter an. Bereits am 1. Juni 2018 führten die USA Zusatzzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus fast allen Drittländern ein. Am 24. September 2018 weiteten die USA zum zweiten Mal die bereits seit dem 6. Juli 2018 bestehenden Schutzzölle auf Wareneinfuhren aus der Volksrepublik China aus. Die aktuelle Erweiterung betrifft knapp 6.000 Warentarifpositionen, deren Einfuhrwert sich auf 200 Mrd USD summiert. Die beiden vorherigen Maßnahmen vom 6. Juli 2018 und 23. August 2018 betrafen Waren im Wert von insgesamt 50 Mrd USD. Während die bisher eingeführten Schutzzölle 25% betrugen, gilt für die neue Maßnahme zunächst ein zusätzlicher Zollsatz von nur 10%. Ab dem 1. Januar 2019 wird dieser Zollsatz ebenfalls auf 25% steigen. In den vergangenen Wochen wurden von der US-Regierung sowohl die Möglichkeit der Besteuerung aller chinesischen Einfuhrwaren in Aussicht gestellt als auch eine kurzfristige Beendigung des Konflikts beim G20-Gipfel am 30. November 2018 in Buenos Aires.

Hintergründe der US-Maßnahmen

Die Maßnahmen gegen China wurden rechtlich auf Section 301 des U.S. Trade Act von 1974 gestützt, wonach die USA nach Durchführung eines Untersuchungsverfahrens unter anderem dann Maßnahmen ergreifen, wenn ungerechtfertigte, unverhältnismäßige oder diskriminierende Praktiken vorliegen, die den Handel der USA belasten oder beschränken. In dem Bericht des „Office of the United States Trade Representative“ werfen die USA China vor, zum einen durch Anforderungen an Joint Ventures und Direktinvestitionen einen Technologietransfer nach China zu erzwingen und sich zum anderen durch die Anordnung und Erleichterung von systematischen Investitionen in US-Unternehmen Zugang zu US-Technologie zu verschaffen. Schließlich unterstütze China Cyberangriffe auf kommerzielle Computernetzwerke in den USA, um unbefugt Zugang zu kommerziell wertvollen Geschäftsinformationen zu erhalten. Die Erhöhung von Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium beruht hingegen auf einer Untersuchung des U.S. Department of Commerce nach Section 232 des Trade Expansion Act von 1962. Danach können Maßnahmen getroffen werden, wenn Belange der nationalen Sicherheit berührt sind.

Globale Kettenreaktion

Auf die Einführung von zusätzlichen Zöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte reagierten Kanada, Mexiko, China und die Türkei ihrerseits mit Zusatzzöllen auf amerikanische Einfuhrwaren. Die EU setzte durch Verordnung (EU) 2018/724 mit Wirkung vom 22. Juni 2018 gegenüber den USA Handelszugeständnisse auf Güter wie Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter aus. Die EU hat sich weitere Maßnahmen vorbehalten, wenn in dem angestrengten Verfahren gegen die USA vor der WTO die Unrechtmäßigkeit der US-Maßnahmen festgestellt werden sollte.

Auf die Maßnahme der USA nach Section 301 des U.S. Trade Act antwortete die chinesische Führung mit Zusatzzöllen, die sich auf Einfuhren in einem Gegenwert von 60 Mrd USD beziehen. Dass die chinesischen Maßnahmen in ihrem Umfang hinter den US-Maßnahmen zurückbleiben, liegt an der Asymmetrie der Handelsströme. Mangels ausreichender Einfuhren von Konsumgütern aus den USA nach China kann China die Zusatzzölle der USA nicht in entsprechendem Umfang erwidern. Es ist zu befürchten, dass China, wenn sich die Lage nicht entspannt, andere Mittel suchen wird, um seine Interessen durchzusetzen. Hierbei ist zunächst an Exportzölle (oder gar -verbote) für Werkzeuge und Anlagen zu denken, um Produktionsverlagerungen zu verhindern, oder aber an die Reduktion der Ausfuhr von seltenen Erden. Bereits 2010 hat China durch ein ähnliches Manöver gegenüber den USA seine Muskeln spielen lassen.

