Seefracht wird immer teurer. Die Blockade des Suezkanals durch das Containerschiff Ever Given ist zwar beendet. Doch die Logistik aber steht weiter vor enormen Hürden.

Die Blockade des Suezkanals durch die Ever Given, die sich aus noch ungeklärtem Grund Anfang April quer in eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt legte, dauerte sechs Tage. Danach gelang es den Bergungsmannschaften bei Springflut, das 400 m lange Containerschiff freizuschleppen. Die Folgen aber sind noch lange nicht beseitigt. Es gibt viel zu wenige der Stahlboxen und viel zu viele von ihnen liegen in den Häfen des Westens fest, sodass eine Unwucht entstanden ist. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der jährlich bewegten Container (Standardcontainer TEU) um 260% auf gut 700 Millionen gestiegen. Und doch reicht ihre Zahl nicht, um in Ausnahmesituationen Handelsströme aufrechtzuerhalten.

USA: Containerzahlen um 45% über Vorjahr

Beispiel Amerika: Dort kommt es jeden Tag zum „Superstau“. Zum einen hat Corona das Löschen der Schiffe über Monate verlangsamt. Zum anderen hat der riesige Nachholbedarf eine Konsumwelle mit Bestellungen in China oder Vietnam hervorgerufen. Dort arbeiten und liefern die Fabriken unter Volllast, weil Corona relativ schnell besiegt war. Die Zahl der Container, die in Los Angeles und Long Beach entladen werden müssen, steigt seit acht Monaten und liegt nun 45% über dem Vorjahreswert. Allein diese beiden Häfen stehen für rund 40% der Seefracht Amerikas.

Die Folgen für die Lieferketten sind rund um die Welt zu spüren. „Wir stellen fest, dass praktisch alle Firmen ihre Lagerbestände in den vergangenen Monaten deutlich ausgebaut haben, weil sie der unsicheren Lage nicht mehr trauen“, sagt der Seefracht-Chef eines großen europäischen Logistikers, der seinen Namen nicht nennen darf. Die Ever-Given-Blockade habe zu weiteren Lieferverzögerungen von 20 Tagen geführt. Das hat Auswirkungen auf die Transportpreise. „Gegenüber der Zeit vor Corona haben sich die Raten substanziell erhöht. Es gibt einen Spotmarkt, aber auch Jahresverträge für Großkunden wie Adidas oder Walmart. Diese Langfristpreise haben sich in etwa verdreifacht. Die sofort gebuchten Transporte im Spotmarkt haben sich in der Spitze verzehnfacht.“

Am Beginn der Probleme mit den Lieferketten stehen die Hersteller der Stahlboxen. Da nur noch zwei chinesische Firmen Container herstellen, lässt sich der Engpass nicht rasch aufholen. Derzeit gibt es etwa 44 Millionen Container, ein Zehntel bauen die Chinesen jährlich, aber 2,2 Millionen werden zugleich verschrottet. Mindestens 10% mehr Container wären wohl nötig, um die Nachfrage am Markt derzeit abzudecken.

Seefracht sucht nach neuen Routen

Drei Alternativrouten kommen infrage: die Umfahrung des Kap der Guten Hoffnung, die Eisenbahnstrecke zwischen China und Deutschland und die Nordroute entlang Russlands. Die Südroute um Afrika rechnet sich auch ohne Blockade des Suezkanals: Denn dessen Durchfahrt kostet zwischen 600.000 und 1 Mio. US-Dollar an Gebühr. Die Umfahrung des Kap der Guten Hoffnung erfordert rund sechs Tage zusätzlich und etwa 400.000 US-Dollar an Treibstoffkosten. Bei einer Transitzeit von Hamburg nach Nordchina werden dadurch aus 40 Tagen 46 Tage – gerade in unsicheren Zeiten wie jetzt nähmen Kunden das hin, heißt es in der Branche. Der Zug, den auch Logistiker wie DB Schenker und DHL Deutsche Post stark nutzen, ist zwar schneller als die Seefracht, aber schon jetzt rund dreimal so teuer. Allerdings ist er bis in den Sommer bereits voll ausgebucht. Russland nutzte die Probleme im Kanal, um die von ihm bestimmte Nordroute entlang der Arktis zu bewerben: Die Route durch das Eis, die sich auch aufgrund der Erderwärmung öffnet, spart 15 Tage zwischen Europa und China im Vergleich zur Durchfahrt durch den Suezkanal.

Die Langfassung dieses exklusiven Gastbeitrages lesen Sie in der neuen Ausgabe der Asia Bridge, 5:2021. Das Monatsmagazin ist erhältlich über http://www.maerkte-weltweit.de/sub.php/subscription/index

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