Die diesjährige Zusammenkunft des Mainzer Kreditversicherers stand ganz im Zeichen der Feierlichkeiten zum 100. Firmenjubiläum. Die Welt nimmt darauf freilich keine Rücksicht. Und so standen in den Vorträgen und Paneldiskussionen viele globale Krisenherde im Fokus. Es gab jedoch auch mehr als einen Grund zur Zuversicht.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Als Mainzer Kaufleute und ein Frankfurter Bankinstitut den Vorgänger des Kreditversicherers Coface vor 100 Jahren ins Leben riefen, zerrüttete eine Hyperinflation die Weimarer Republik. Unmengen an Papiergeld mussten gedruckt werden, die Menschen waren am Boden zerstört. Damit ist die heutige Inflation zwar nicht ansatzweise vergleichbar. Sie reiht sich dafür aber ein in unzählige globale Krisenherde bestehend aus Kriegen, Tendenzen zur Deglobalisierung oder Bankenpleiten.

Über all diese Themen und vieles mehr ging es beim Coface-Kongress im Mai, der mit den Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum zusammenfiel. „Wir haben extrem unruhige Zeiten“, sagte die preisgekrönte Kriegsreporterin Antonia Rados in ihrer Keynote. „Es gibt sehr viele Konflikte um Rohstoffe und ein gespanntes Verhältnis zwischen China und Amerika.“ Journalisten würden generell mit dem Prinzip der Wahrscheinlichkeiten arbeiten. „Wenn ich in der Ukraine derzeit drei Dörfer besuchen würde und dort Kriegszustände herrschen würden, würde ich davon ausgehen, dass es auch im nächsten Ort so ist. Sicher wissen kann ich es aber nicht“, berichtete Rados aus ihrem Arbeitsalltag. Niemand verfüge über alle Daten und Informationen. „Dadurch gibt es im Krieg, aber auch sonst immer ein Endrisiko. Eine komplett risikolose Welt wäre aber auch langweilig.“

Mehrere Risikofaktoren im kommenden Winter

Doch davon sind Deutschland und die Welt derzeit ohnehin meilenweit entfernt. Das wurde auch bei der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Epochenbruch – Wirtschaftsrisiken im Zeitalter der Knappheiten“ deutlich. „Durch den letzten Winter sind wir gut gekommen. Wir haben aber zum Teil auch Glück gehabt“, sagte etwa Dr. Carsten Rolle, der beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) den Bereich Energie- und Klimapolitik leitet. Für den kommenden Winter gebe es erneut mehrere Risikofaktoren wie die Temperaturen, das Verhalten der Verbraucher oder die Ereignisse in Asien. Dr. Alexandra Kohlmann, Geschäftsführerin von ROWE Mineralölwerk, sah Rezessionsängste, Zinsrisiken und geopolitische Veränderungen stärker ins Bewusstsein rücken. „Als Unternehmen müssen wir da auch nach innen eine gewisse Form der Sicherheit und Führung vorleben“, so Kohlmann. Es gehe darum, Zuversicht auszustrahlen und sich nicht zum Spielball, etwa der Bürokratie, machen zu lassen.

Auch Marie-Thérèse Pfefferkorn, Teamleiterin Märkte & Analysen bei MBI Martin Brückner Infosource, bemerkte im Rahmen der sog. Experten-Insights, dass „wir den letzten Winter gut überstanden haben“. Doch es seien auch neue Abhängigkeiten aufgetaucht. „Allen voran grüner Wasserstoff wird zudem auf absehbare Zeit teuer bleiben.“ Dennis Volk, Referatsleiter Krisenvorsorge, Resilienz, Cybersicherheit bei der Bundesnetzagentur, ergänzte: „Wir müssen in diesem Winter mindestens genauso viel Energie einsparen wie im vergangenen.“ Denn man könne nie wissen, wie Länder reagierten, wenn nicht genug Gas für alle da sei.

