Die Bemühungen der EU, die Wahrung der Menschenrechte stärker global durchzusetzen, werden aktuell außer durch die Novellierung der Dual-Use-Verordnung besonders durch die Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen zum Ausdruck gebracht. Was bedeutet dies für den internationalen Handel? Worauf sollten vor allem Exporteure jetzt achten?

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Ausgangsfall: D in Deutschland unterhält seit Langem geschäftliche Beziehungen zu C in China. C ist ein Händler und vertreibt die Produkte von D in ganz China. D weiß nicht, wer die Endkunden sind, die C in China beliefert. Das Produktportfolio von D beinhaltet keine sensitiven Güter. Ebenso sind keine Güter gelistet. Treffen D trotzdem exportkontrollrechtliche Pflichten?

Güter- und Personenprüfungen nach EU-Exportrecht

D muss bei Exporten prüfen, ob die exportierten Güter selbst oder ihre wesentlichen Bestandteile gelistet sind. Dann würde D eine Ausfuhrgenehmigung des BAFA benötigen. Dies ist hier nicht der Fall. Ebenso ist auch keine Genehmigungspflicht nach der Catch-all-Regelung in Art. 4 Dual-Use VO ersichtlich, da eine sensitive Verwendung nicht gegeben ist. Eine güterbezogene Genehmigungspflicht für Exporte an C in China liegt nicht vor.

Zusätzlich muss D prüfen, ob C oder eine der übrigen Personen in der Lieferkette auf EU- und evtl. auf US-Sanktionslisten gelistet ist. Hier wäre u.a. auch erforderlich, die direkten Kunden von C zu prüfen, soweit dies möglich ist. Aus Sicht von D besteht aber die Schwierigkeit darin, dass die Kunden von C nicht bekannt sind. Zum einen wird C möglicherweise zum Zeitpunkt des Exports aus Deutschland selbst noch nicht wissen, wer die Endkunden sein werden, zum anderen wird C diese Namen geheim halten wollen, damit D diese nicht direkt beliefert. Wenn aber C einen direkten Kunden beliefern würde, der auf solchen Sanktionslisten gelistet ist, könnte D evtl. wegen Teilnahme an diesem Sanktionslistenverstoß haften. Es geht hier um zwei Risiken: das allgemeine Sanktionslistenrisiko und das spezielle Sanktionslistenrisiko wegen Menschenrechten.

Minimierung des allgemeinen Sanktionslistenrisikos

Um das allgemeine Sanktionslistenrisiko zu minimieren, sollte D die direkten Kunden des C screenen und, wenn dies nicht möglich ist, möglichst mit C eine vertragliche Vereinbarung treffen, dass C keine Personen beliefern darf, die unmittelbar oder mittelbar auf EU- und US-Sanktionslisten gelistet sind, und dass C allein das Sanktionslisten-Screening durchführen muss. Sofern eine solche vertragliche Vereinbarung strikt, transparent und effektiv (d.h. möglichst mit Schadensersatzverpflichtungen versehen) ist, besteht eine Chance, dass D das strafrechtliche Risiko (wegen Teilnahme an einem Verstoß des C) an C weitergeben kann.

Das spezielle Sanktionslistenrisiko (wegen Menschenrechten)

Vor allem beim Handel mit China, Russland, Nordkorea, Libyen, Südsudan und Eritrea sind zusätzlich noch spezielle Listungen zu beachten bzgl. Personen, die bei schweren Menschenrechtsverletzungen involviert waren. Dies ist unmittelbare Folge der Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen, die im Rahmen des EU-Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie (2020–2024) erlassen und jüngst durch die Durchführungs-VO 2021/478 (mit weiteren Listungen) präzisiert wurde. Die erstrebten gezielten res-triktiven Maßnahmen zur weltweiten Bekämpfung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen und -verstöße sollen durch Listung von Personen oder Einrichtungen erreicht werden, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren oder diese unterstützt haben. Es gilt somit ein Bereitstellungsverbot von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen an diese gelisteten Personen sowie an Personen, die im Eigentum oder unter Kontrolle eines Gelisteten stehen. EU-Wirtschaftsbeteiligte können auch verpflichtet sein, entsprechende Informationen an ihre nationalen Behörden zu Erleichterungen bei der Umsetzung dieser Verordnung zu geben (Art. 9).

Der Anwendungsbereich der Sanktionen wird in Art. 2 Abs. 1 vor allem wie folgt definiert: Völkermord; Verbrechen gegen die Menschlichkeit; folgende schwere Menschenrechtsverletzungen oder -verstöße: Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Sklaverei, außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Tötungen und Massenhinrichtungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen oder Inhaftierungen; andere Menschenrechtsverletzungen oder -verstöße wie Menschenhandel, sexuelle Gewalt, Verstöße gegen die Versammlungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit. Art. 2 Absatz 2 ergänzt dann, um welche völkerrechtlichen Konventionen es geht. (Konkreter Anlass für diese Verordnung waren vor allem folgende Menschenrechtsverstöße: Verfolgung der Uiguren in China; willkürliche Festnahmen und Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Russland – u.a. Nawalny –; systematische Verfolgungen von Oppositionellen in Tschetschenien; Folterungen, willkürliche Hinrichtungen und Verhaftungen in Nordkorea; willkürliche Festnahmen/Hinrichtungen in Libyen, Südsudan und Eritrea).

Lösung des Ausgangsfalls

Um das spezielle Sanktionslistenrisiko wegen Menschenrechten zu minimieren, sollte D die Direktkunden des C screenen und, wenn dies nicht möglich ist, mit C eine vertragliche Vereinbarung treffen, dass C keine Personen beliefern darf, die unmittelbar oder mittelbar auf dieser EU-Verordnung gelistet sind, und dass C allein das Sanktionslisten-Screening durchführen muss. Beim Handel mit den derzeitigen o.g. sechs Ländern dürfte eine gesteigerte Sorgfaltspflicht bestehen, sodass sich hier in jedem Fall eine vertragliche Vereinbarung anbietet – analog der oben beschrieben Vorgehensweise: Sofern eine solche vertragliche Vereinbarung strikt, transparent und effektiv (d.h. möglichst mit Schadensersatzverpflichtungen versehen) ist, besteht eine Chance, dass D das strafrechtliche Risiko (wegen Teilnahme an einem Verstoß von C) an C weitergeben kann. Zu prüfen wäre dann evtl. noch, ob eine solche Vereinbarung gegen das neue chinesische „Antiboykottrecht“ von Januar 2021 verstoßen könnte – wir meinen: Nein.

Resümee

Mögliche Menschenrechtsverletzungen werden zunehmend zu einem Genehmigungskriterium für den Export. Dies gilt jetzt schon vor allem beim Handel mit Rüstungsgütern (wegen „interner Repression“ nach dem GASP-Standpunkt 2008/944/GASP) und darüber hinaus auch dann, wenn es zur willkürlichen Tötung von Oppositionellen gekommen ist (vgl. Genehmigungsverweigerungen und Rücknahmen wegen Verschärfungen der außenpolitischen Lage Saudi-Arabiens nach dem Khashoggi-Mord). Künftig soll eine solche Genehmigungspflicht (nach Inkrafttreten der novellierten Dual-Use-VO) auch dann bestehen, wenn nicht gelistete Güter der Abhör- und Überwachungstechnik z.T. für eine Verwendung „im Zusammenhang mit interner Repression und/oder Begehung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen“ (Art. 4 a DUV neu) bestimmt sein könnten bzw. wenn in der EU nicht gelistete Güter, die nur national gelistet sind, z.T. für Zwecke verwendet werden könnten, „die wegen öffentlicher Sicherheit – einschließlich der Verhinderung von Terrorismus – oder wegen Menschenrechtserwägungen bedenklich sind“ (Art. 8 a DUV neu; vgl. dazu unseren Beitrag in AW-Prax 5/2021).

Neu ist, dass es wegen Menschenrechtsverletzungen zu einem Bereitstellungsverbot an gelistete Personen kommt. Wenn deutsche Exporteure die unmittelbaren Kunden der von ihnen belieferten Personen nicht kennen und diese nicht genügend Kenntnis von Sanktionslisten haben, sollten die Exporteure über eine vertragliche Weitergabe des allgemeinen und speziellen Sanktionslistenrisikos an ihre Kunden nachdenken. Damit lässt sich im Zweifel eine eventuelle Haftung wegen der Teilnahme an einem Sanktionsverstoß des belieferten Kunden ausschließen. Während die Menschenrechtsklauseln in der novellierten Dual-Use-VO sehr vage bleiben, sind die Kriterien in der EU-VO 2020/1998 klar, da die erfassten Verstöße und Konventionen exakt beschrieben werden. Auf vertraglicher Grundlage sollte dann versucht werden, die Umsetzung dieser EU-VO beim weltweiten Handel anzustreben, um den Anforderungen an die Export-Compliance gerecht zu werden.

Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER und wegen Hinweisen zum Handel mit China vgl. HIER.

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