Eine weitere Folge des Handelsstreits zwischen den USA und China und anderen Ländern (v.a. Indien) sind protektionistische Maßnahmen dritter Staaten, deren Märkte durch sich verändernde Warenströme in Mitleidenschaft gezogen werden. Dazu gehört auch die EU. Aus Sorge vor einer Überschwemmung des EU-Markts mit billigem Stahl und billigem Aluminium, v.a. aus China und Indien, erließ die EU-Kommission mit Wirkung vom 19. Juli 2018 die Verordnung (EU) 2018/1013, mit der Einfuhren bestimmter Stahl- und Aluminiumwaren aus China und anderen Ländern mit Zusatzzöllen in Höhe von 25% belegt werden. Die als „vorläufig“ gekennzeichnete Maßnahme soll zunächst bis zum Ende des Jahres bestehen. Der Zusatzzoll greift nur ein, wenn die Einfuhren in diesem Zeitraum die durchschnittlichen Importe der vergangenen drei Jahre für diesen Zeitraum überschreiten. Bis dahin können Einführer entsprechende Zollkontingente nach dem Windhundverfahren nutzen.

Auswirkungen auf das Supply-Chain-Management

Gerade die Schutzzölle der USA gegenüber China stellen in vielen Fällen eine große Herausforderung für das Supply-Chain-Management von EU-Unternehmen dar, da die Belieferung des US-Markts vielfach direkt von den Produktionsstandorten in China aus erfolgt. Von den Gegenmaßnahmen der EU sind wiederum Unternehmen betroffen, deren Wertschöpfungsketten auf Zulieferungen aus den USA oder auch aus China oder Indien angewiesen sind.

Unternehmen können auf die gegenseitigen Zollmaßnahmen zunächst mit Produktionsverlagerungen reagieren. Im Hinblick auf Lieferungen für den US-Markt könnte China als Produktionsstandort vermieden und durch andere Länder Asiens mit vergleichbarem Produktions- und Kostenniveau ersetzt werden. Auch eine bloß teilweise Verlagerung könnte zur Vermeidung der zusätzlichen Zölle führen, da diese nicht auf sämtliche Einfuhren aus China, sondern nur auf die Einfuhren von chinesischen Ursprungswaren erhoben werden. Führt die Endfertigung in China nicht zu einem chinesischen Warenursprung oder führt umgekehrt die Endfertigung von chinesischen Vorprodukten in einem anderen Land zum Warenursprung in diesem Land, würden die Waren bei der Einfuhr in die USA nicht mit Zusatzzöllen belegt. Außerdem könnten Unternehmen erwägen, die Produktion in die USA selbst zu verlegen oder in Länder, die Freihandelsabkommen mit den USA unterhalten. Hierbei ist an Mexiko und Kanada zu denken, mit denen sich die USA Anfang Oktober auf eine Fortführung der Freihandelsbeziehungen geeinigt haben. Ob eine Produktionsverlagerung wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt aber in jedem Fall davon ab, wie lange die USA ihre gegenwärtige Zollpolitik fortführen werden, was derzeit leider nicht abschätzbar ist.

Weitere Stellschrauben sind die zolltarif­liche Einreihung und die Zollwertbestimmung. Bei Waren aus Kapiteln mit ohnehin niedrigen Zollsätzen sind Unternehmen erfahrungsgemäß oft nachlässig, was die zutreffende zolltarifliche Einreihung betrifft. Hier gilt es nun genau zu prüfen, ob die derzeit mit Zusatzzöllen belegten Waren nicht doch in eine günstigere Zolltarifposition eingereiht werden können. Ein geringerer Zollwert bei der Einfuhr würde zu einem geringeren Zusatzzoll führen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in den USA – anders als in der EU – weiterhin die Regelung zum Vorerwerberpreis Anwendung findet. Zudem sollten Unternehmen prüfen, ob der Zollwert durch eine An-passung der Liefermodalitäten verringert werden kann, etwa indem der Seefracht der Vorrang vor der Luftfracht eingeräumt wird. Soweit der Einfuhr in die USA ein unternehmensinternes Geschäft zugrunde liegt, sollten sich Unternehmen schließlich die Frage stellen, ob bei der Festlegung von Verrechnungspreisen noch Spielräume bestehen, die zu einer Senkung des anzumeldenden Zollwertes führen könnten.

In jedem Fall müssen international tätige Unternehmen die Entwicklung des globalen Handelsstreits genau verfolgen, damit sie Anpassungen der Supply-Chain vornehmen können und keine Investitionsentscheidungen treffen, die sie nach der ersten Einfuhr bereuen.

h.henninger@gvw.com

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