Volk, Pfefferkorn und Körner in der Diskussion

Dennis Volk (Bundesnetzagentur) und Marie-Thérèse Pfefferkorn (Teamleiterin bei MBI) in der Diskussion mit Moderatorin Isabelle Körner (rechts). © Yves Otterbach/Coface

Sollen wir besser schwarzmalen oder lieber rosig nach vorne blicken? Dass das mit dem Optimismus gar nicht mal so einfach ist, unterstrich der österreichische Zukunftsforscher Tristan Horx. „Die Dystopie, also eine Weltuntergangsstimmung, verkauft sich sehr gut. Und ich kann es ja auch verstehen, dass sich die Medien eher mit den schrecklichen Nachrichten beschäftigen. Doch in der Regel treffen die schlimmsten Prognosen nicht mal annähernd ein“, sagte Horx. „Und wir Menschen sind ohnehin resilienter, als wir glauben. Das hat die Vergangenheit gezeigt, wo es nach schweren Krisen sehr oft aufwärts gegangen ist.“ Dem Zukunftsforscher macht beispielsweise Hoffnung, dass die Künstliche Intelligenz künftig mehr Freizeit bringt, zwischen 2040 und 2050 die Null-Grenzkosten bei Energie erreicht sind und mehr Frauen in Führungspositionen kommen.

Doom-Stimmung nicht überall auf der Welt vorherrschend

Eckart von Unger, Abteilungsleiter bei Germany Trade and Invest (GTAI), blickte ebenfalls eher zuversichtlich nach vorne. „Wir glauben weiter an die Internationalisierung, die Globalisierung und den Multilateralismus, auch wenn die Welt komplexer geworden ist.“ Die derzeitige Doom-Stimmung sei nicht überall vorherrschend. „Es gibt auch viel Aufbruchstimmung, allen voran in einzelnen Ländern Südamerikas, die nach Regierungswechseln mehr Wert auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit legen.“ Auch hiesige Unternehmen seien viel sensibler geworden, was die ESG-Kriterien angehen, so der GTAI-Experte.

Paneldiskussion zum Epochenbruch (v.r.n.l.): Zukunftsforscher Tristan Horx, Dr. Alexandra Kohlmann (ROWE Mineralölwerk), Eckart von Unger (GTAI), Dr. Carsten Rolle (BDI), Antonia Rados und Moderatorin Isabelle Körner

Paneldiskussion zum Epochenbruch (v.r.n.l.): Zukunftsforscher Tristan Horx, Dr. Alexandra Kohlmann (ROWE Mineralölwerk), Eckart von Unger (GTAI), Dr. Carsten Rolle (BDI), Antonia Rados und Moderatorin Isabelle Körner. © Yves Otterbach/Coface

Was in puncto Nachhaltigkeit auf die Unternehmen alles zukommt, wurde beim Coface-Kongress in der Mainzer Halle 45 am Nachmittag diskutiert. Interessante Randnotiz: Sämtliche Podiumsteilnehmer waren weiblich. „Die Regulierungsdichte ist so hoch, dass man das Gefühl hat, den Überblick zu verlieren“, sagte Dr. Cornelia Nett, General Counsel bei der Freudenberg Group mit insgesamt rund 50.000 Mitarbeitern, und berichtete von teils haarsträubenden Widersprüchen, etwa bei der PFAS-Regulierung. „Es ist absolut richtig, die Verwendung umweltschädlicher Stoffe weitestgehend zu beschränken. Allerdings gibt es bei Anwendungen, die für die Klimaneutralität entscheidend sind, oft keine Alternativen, z.B. bei der Produktion von Brennstoffzellen.“

Prof. Dr. Nadine Kammerlander gab zu bedenken, dass eine komplette Abkehr von schädlichem Plastik und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft in allen möglichen Bereichen nicht von heute auf morgen gelingen. „Aber wir stellen immer wieder fest, dass die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer nach dem Generationenwechsel sehr auf Nachhaltigkeit bedacht sind.“ Dass sie dies auch müssen, machte Claudia Rankers vom gleichnamigen Family Office deutlich. „Das geht so weit, dass Unternehmen, die nicht transformieren, kein neues Konto eröffnen können. Zudem werden Kredite von Unternehmen mit einem schlechteren ESG-Rating teurer.“ Gemäß einer neuen EU-Richtlinie müssen alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden ab dem 1. Juli verpflichtend im Lagebericht Angaben zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen sowie zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung machen. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen später auch noch dazu kommen.

