Die Pandemie, außenpolitische Konflikte sowie die aus deutscher Sicht besorgniserregenden Defizite an russischer Rechtsstaatlichkeit haben sich in den vergangenen Monaten negativ auf die binationalen Wirtschaftsbeziehungen ausgewirkt.

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Deutsche Manager blicken mit Verunsicherung auf ihre Kontakte mit russischen Geschäftspartnern: Was antworten, falls die russische Seite auf die Spannungen zwischen Berlin und Moskau zu sprechen kommt? Können die Vergiftung und die Verhaftung des Kremlgegners Alexej Nawalny offen diskutiert werden? Eignet sich Nord Stream 2 als Small-Talk-Thema? Vielleicht die Entwicklung von Sputnik V loben und das Versagen der EU in Sachen Corona-Impfungen kritisieren? Werfen wir dazu einen Blick auf die typischen Kommunikationsmuster im deutsch-russischen Geschäftsleben.

Inhaltsreiche Gespräche

Grundsätzlich sind Russen kommunikativ und tendieren dazu, auch im geschäftlichen Umgang persönliche, inhaltsreiche Gespräche zu führen. Miteinander Zeit zu verbringen und sich gegenseitig intensiv auszutauschen sind für sie die Grundvoraussetzungen einer tragfähigen Geschäftsbeziehung. Das Zwischenmenschliche steht vor dem Geschäftlichen, die gute Gesprächsatmosphäre hat einen höheren Stellenwert als die reine Sachinformation. Russen kommunizieren daher im Business stets beziehungsorientiert, indirekt und diplomatisch.

Allein vor diesem Hintergrund ist es daher eher nicht zu erwarten, dass russische Geschäftspartner das Bedürfnis verspüren, die konfliktreiche deutsch-russische Außenpolitik zu diskutieren. Das Risiko, damit beide Seiten in eine höchst unangenehme Lage zu bringen, dürfte vielen Russen einfach zu hoch sein.

Wie ihre russischen Partner können auch Deutsche mit oberflächlichem Small Talk wenig anfangen und bevorzugen einen inhaltsstarken Dialog. Der große Unterschied besteht jedoch darin, dass Deutsche der Beziehungsebene vergleichsweise wenig Beachtung schenken, denn sie agieren im Geschäftsleben vornehmlich faktenorientiert. Die Dinge werden beim Namen genannt und direkt angesprochen, auch wenn dies zu heiklen Gesprächssituationen führen mag.

Daher kann es Deutschen aufgrund ihrer kulturellen Prägung viel eher ein Bedürfnis sein, die aktuellen Entwicklungen einmal offen zu diskutieren und gegebenenfalls auf den Prüfstein zu stellen, inwieweit diese die gemeinsame Geschäftstätigkeit negativ beeinflussen. Sie möchten gern klare Verhältnisse schaffen, genau erfahren, was ihre russischen Partner gerade denken. Es fällt ihnen meist auch nicht weiter schwer, im Gespräch die Schwächen der deutschen Außenpolitik genauso kritisch zu betrachten wie etwa die fehlende Rechtsstaatlichkeit in Russland. Und dass die russische Seite möglicherweise anderer Meinung ist, können sie ebenfalls akzeptieren. Denn am Ende der Diskussion schieben sie die konträren Ansichten einfach beiseite und begeben sich zurück auf die rein sachliche, geschäftliche Ebene.

Keine Trennung: Person und Sache

Deutsche Manager sollten jedoch im Blick behalten, dass ihre russischen Partner einen anderen kulturellen Hintergrund aufweisen und ihnen daher nicht so einfach auf diese neutrale Ebene folgen können. Was Deutsche gern als „konstruktive Kritik zur Verbesserung“ bezeichnen, gibt es in Russland bspw. nicht. Dinge rational und faktenorientiert zu kritisieren kann auf Russen daher schnell negativ und konfrontativ wirken. Sie trennen dann nicht zwischen der Kritik an der Sache und ihrer eigenen Person oder zwischen einer angeregten politischen Diskussion und der gemeinsamen Geschäftstätigkeit. Die Übergänge sind fließend, das eine beeinflusst das andere.

Loyalität gegenüber „den Eigenen“

Zudem macht es einen Unterschied, ob Russen ihr eigenes Land kritisieren oder ob dies ein Ausländer tut. Der russischen Kultur liegt eine hohe Gruppenorientierung zugrunde. Daraus resultiert, dass sich der Einzelne stark „den Eigenen“ verbunden fühlt. Russen werden sich also im Falle der Kritik von außen schützend vor ihr Land stellen. Viele fühlen sich persönlich getroffen, wenn der ausländische Partner etwas an ihrer Heimat auszusetzen hat, auch wenn sie das nicht offen zeigen.

In der Konsequenz leidet die Geschäftsbeziehung, was für Deutsche auf ihrer klar abgegrenzten Sachebene schwierig zu erkennen und nachzuvollziehen ist. Vor diesem Hintergrund sollten deutsche Manager politischen Diskussionen grundsätzlich aus dem Weg gehen oder sich zumindest nur behutsam äußern, sollte der russische Partner einmal aktuelle Entwicklungen zur Sprache bringen.

Beziehung gibt den Ausschlag

Anders stellt sich die Situation dar in Bezug auf die Corona-Pandemie, die beide Länder, beide Unternehmen und beide Geschäftspartner gleichermaßen betrifft. Aus russischer Sicht kann hier nur die Qualität der persönlichen Beziehung den Ausschlag dafür geben, wie gut Hürden letztlich überwunden werden. Daher werden Russen tendenziell versuchen, den zwischenmenschlichen Kontakt zu stärken und die gegenseitige Verbundenheit zu betonen: Wir rücken näher zusammen, wir schaffen das gemeinsam. Mehr denn je zuvor gilt es daher für deutsche Manager, (virtuell) Präsenz zu zeigen, indem sie die Zahl der Gespräche erhöhen, sich ausführlich nach der beruflichen wie privaten Situation des russischen Partners erkundigen und ihre persönliche Unterstützung anbieten.

Russischer Crunch-Modus

Gleichzeitig greift in der Pandemie eine besondere russische Stärke: das Erreichen von Höchstleistungen durch Improvisationstalent. In Anbetracht von Krise und Chaos wird das unerreichbar Erscheinende in letzter Minute doch noch gestemmt. Der russische Crunch-Modus stößt jedoch oft ungebremst auf den deutschen Sach- und Aufgabenfokus. Deutsche Manager versuchen tendenziell, das Chaos zu ordnen, Prozesse Schritt für Schritt wieder in die gewünschten Bahnen zu lenken. Wo die Dinge jedoch Corona-bedingt unüberblickbar bleiben, führt dieser gründliche, fundamentale Ansatz auch schnell zu Lähmungserscheinungen – und strapaziert oft die Geduld russischer Partner, die sich mehr Agilität wünschen und Ad-hoc-Lösungen anstreben.

Wie konkrete Probleme besprechen?

Diese kulturellen Unterschiede im Denken und Handeln spiegeln sich auch in der Kommunikation wider, etwa wenn konkrete Problemstellungen der gemeinsamen Geschäftstätigkeit besprochen werden. So entspricht bspw. das russische Ja nicht unbedingt einem deutschen verbindlichen Ja, sondern kann auch einfach nur bedeuten, dass die schwierigen Sachverhalte zur Kenntnis genommen werden.

Zum einen möchten Russen negativen Themen nicht zu viel Raum geben; die Wahrung der guten Gesprächsatmosphäre steht vor der sachlichen Information. Zum anderen vertrauen sie auf ihr Improvisationstalent und glauben daher guten Gewissens, dass sich alle Probleme schon irgendwie werden lösen lassen. Diese Zuversicht liegt den deutschen Managern meist fern, da sie sich erst wohlfühlen, wenn alles im Detail kalkuliert und geplant worden ist. Daher möchten sie im Gespräch gern Zahlen, Daten und Fakten hören, während die russische Seite eher darauf bedacht ist, wieder eine bessere Stimmung herzustellen.

Fazit

Jede Geschäftsbeziehung ist anders, jeder Geschäftspartner bringt neben seiner kulturellen Prägung immer auch seine eigene Persönlichkeit mit. Allen gemein ist jedoch das große Interesse, die Geschäftstätigkeit durch die aktuellen Krisen zu navigieren. Damit dies bestmöglich gelingt, lautet die Empfehlung: Fahren Sie die Antennen aus, um unterschiedliche Ansätze im Denken, Handeln und Kommunizieren besser wahrzunehmen. Versuchen Sie, sich stärker auf der Beziehungsebene zu bewegen, indem Sie bspw. Gesprächen mit persönlichem Bezug Zeit einräumen, etwas mehr Zuversicht ausstrahlen und von allzu kritisch-sachlichen Betrachtungen Abstand nehmen.

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