Auch der EU-Nachbar Weißrussland hat 2009 unter der Finanzkrise gelitten. Aber anders als in Russland konnte eine tiefe Rezession vermieden werden. Die Zollunion mit Russland und Kasachstan gibt nun zusätzliche Impulse. Die weißrussische Wirtschaft hat im ersten Halbjahr 2010 bereits wieder merklich an Fahrt gewonnen. Der BIP-Zuwachs belief sich von Januar bis Juli 2010 auf rund 7%, für das Gesamtjahr 2010 wird ein Zuwachs von 13% prognostiziert.
Von Andrej Rempel, Relationship Manager Osteuropa, Strukturierte Außenhandelsfinanzierung, BHF-Bank AG
Die positive Entwicklung macht sich auch im bilateralen Handel zwischen Deutschland und Weißrussland bemerkbar. Deutschland konnte seine Position als einer der wichtigsten Handelspartner für Weißrussland außerhalb der GUS-Staaten festigen. So ist die Ausfuhr deutscher Güter nach Weißrussland im ersten Halbjahr 2010 im Vergleich zu der Vorjahres-periode um 14,5% auf 892 Mio Euro angestiegen.
Der größte Anteil der deutschen Exporte entfällt auf Maschinen und Ausrüstungen (ca. 47%), gefolgt von chemischen Erzeugnissen und Kunststoffen. Dem gegenüber stehen Einfuhren nach Deutschland in Höhe von lediglich 246 Mio Euro, so dass ein Handelsbilanzdefizit in Höhe von 646 Mio Euro entsteht.
Diese Situation ist symptomatisch für den weißrussischen Außenhandel. Allein im ersten Quartal 2010 betrug das Handelsdefizit umgerechnet rund 1,6 Mrd Euro und resultiert ähnlich wie in den Vorjahren überwiegend aus den Importen von Erdöl und Erdgas aus Russland. Diese Importe sind für Weißrussland von existentieller Bedeutung und werden von russischer Seite regelmäßig als Druckmittel und politisches Instrument zur Durchsetzung von eigenen Interessen genutzt.
Zur Reduzierung der Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger aus Russland beschloss die weißrussische Regierung in den vergangenen Jahren zahlreiche Programme zur Erhöhung der Energieeffizienz und zum sparsamen Umgang mit Energieträgern. Zuletzt wurde im Juli 2010 ein Programm zur Nutzung von lokalen Energieträgern wie zum Beispiel Torf, Holzabfällen oder Biogas zur Energie- und Wärmeerzeugung verabschiedet.
Das Programm schreibt die Inbetriebnahme und Modernisierung von ca. 160 Minikraftwerken (Kraft-Wärme-Kopplungs-anlagen) bei Unternehmen aus der Holzverarbeitungsbranche, regionalen Energieversorgern, kommunalen Wohnungsgesellschaften sowie landwirtschaftlichen Betrieben vor. Eine Produktion von rund 40 MW Strom und rund 1.025 MW Wärme ist vorgesehen. Das Investitionsvolumen wird seitens der Regierung mit umgerechnet etwa 300 Mio Euro angegeben, wobei einzelne Projekte Investitionen bis zu 20 Mio Euro erfordern.
Erste Projekte unter diesem Programm werden bereits in den Regionen Gomel und Minsk durch deutsche und österreichische Lieferanten realisiert. Ein weiteres Projekt zur Energieerzeugung aus Torfbriketts in der Region Witebsk befindet sich aktuell in der Ausschreibungsphase.
Bei diesen Projekten ist zu beachten, dass von weißrussischer Seite individuelle und auf die jeweiligen Bedürfnisse des Energieabnehmers zugeschnittene Komplettlösungen (Stichwort: Turn-Key) erwartet werden. So werden beispielsweise bei größeren Projekten neben der Lieferung von Technik auch (lokale) Bauleistungen erwartet.
Dies stellt nicht nur die potentiellen Lieferanten vor neue Aufgaben, sondern ist auch eine Herausforderung für eine ECA-gedeckte Finanzierung von solchen Projekten. Denn wie in Weißrussland üblich, muss ein Lieferant, um an einer Ausschreibung teilnehmen zu können, auch eine adäquate Finanzierung „mitbringen“.
Die Finanzierungsparameter (Finanzierungsbedarf, Laufzeit etc.) werden in den meisten Fällen bereits in den Ausschreibungsunterlagen genannt. Aus unserer Erfahrung sind die gesetzten Parameter jedoch nur über ECA-gedeckte Bankfinanzierungen darstellbar. Dabei finanziert die ausländische Bank nicht den weißrussischen Importeur direkt, sondern seine lokale Hausbank, die den Kredit an den Importeur weiterleitet.
Manchmal kollidieren jedoch die technischen und baulichen Anforderungen des Importeurs an ein Projekt mit den deckungsfähigen Finanzierungsmöglichkeiten. So zum Beispiel, wenn ausländische Ausrüstungslieferungen oder lokale Bestandteile im Auftragswert enthalten sind (z.B. Engineering-Leistungen oder Bauarbeiten, die von lokalen Unternehmen im Auftrag des Exporteurs ausgeführt werden). Je nach Projekt können diese oft ein Drittel bis zu fast 50% des Auftragswerts ausmachen.
Bei Indeckungnahme von Risiken aus dem Geschäft mit Weißrussland bestehen bei den ECAs jedoch gewisse Restriktionen im Hinblick auf die Höhe des Deckungsbetrags oder die Kreditlaufzeit. In diesem Zusammenhang versuchen sie natürlich, vorrangig nationale Exporteure zu unterstützen. Kommen nun bei einem Projekt mehrere kritische Faktoren zusammen, wie zum Beispiel ein hoher Auftragswert (>10 Mio Euro) und größere lokale Anteile in Verbindung mit ausländischen Zulieferungen, sind intensive Diskussionen mit den ECAs programmiert und können zu kritischen Verzögerungen bei der Projektrealisierung führen.
Bereits im Vorfeld sollte versucht werden, diese Verzögerungen zu vermeiden. Der Exporteur sollte seinen Ausschreibungsunterlagen nicht einfach ein „pauschales“ Finanzierungsangebot seiner Bank beilegen, sondern rechtzeitig die vorgenannten kritischen Punkte mit seiner Bank und der ECA besprechen, damit alle Beteiligten gemeinsam nach Lösungen suchen können.
Die weißrussischen Bemühungen, die Abhängigkeit von Energieimporten zu senken, gehen über die Nutzung von lokalen Energieträgern hinaus. Der Maßnahmenkatalog umfasst neben energieeffizientem Bauen auch eine stärkere Nutzung von regenerativen Energien wie beispielsweise Wind und Wasser. Konzepte für die Modernisierung von Kraftwerken und Übertragungsnetzen sind ebenso gefragt.
Diese Besinnung auf den sparsamen Umgang mit Energie und Energieeffizienz sollten deutsche Exporteure aktiv aufgreifen, um mit ihren Erfahrungen im Energiebereich in Weißrussland zu punkten.
Kontakt: andrej.rempel[at]bhf-bank.com
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