Das achte EU-Sanktionspaket gegen Russland hat weitreichende Folgen für hiesige Unternehmen, sobald die Altvertragsregelungen ausgelaufen sind. Unklar ist noch, wie und zu welchem Preis russisches Öl und dessen Erzeugnisse künftig transportiert werden dürfen.

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Am 6. Oktober 2022 hat die EU als unmittelbare Reaktion auf die Durchführung der Scheinreferenden in den besetzten Gebieten/Oblasten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja ihr mittlerweile achtes Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Neben der Ausweitung der personenbezogenen Beschränkungen gemäß der VO 269/2014 dürften insb. die neuen güter- und dienstleistungsbezogenen Beschränkungen in der VO 833/2014 für Wirtschaftsbeteiligte in der EU relevant sein.

Neue Güterlistungen

Nach dem neu eingefügten Art. 2aa ist es künftig verboten, die in Anhang I der Feuerwaffen-VO (EU) 258/2012 aufgeführten Feuerwaffen, dazugehörige Teile, wesentliche Komponenten und Munition, mit oder ohne Ursprung in der Europäischen Union, mittelbar oder unmittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen (POE) in Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen. Gleiches gilt für die Erbringung darauf bezogener Dienstleistungen und Finanzierungen. Bereits zuvor unterlag die Lieferung dieser Güter – nicht aber die Bereitstellung damit in Zusammenhang stehender Dienstleistungen oder Finanzierungen – einem Genehmigungserfordernis nach der Feuerwaffen-VO (EU) 258/2012.

Darüber hinaus wurden weitere Güter in den Anhängen der VO 833/2014 gelistet – mit der Folge, dass künftig ihr Verkauf und ihre Ausfuhr nach Russland (Erweiterung der Anhänge VII, XI und XXIII) bzw. ihr Kauf und ihre Einfuhr aus Russland (Erweiterung der Anhänge XVII und XXI) sowie die Erbringung darauf bezogener Dienstleistungen und Finanzierungen grundsätzlich verboten sind. Anders als bei früheren Erweiterungen der Güterlisten hat die EU teilweise hinsichtlich der neu gelisteten Güter neue Altvertragsregelungen niedergelegt und zwar in Bezug auf neu gelistete Güter in Anhang XI (Güter der Luft- oder Raumfahrtindustrie), Anhang XVII (Eisen- und Stahlerzeugnisse), Anhang XXI (wichtige Exportgüter) und – teilweise – Anhang XXIII (Industriegüter; neue Altvertragsregel für Kohle und Kohleerzeugnisse, vgl. Art. 3c Abs. 5a; Art. 3g Abs. 3; Art. 3i Abs. 3b; Art. 3k Abs. 3a).

In Bezug auf die neu in Anhang VII aufgenommenen Güter ist hingegen keine neue Altvertragsregel vorgesehen. Teilweise sind die neu in Anhang VII aufgenommen Güter aber auch in den Anhängen zur Anti-Folter-VO (EU) 2019/125 gelistet (die neu in Teil A, Kategorie VII aufgenommenen Gegenstände), sodass ihre Ausfuhr bereits zuvor Beschränkungen unterlag. Interessant ist die Hinzufügung von Teil B in Anhang VII, in dem Güter (Halbleiterbauelemente, elektronische integrierte Schaltungen und Fotoapparate) aufgeführt sind, die anhand ihres KN-Codes identifiziert werden und nicht – wie die Güter in Teil A von Anhang VII – anhand ihrer Warenbeschreibung. Dies dürfte den Wirtschaftsbeteiligten die unternehmensinterne Umsetzung erleichtern. In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass die Europäische Kommission in ihren FAQ eine aktualisierte Korrelationstabelle für Anhang-VII-Güter veröffentlicht hat. Diese sollte man jedoch mit Vorsicht anwenden, da sie lediglich ein nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel darstellt und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

In Bezug auf güterbezogene Beschränkungen und darauf bezogene Dienstleistungs- und Finanzierungsverbote wurden durch die VO (EU) 2022/1904 zudem neue Befreiungs- und Ausnahmetatbestände eingefügt. Diese betreffen insb. die zivile nukleare Nutzung (vgl. Art. 3g Abs. 7; Art. 3i Abs. 3c; Art. 3k Abs. 5 lit. c; VO 833/2014). Eine weitere Neuerung, die sich weitreichend auswirkt, ist die Einführung einer Verarbeitungsregel für Eisen- und Stahlprodukte des Anhangs XVII gemäß Art. 3g Abs. 1 lit. d VO 833/2014. Danach sollen nach Ablauf einer Übergangsfrist (je nach Produkt der 30. September 2023, der 1. April 2024 oder der 1. Oktober 2024) Kauf und Einfuhr der in Anhang XVII aufgeführten Eisen- und Stahlprodukte auch dann verboten sein, wenn es sich um nicht-russische Ursprungsware handelt, die in einem Drittland unter Verwendung von Vormaterialien mit russischem Ursprung hergestellt worden ist. Unklar ist noch, wie ein solches Verbot in der Praxis durchgesetzt und überwacht werden soll und welche Prüf- und Nachforschungspflichten den Wirtschaftsteilnehmern insoweit auferlegt werden sollen.

„Ölpreisdeckel“ in Vorbereitung

Durch die VO (EU) 2022/1904 hat die EU zudem Art. 3n VO 833/2014 grundlegend geändert, der Beschränkungen für Dienstleistungen und Finanzierungen im Zusammenhang mit Kauf, Einfuhr und Verbringung von in Anhang XXV aufgeführten Rohöl und Erdölerzeugnissen mit Ursprung Russland oder ausgeführt aus Russland niederlegt. Nach der bis dahin geltenden Fassung ist zwar die Erbringung von Dienstleistungen und Finanzhilfen im Zusammenhang mit der Beförderung von russischem Öl nach Ablauf der Übergangsfristen verboten, nicht aber die Beförderung selbst.

Der neu gefasste Art. 3n sieht nunmehr aber vor, dass nach Ablauf der Übergangsfristen (5. Dezember 2022 für Rohöl und 5. Februar 2023 für Erdölerzeugnisse) sowohl der Transport als auch darauf bezogene Dienstleistungen/Finanzhilfen grundsätzlich verboten sind, wenn der Einkaufspreis oberhalb eines festgelegten Preises liegt (Art. 3n Abs. 1 und 4), und grundsätzlich erlaubt, wenn der Einkaufspreis darunter liegt (Art. 3n Abs. 6 lit. a). Eine entsprechende Preisobergrenze für russisches Öl muss jedoch durch den Rat erst noch beschlossen werden.

Bis zu einem solchen Beschluss sollen die bisherigen Regelungen zunächst fortgelten. Aktuell ist geplant, dass die G7-Staaten plus Australien die Modalitäten der Preis-obergrenze bis Mitte November ausarbeiten und der Ölpreisdeckel zum 5. Dezember dieses Jahres in Kraft tritt. Die Änderung von Art. 3n VO 833/2014 lässt jedoch das in Art. 3m VO 833/2014 niedergelegte Einfuhrverbot für russisches Öl, das auf dem Seeweg transportiert wurde, in die EU unabhängig vom Preis unberührt.

Neue Dienstleistungsverbote

Im Rahmen des achten Sanktionspakets wurden zudem – über die nach Art. 5n Abs. 1 der VO 833/2014 bereits verbotenen nicht-güterbezogenen Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Buchführung, Steuerberatung, Unternehmens- und Public-Relations-Beratung hinaus – neue Verbote zur Erbringung von Dienstleistungen zugunsten der russischen Regierung oder in Russland niedergelassenen juristischen POE niedergelegt und zwar für die Bereiche Architektur und Ingenieurwesen, Rechtsberatung und IT-Beratung (Art. 5n Abs. 2 VO 833/2014). Welche Art von Dienstleistungen unter die einzelnen Verbote fallen sollen, wird in Erwägungsgrund 19 der VO (EU) 2022/1904 näher erläutert.

Ferner hat die EU-Kommission ihre FAQ zur Auslegung von Art. 5n mit Blick auf die neuen Verbote aktualisiert. Art. 5 Abs. 4 sieht eine Altvertragsregelung für die Erbringung von nach Art. 5n Abs. 2 verbotenen Dienstleistungen bis zum
8. Januar 2023 vor, wenn der zugrundeliegende Vertrag vor dem 7. Oktober 2022 geschlossen wurde und nicht auf andere Weise beendet werden kann. Darüber hinaus existiert eine Reihe von Ausnahmen und Befreiungen von dem Verbot, etwa wenn die Dienstleistungen zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene juristische POE bestimmt sind, die mehrheitlich von juristischen POE gehalten werden – und zwar solchen, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates, eines EWR-Landes (Island, Norwegen und Liechtenstein), der Schweiz oder eines Partnerlandes der EU (USA, Japan, Großbritannien und Südkorea) gegründet oder eingetragen wurden.

Im Rahmen des achten Sanktionspakets wurde zudem das in Art. 5b Abs. 2 der VO 833/2014 niedergelegte Verbot der Bereitstellung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Krypto-Wallets, Krypto-Konten oder der Krypto-Verwahrung zugunsten von russischen Staatsangehörigen, in Russland ansässigen natürlichen Personen oder in Russland niedergelassenen juristischen POE verschärft, indem der Schwellenwert für das Verbot aufgehoben wurde und die Erbringung derartiger Dienstleistungen nunmehr wertunabhängig verboten ist.

Aufnahme des russischen Schiffsregisters

Ferner hat die EU mit dem russischen Schiffsregister ein weiteres russisches Staatsunternehmen in Anhang XIX zur VO 833/2014 aufgenommen – mit der Folge, dass das Tätigen von Geschäften mit ihm, seinen mehrheitlich gehaltenen Tochterunternehmen mit Sitz außerhalb der EU und POE, die in seinem Namen oder auf seine Anweisung handeln, nach Art. 5aa Abs. 1 der VO 833/2014 künftig verboten ist.

In Bezug auf die Durchführung von Transaktionen mit dem neu gelisteten russischen Schiffsregister und die Entgegenahme von Zahlungen von diesem wurden in Art. 5aa Abs. 2b und 2c neue Altvertragsregelungen niedergelegt (Erfüllung bis zum 8. Januar 2023 von vor dem 7. Oktober 2022 geschlossenen Verträgen und kein Verbot der Entgegennahme von Zahlungen aufgrund von Verträgen, die vor dem 8. Januar 2023 ausgeführt wurden). Daneben wurde das Verbot in Art. 3ea der VO 833/2014, „russischen Schiffen“ Zugang zu Häfen oder Schleusen in der EU zu gewähren, derart erweitert, dass nach Ablauf einer Übergangsfrist zum 8. April 2023 auch solche Schiffe betroffen sein sollen, die vom russischen Schiffsregister zertifiziert sind (neuer Abs. 1a).

Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des achten Sanktionspakets hat die EU eine Reihe von Maßnahmen eingeführt, die spätestens nach Ablauf der vorgesehenen Altvertragsregelungen weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaftsbeteiligte haben dürften. Dies gilt insb. für die neuen Güterlistungen, die Einführung einer Verarbeitungsregel für Eisen- und Stahlerzeugnisse sowie die neuen dienstleistungsbezogenen Beschränkungen in Art. 5n Abs. 2 der VO 833/2014 und die beabsichtigte Einführung eines „Ölpreisdeckels“. Hierauf sollten sich die betroffenen Unternehmen frühzeitig vorbereiten.

k.goecke@gvw.com

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