Frank Wentzell ist derzeit heilfroh, dass sein Unternehmen eine langlaufende Sicherungsstrategie fährt: „Wir haben unser US-Dollar-Exposure bis Ende 2019 mit unserer Zielquote durchgesichert“, sagt der Treasury-Chef des Industriedienstleisters Lahmeyer. Der Mittelständler aus dem hessischen Bad Vilbel plant und überwacht den Bau von Staudämmen, Kraftwerken und Hochspannungsnetzen in Ländern wie Qatar, der Türkei, Angola oder Indonesien. Weil viele der lokalen Währungen schwankungsanfällig und mit Kapitalverkehrskontrollen belegt sind, versucht Lahmeyer möglichst überall in Euro oder US-Dollar abzurechnen – entsprechend hoch ist die Abhängigkeit vom Wechselkurs der beiden Währungen.
Lahmeyer verfolgt im Währungsmanagement einen rollierenden Macro-Hedging-Ansatz: „Wir sichern nach und nach zwei Drittel unseres Exposures über drei Jahre ab“, berichtet Wentzell. Ein Drittel des Währungsrisikos lässt der Mittelständler offen. Da Lahmeyer mit schlechter Zahlungsmoral zu kämpfen hat, bestünde sonst das Risiko einer Übersicherung. Durch die lange Vorlaufzeit konnte Wentzell nun bis Ende 2019 durchschnittlich Kurse von „deutlich unter 1,20 USD“ für den Euro einloggen.
Unternehmen halten sich bei Hedging zurück
Im aktuellen Umfeld ist das nicht schlecht, erreichte der Euro Mitte Februar doch mit rund 1,26 USD den höchsten Wert seit Ende 2014. Andere Unternehmen hat die US-Dollar-Schwäche dagegen kalt erwischt. Laut Roland Weiß, Leiter des Kapitalmarktgeschäfts mit Firmenkunden bei der DZ Bank, haben sich insbesondere exportorientierte Mittelständler angesichts der Euro-Stärke zuletzt bei dem Abschluss von Wechselkursabsicherungen etwas zurückgehalten: „Viele Unternehmen dürften daher eher am unteren Ende ihrer selbstgesetzten Spanne für das Hedge-Ratio angekommen sein und angesichts der weiterhin sehr positiven wirtschaftlichen Entwicklung Nachholbedarf haben.“ Der Banker vermutet, dass sich einige Firmen auch von der gut zwei Jahre währenden Seitwärtsbewegung des Wechselkurses haben beeinflussen lassen.
In der Tat gibt es auf den ersten Blick wenig Anlass für eine Abwertung des US-Dollar. Die US-Wirtschaft läuft gut, die Zinsen jenseits des Atlantiks sind höher als im Euro-Raum. Die Commerzbank führt die US-Dollar-Schwäche vor allem auf die steigende Staatsverschuldung der USA zurück. So dürften die Steuerreform und der kürzlich beschlossene Haushaltsrahmen zu deutlich höheren Haushaltsdefiziten führen. DZ-Bank-Analystin Dorothea Huttanus sieht die Gründe hingegen auf der Euro-Seite: Die geldpolitische Normalisierung der EZB und die robuste Konjunktur würden ein positives Umfeld für den Euro schaffen und zu einer Aufwertung gegenüber der US-Währung führen.
US-Dollar-Schwäche ist für Henkel ein zweischneidiges Schwert
Henkel-Treasurer Michael Reuter hält die Schwäche des US-Dollar dagegen für größtenteils irrational: „Rein fundamental sehe ich kaum Gründe dafür.“ Der Konsumgüterhersteller ist – wie einige andere deutsche Großkonzerne auch – vor allem translationsseitig von der Dollar-Schwäche betroffen. Die Erlöse und Ergebnisse im wichtigen US-Geschäft sind in der Bilanzwährung Euro weniger wert. „Das ist ärgerlich, aber leider nicht ökonomisch sinnvoll abzusichern“, sagt Reuter. Nichtcashwirksame Translationseffekte mit cashwirksamen Forwards zu begegnen ergebe keinen Sinn.
Beim Transaktionsrisiko profitiert Henkel dagegen sogar vom schwachen US-Dollar, denn über den Gesamtkonzern haben die Düsseldorfer einen US-Dollar-Bedarf. „Dabei profitieren wir auch vom Netting mit einigen US-Dollar-gekoppelten oder -nahen Währungen wie dem Hongkong-Dollar oder dem Arabischen Dirham“, erklärt der Treasury-Chef. Aktuell habe Henkel etwa 50% des US-Dollar-Exposures gesichert, um den Einfluss der Kursvolatilität auf die Ergebnisse zu dämpfen.
Die spannende Frage wird nun sein, wie es weitergeht. Banken bremsen die Hoffnung auf eine schnelle Erholung des US-Dollar. Die DZ Bank hat ihre langfristige Prognose für den Wechselkurs des Euro gerade auf 1,30 USD angehoben. Simon Derrick, Chief Currency Strategist bei BNY Mellon in London, verweist darauf, dass es bei früheren Rallys üblicherweise zu Kursen von über 1,35 USD kam. „Die EZB hat die US-Dollar-Schwäche natürlich auf dem Schirm, es ist aber fraglich, ob sie wirklich etwas dagegen unternehmen kann.“
Der Währungsstratege geht davon aus, dass die EZB frühestens Ende 2019 die Leitzinsen erhöhen wird. Die Fed werde unter dem neuen Chef Jerome Powell die Politik der graduellen Zinserhöhung fortsetzen. Die interessantere Frage sei aber, ob sich die Welt derzeit nicht grundsätzlich ändere. „Der Chinesische Renminbi hat seit August gegenüber dem US-Dollar noch stärker aufgewertet als der Euro.“ Wenn China seine Währung nicht länger künstlich unterbewerte, könne sich der seit einem Jahrzehnt unterdrückte Inflationsdruck entladen. „Haben die Zentralbanken das ausreichend im Blick?“, fragt Derrick rhetorisch.
Firmenkundenbanker Weiß rät Unternehmen, sich im aktuell unsicheren Umfeld mit dem Abschluss von FX-Optionen zu befassen. Mit diesem Instrument kann sich ein Exporteur gegen einen schwächer werdenden US-Dollar absichern, wahrt aber zugleich die Chance, von einer Aufwertung des Greenback zu profitieren. Viele Treasurer scheuen davor aber angesichts der zu zahlenden Prämie zu-rück. Zumindest den Abfluss von Cash könne man verhindern, betont Weiß: „Die Prämie lässt sich durch eine Anpassung der Forward-Kurse kompensieren. So erhält sich der Mittelständler bei einer geringen Verschlechterung des gesicherten Forward-Kurses die Chance zur Partizipation an einer vorteilhaften Wechselkursentwicklung.“
Lahmeyer-Treasurer Wentzell, der gewöhnlich nur auf Devisentermingeschäfte setzt, prüft derzeit den Abschluss von Optionen. Denn für den Zeitraum nach 2020 hat das Unternehmen noch nicht mit dem Hedging begonnen: „Üblicherweise läge die Absicherungsquote aktuell bei etwa einem Viertel des Exposures“, erklärt Wentzell. Doch noch will der Treasurer abwarten, ob der Zeitpunkt noch mal besser wird.