Nachhaltigkeit gehört ins Kerngeschäft

Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin beim Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW), betonte, dass Nachhaltigkeit bei ihren Mitgliedern schon im Kerngeschäft verankert sei. „Bei den Pionieren gibt es eine große intrinsische Motivation. Aber alle Unternehmen müssen jetzt erkennen, dass ESG längst mehr ist als ein Nice-to-have.“ Dr. Meriem Tazir, Geschäftsleiterin des Darmstädter Consultingbüro e-hoch-3 eco impact experts, meinte ebenso: „Reine Rechtskonformität ist nicht mehr ausreichend. Das ist den allermeisten auch bewusst.“ Es brauche vielmehr eine nachhaltige Geschäftsstrategie, die über Nachhaltigkeit als Hygienefaktor hinausgehe.

Neue ESG-Kriterien sind bei Weitem nicht das Einzige, was die Unternehmen aktuell umtreibt. Das machte der Blick von Coface-Volkswirtin Christiane von Berg auf die hiesige und globale Wirtschaft deutlich. „Deutschland hat bei unseren Länderrisiken mit A3 aufgrund der zuletzt so vielen Krisen derzeit eine relativ schwache Benotung“, sagte von Berg. „Bei der Inflation haben wir eine schmerzhafte Seitwärtsbewegung. Je länger sie anhält, desto mehr sinken die Ersparnisse. Für die Unternehmen dürften auf der anderen Seite die steigenden Zinsen ein Hemmschuh bleiben.“ Eine Bankenkrise sei noch nicht vom Tisch. Doch auch von Berg blickte am Ende zuversichtlich nach vorne. „Auch wenn das Preisniveau noch relativ hoch ist: Bei den Lieferketten und der Energie sind wir aktuell über den Berg.“ Bei den Insolvenzen befinde sich Deutschland noch im grünen Bereich, so die Volkswirtin weiter: „Zwar ist die Anzahl der Insolvenzen zuletzt gestiegen und lag im Januar um 20% über dem Vorjahr. Das ist aber insgesamt weiterhin ein niedriges Niveau.“

Coface-Volkswirtin Christiane von Berg

Coface-Volkswirtin Christiane von Berg © Yves Otterbach/Coface

Die Risiken bleiben freilich bestehen. Und so dürfte Coface auch in den nächsten 100 Jahren kaum die Arbeit ausgehen. Christian Heidel, Vorstandsmitglied des Fußball-Bundesligisten 1. FSV Mainz 05, sorgte indessen mit einer Aussage im Jubiläumsvideo für allgemeine Heiterkeit, als er bekannte, dass er keine Tochter kenne, die älter sei als ihre Mutter. Die französische Coface-Gruppe, die die deutsche Niederlassung 2012 endgültig integriert hat, wurde „erst“ 1946 gegründet und damit 23 Jahre später, als der Mainzer Bankier Isaac Fulda die Rheinische Garantiebank Kautionsversicherungs-Aktiengesellschaft ins Leben gerufen hatte.

„Hand drauf!“: die Jubiläumskampagne

Zum 100. Geburtstag setzt der Kreditversicherer in Kooperation mit Studio ZX die Kampagne „100 Jahre Coface. Hand drauf!“ um. Dabei bildet der Handschlag ein zentrales Element. „Seit 1923 sind wir ganz nah am wirtschaftlichen Geschehen und unterstützen unsere Kunden mit unserer Risikoexpertise und Erfahrung dabei, nachhaltig zu wachsen. Für vertrauensvolle Zusammenarbeit und Verlässlichkeit gibt es weltweit eine Geste, die genau das zum Ausdruck bringt: den Handschlag. Deshalb steht unser Geburtstag unter diesem Motto“, so Katarzyna Kompowska, Coface-CEO für Deutschland und Nordeuropa. Neben der Veröffentlichung einer Jubiläums-Webseite (www.coface100.de) wird das Festjahr von zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen flankiert.

Aktuelle Beiträge

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner