Obwohl die polnische Wirtschaft in diesem Jahr auch nur gering wächst: Das EU-Land hat sich zuletzt zu einem überaus attraktiven Standort gerade für deutsche Unternehmen gemausert. Knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer informierten sich auf dem vom „ExportManager“ organisierten „Forum Polen“ Mitte Mai über die dortige Situation. Was den Nachbarstaat derzeit so besonders macht.

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Frédéric Chopin, Papst Johannes Paul II. und Robert Lewandowski kennt so gut wie jeder. Die meisten wissen auch, dass alle drei Persönlichkeiten in Polen geboren wurden. „Das Trio vereint zudem, dass sie als hochspezialisierte Fachkräfte im Ausland aktiv sind oder waren“, sagte Moderator Martin Brückner zu Beginn des diesjährigen „Forum Polen“ und leitete damit über zum Arbeitskräftemangel, mit dem auch das Nachbarland zu kämpfen hat. „Wir können in Polen bereits eine Lohn-Preis-Spirale beobachten. Die Gefahr, dass sie sich weiterdreht, ist auch deshalb größer als in Deutschland, weil dort viele Fachkräfte abwandern“, erklärte Uwe Erbs von der Santander Bank. „Die Inflation ist ebenfalls höher, auch wenn sie zuletzt ein wenig nachgelassen hat – von 17 auf 14%.“ Der Leitzins der Polnischen Nationalbank liegt bereits seit dem Herbst des vergangenen Jahres bei 6,75 Prozentpunkten.

Polen ist für Deutschland drittwichtigster EU-Standort

Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Polen kannte in den vergangenen Jahren nur eine Richtung: nach oben. Für die Bundesrepublik ist Polen mittlerweile der drittwichtigste Exportmarkt in der Europäischen Union. Da die Importe zuletzt sogar noch stärker zugelegt haben, besteht mittlerweile sogar ein Handelsbilanzdefizit. Ein Unternehmen, das seit Ende der 90er Jahre sehr stark in Polen engagiert ist, ist Schumacher Packaging. Dessen Finanzchef Martin Wedel berichtete im Forum: „Der polnische Markt ist neben Deutschland unser größter. Mittlerweile haben wir dort fünf Werke und beschäftigen rund 1.600 Menschen.“

Schumacher ist auf Verpackungen aller Art aus Papier und Pappe spezialisiert – und hat 2022 erstmals in puncto Umsatz die 1-Mrd-EUR-Marke übersprungen. „Wir verfolgen seit rund 25 Jahren eine Europa-Strategie. Als Nächstes wollen wir in Italien und Spanien Fuß fassen“, sagte Wedel. Polen schätze er nicht nur wegen der engagierten Mitarbeiter, sondern auch wegen der enormen digitalen Fortschritte. „Da ist Polen erheblich weiter als Deutschland. Man kann dort schon fast alles online beantragen“, erklärte das Schumacher-Vorstandsmitglied. Die großen Investitionsvorhaben im Land stoppe man wegen des Ukraine-Kriegs nicht.

Fast 93% der Unternehmen würde sich wieder für Polen entscheiden

Agnieszka Schütte arbeitet in Warschau als International Banking Direktorin bei der Santander Bank Polska. Auch sie wusste aus erster Hand zu berichten: „Viele internationale Unternehmen betonen in den Gesprächen, dass politische Aussagen bisher keinen größeren Einfluss auf die wirtschaftliche Tätigkeit haben.“ Im Herbst dieses Jahres finden in dem EU-Land die nächsten Parlamentswahlen statt. Nach einer aktuellen Umfrage der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer würden sich knapp 93% der Unternehmen wieder für Polen als Investitionsstandort entscheiden. Seit 2015 läge das Land bei der Attraktivität wieder an erster Stelle unter den ost- und südosteuropäischen Staaten, vor Tschechien und der Slowakei, so Schütte. Aktuell planten Bosch, Mercedes-Benz, Rossmann und andere Konzerne hohe Investitionen in Polen. „Für uns ist das eine gute Nachricht, auch weil ein Großteil der Investitionen aus der Industrie kommt und langfristig angelegt ist.“

Auch im Rahmen des Wiederaufbaus der benachbarten Ukraine könne Polen eine ganz wichtige Rolle spiele, sagte Schumacher-CFO Wedel. „Welche Berufe künftig Mangelware werden, hängt stark vom Standort ab. In florierenden Städten wie Breslau dürfte das schon ein Thema sein.“ Schütte erläuterte, dass gerade Fachkräfte, etwa in der IT, solche Arbeitgeber bevorzugen, die ihnen Flexibilität bieten, bspw. beim Homeoffice. Die Lohnkosten seien in Polen seit 2013 um 37,5% angestiegen, während der Zuwachs in Deutschland (21,8%), Frankreich (14,5%) und Italien (11,3%) deutlich niedriger gewesen sei, so Erbs.

Möglichkeiten zur Kreditabsicherung

Doch nicht nur in puncto Belegschaft, sondern auch bei Kreditlinien sollten Unternehmen auf Nummer sicher gehen. „Am aktuellen Rand sinkt die Differenz zwischen den Renditen zehnjähriger Staatsanleihen von Deutschland und Polen wieder – auf aktuell rund 3,5%“, sagte Santander-Fachmann Erbs und stellte verschiedene Modelle rund um Wechselkurssicherung, Umschuldung und synthetische Absicherung vor. „Wer die Finanzierung in Polen belässt, hat das Risiko von Bewertungsverlusten in der Bilanz, etwa aufgrund weiterer Zinserhöhungen“, erklärte Erbs. „Wenn man hingegen in Deutschland einen Kredit aufnimmt und damit die polnischen Verbindlichkeiten tilgt, kann man u.U. sofort seine Finanzierungskosten senken.“ Bei anderen Lösungen lasse sich der variable Zinssatz in Polnischen Zloty (PLN) gegen einen Festsatz in Zloty oder auch Euro mit Wechselkurssicherung tauschen.

Schütte ging in ihrem Vortrag auch ausführlich auf die EU-Förderprogramme für Unternehmen in Polen ein. „KMU können eine Förderung in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Energie, Innovationen und Internationalisierung erhalten“ , so die Santander-Expertin. Die Bank betreibt in Polen knapp 400 Filialen und hat rund 27.000 Business- und Corporate-Kunden.

„Viele der Zuschüsse fließen in die ostpolnische Region“, sagte Schütte. „Auch hier kann vieles digital beantragt werden. Die Firmen schätzen die gute Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden.“ Allerdings gebe es bei den Förderprogrammen unzählige Varianten. „Wir bedienen uns in Polen – übrigens auch in Deutschland – eines Förderberaters, der sich in dem Dschungel auskennt“, so Wedel. Denn es sei gar nicht mal so leicht, immer auf dem aktuellsten Stand zu bleiben.

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