Am 12. Mai 2022 hat der Bundestag den von den Regierungsparteien vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I) diskutiert und an die Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen. Was bedeutet dieser Gesetzesentwurf?

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Ausgangsfall 1: R aus Russland ist Eigentümer mehrerer Häuser, einer Luxusjacht und einiger Firmenanteile in Deutschland. Auch ein Lagerbestand mit leicht verderblichen Produkten gehört zu seinen Vermögenswerten in Deutschland. Im Zuge der Erweiterung der Russland-Sanktionen wird nunmehr auch R gelistet. R unternimmt daraufhin Ver-suche, seine Vermögenswerte mittels eines Logistikdienstleisters aus der EU-Jurisdiktion abzuziehen. Was ändert sich durch das Sanktionsdurchsetzungsgesetz für R?

Bisherige Rechtslage: Mit einer Listung auf Anhang I der Ukraine-VO entsteht für den Gelisteten ein Verfügungsverbot (ein „Einfrieren“) für die wirtschaftlichen Res-sourcen dieser gelisteten Person, und dem entspricht das Bereitstellungsverbot: An-dere Personen dürfen den gelisteten Personen weder Gelder noch Waren oder Dienstleistungen bereitstellen (also zur Verfügung stellen). Die weiteren Rechtsfolgen ergeben sich bisher überwiegend aus dem Polizeirecht der Länder: Mit dem Einfrieren des Vermögens der gelisteten Person entsteht sofort die Befugnis, deren Vermögen zu beschlagnahmen, sofern es Anhaltspunkte dafür gibt, dass dieses eingefrorene Gut aus der Verfügungsgewalt des Staates entzogen werden oder dass darüber verfügt werden soll, um damit Geld zu verdienen, oder dass Sanktionsverstöße begangen werden sollen.

Entgegen einem Merkblatt der Bundesbank ist für die Umsetzung der Beschlagnahme nicht das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig, sondern die Polizeibehörden der Länder (zusammen mit der Staatsanwaltschaft). Solange das Vermögen eingefroren ist, darf es bei den genannten Anhaltspunkten (für Entziehung, für Geldverdienen oder für Sanktionsverstöße) beschlagnahmt werden.

Für eine Verwertung sind weitere polizeiliche oder strafprozessuale Maßnahmen erforderlich bzw. sehen einige Polizeigesetze (z.B. die von Nordrhein-Westfalen und Hessen) die Verwertung vor, wenn Verderb/Wertminderung der Sachen droht, ihre Verwahrung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist etc. Nicht nur waren diese Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, es war vor allem häufig unklar, welche Auswirkungen diese Polizeigesetze für Vermögensbeschlagnahmen Gelisteter haben.

Entwurf des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes I (nachfolgend SDG-I-E)

Hier geht es überwiegend um eine Ergänzung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG). Die zuständigen Landesbehörden können (sofern keine Zuständigkeit von Bundesbehörden besteht) nach § 9a die notwendigen Maßnahmen treffen, um die in Deutschland befindlichen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen (also: Güter, Immobilien etc.) von gelisteten Personen zu ermitteln, indem sie Auskünfte verlangen, Personen mit sachdienlichen Angaben vernehmen, geeignete Unterlagen sicherstellen/beschlagnahmen, Geschäfts- oder Betriebsräume durchsuchen (nach Anordnung durch den Richter) und Einsicht in entsprechende Register (Grundbuch, Flaggenregister, Luftfahrzeugrolle) nehmen. Die Landesbehörde kann eine Sicherstellung von Vermögen Gelisteter anordnen, wenn über dieses Vermögen sanktionswidrig verfügt werden soll, oder sie kann die Sicherstellung vorläufig anordnen, bis die Ermittlungsmaßnahmen nach § 9a abgeschlossen sind, längstens für sechs Monate (§ 9b).

§9c präzisiert die Modalitäten der Sicherstellung: Hier geht es v.a. um eine Verwahrung und Kennzeichnung; auch eine Verwertung durch Versteigerung ist – nach vorheriger Anhörung des Betroffenen – zulässig, wenn Verderb/Wertminderung droht, die Verwahrung mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist, eine Verwahrung zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit führen würde, eine Herausgabe der Ware zur Folge hätte, dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden, oder wenn der Berechtigte das Gut nicht innerhalb einer angemessenen Frist (trotz entsprechender Hinweise an ihn) abholt.

Die genannte Behörde darf entsprechende personenbezogene Daten verarbeiten, also u.a. auch nach § 25 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) an andere Behörden übermitteln (§ 9d). Nach § 23a sind die Gelisteten verpflichtet, unverzüglich ihre Gelder der Bundesbank und ihre wirtschaftlichen Ressourcen dem BAFA anzuzeigen.

Zusätzlich geht es um Änderungen des GWG (Geldwäschegesetz), KWG (Kreditwesengesetz) und des WpHG (Wertpapierhandelsgesetz), hierbei u.a. um die Mitwirkung der FIU (Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen) und der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) bei solchen Maßnahmen. Vorgesehen ist, künftig noch ein zweites Sanktionsdurchsetzungsgesetz (SDG II) zu verabschieden, das für klare Bundeszuständigkeiten sorgen soll.

Lösung des Ausgangsfalls: Nach einem Inkrafttreten des SDG-I-E (und einer entsprechenden Änderung des AWG) würde dies Folgendes bedeuten: Die zuständigen Landesbehörden können durch Einsichtnahme in Grundbuch und Schiffs- bzw. Flaggenregister feststellen, welche Immobilien und Schiffe R besitzt. Außerdem sind sowohl R als auch sein Logistikdienstleister nach § 23a verpflichtet, unverzüglich die Gelder von R der Bundesbank und seine Vermögensgegenstände dem BAFA mit-zuteilen. Ein Verstoß dagegen – durch R oder seinen Logistikdienstleister – ist eine Straftat, die mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann.

Da R seine Vermögenswerte der deutschen Jurisdiktion entziehen will, können die zuständigen Landesbehörden die Sicherstellung (Beschlagnahme) dieser Gegenstände anordnen; liegen die Voraussetzungen für die Anordnung nicht mehr vor, muss diese Sicherstellung allerdings wieder aufgehoben werden (§ 9b). Für die Frage, ob neben der Verwahrung des Gutes auch dessen Verwertung zulässig ist, ergibt sich aus § 9c: Der Lagerbestand der leicht verderblichen Produkte darf sofort verwertet (also versteigert) werden. Sofern die Verwahrung z.B. der Jacht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre, könnte die Zulässigkeit einer Verwertung (nach vorheriger Anhörung von R) geprüft werden.

Geklärt werden sollten die Voraussetzungen für § 9c Abs. 5 Nr. 4: Wann darf die Ware an den Berechtigten nicht herausgegeben werden, ohne dass die Voraussetzungen erneut eintreten? Reicht hierfür allein der Umstand aus, dass R schon einmal den Versuch unternommen hat, sein Vermögen dem deutschen Zugriff zu entziehen? Begründet dies die Vermutung, dass er dies sofort wieder versuchen wird?

Resümee

Bisher ist die Bilanz Deutschlands bzgl. der Beschlagnahme des Vermögens gelisteter Russen „eher ernüchternd, weil Ende April der Beschlagnahme von 138 Mio EUR in Deutschland ein Betrag von etwa 9,7 Mrd EUR in der EU gegenüberstand“, so der Abgeordnete Matthias Hauer im Bundestag. Deutschland dürfe nicht zum „Paradies“ für gelistete Personen werden. Von daher ist es gut, dass mit dem SDG-I-Entwurf ein richtiger Schritt gegangen wird, um besser Sanktionen durchsetzen zu können, v.a. gegen einen Entzug aus dem Zugriff Deutschlands. Der Vorteil dieses Gesetzes – gegenüber einer Vielzahl von Landesregelungen – besteht darin, dass jetzt geklärt wird, welche Landesbehörden zuständig sind und welche Befugnisse sie haben; so wird für mehr Transparenz gesorgt. Mit den Ermittlungsbefugnissen und der strafbewährten Anzeigenpflicht für Gelistete dürften die Chancen steigen, dass die Vermögensermittlung der Gelisteten besser funktioniert.

Allerdings ist gegenwärtig das Zusammenspiel zwischen Bundes- und Landesbehörden noch nicht ganz klar, weil Bundes-zuständigkeiten erst in einem zweiten Gesetz geklärt werden sollen. Es bleibt die Frage bestehen, ob die zuständigen Landesbehörden für die Aufgabe, das Vermögen Gelisteter zu ermitteln und vor Entzug zu sichern, die nötigen Kompetenzen besitzen, wenn sie nicht spezialisierte Task Forces der Länder zu ihrer Unterstützung einsetzen. Unseres Erachtens wäre es vernünftiger, wenn die von der Bundesregierung eingesetzte Task Force zentral für Deutschland die Vermögensermittlung der Gelisteten betreibt und diese Daten den zuständigen Landesbehörden weitergibt, damit diese immer informiert sind und im Falle eines drohenden Entzugs aus Deutschland sofort die Sicherstellung betreiben können.

Wegen aktueller Hinweise zum Russland-Embargo vgl. HIER und zum EU-Exportrecht vgl. HIER

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