Die Pandemie wirkt trotz fortgeschrittener Impfungen länger nach. Das liegt auch daran, dass die Impfungen in vielen Teilen der Welt noch am Anfang stehen und bis in das Jahr 2022 hinein andauern werden. Hinzu kommen Verwerfungen im Gefüge des Welthandels, die teilweise auf die Pandemie zurückzuführen sind. Schließlich schlagen sich die Engpässe in der Versorgung mit Halbleitern und Rohstoffen auch in steigenden Preisen nieder, die die Niedrigzinsphase 2022 beenden könnten.
Die wirtschaftliche Krise des Pandemiejahres 2020 ist weitgehend überwunden. Die OECD rechnet in ihrem Zwischenbericht vom September 2021 mit einem realen Wachstum der weltweiten Wirtschaftsleistung von 5,7%. Für 2022 liegt die Wachstumsprognose bei 4,5%. Im vergangenen Jahr war das BIP weltweit um 3,4% gesunken. Insbesondere in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürften sich die durch Impferfolge möglichen Lockerungen, Ersparnisse aus der Zeit der Einschränkungen und hohe staatliche Investitionen in einem weiterhin kräftigen Wirtschaftswachstum niederschlagen.
China und die USA geben Impulse
China konnte 2020 mit einer positiven Wirtschaftsentwicklung glänzen. Das reale BIP stieg um 2,3%. Die OECD rechnet für 2021 trotzdem mit einem hohen Zuwachs von 8,5%. Andere Länder weisen zwar ebenfalls ein kräftiges Wachstum auf. Doch die Vergleichsbasis ist zumeist 2020 deutlich gesunken. So verzeichnete Indien 2020 einen Rückgang des realen BIP um 7,3% und erreicht 2021 mit einem Plus von 9,7% lediglich eine Steigerung der Wirtschaftsleistung um 6,0% gegenüber 2019. Länder wie Brasilien, Russland, Südafrika und Mexiko bleiben 2021 sogar hinter der Wirtschaftsleistung von 2019 zurück.
Die USA erwirtschaften mit einem für 2021 erwarteten Wachstum von 6,0% zwar lediglich 1% mehr als 2019. Doch vor dem Hintergrund von 43,4 Millionen registrierten Covid-19-Infektionen und fast 700.000 Todesfällen in Verbindung mit Covid-19 ist die schnelle Erholung der Wirtschaft überraschend. Präsident Biden plant ein umfangreiches Investitionsprogramm für die Modernisierung der Infrastruktur, die öffentliche Versorgung und soziale Unterstützung. Damit würden die ohnehin starken Nachfrageimpulse der privaten Wirtschaft durch eine stärkere staatliche Nachfrage ergänzt.
Europa zieht verzögert nach
Auch im Euro-Raum dauert die Erholung bis auf das Niveau von 2019 noch etwas länger. Für 2021 rechnet die OECD mit einem Zuwachs des realen BIP von 4,6%. Der Rückgang war im Vorjahr mit -6,5% deutlich höher ausgefallen. Daher soll das Wirtschaftswachstum auch 2022 mit 4,3% anhaltend stark. In Spanien, Italien und Frankreich liegen die Steigerungsraten 2021 über der deutschen. Allerdings war auch der Rückgang 2020 stärker. Großbritannien verzeichnete 2020 einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um 9,8%. Sie dürfte daher 2021 kräftig um 7,0% zulegen. Allerdings bleiben die Auswirkungen des Brexits dramatisch, da nicht nur Warenlieferungen ausbleiben sondern nach der Abwanderung ausländischer Fachkräfte auch die Transportkapazitäten fehlen.
Osteuropa und Naher Osten wenig dynamisch
Russland und Saudi-Arabien wurde 2020 nicht nur von der Pandemie, sondern auch von gesunkenen Rohölpreisen getroffen. Die Wirtschaftsleistung in Russland ging um 3,0% zurück. Für 2021 rechnet die OECD mit einem Plus von 4,4%. In Saudi-Arabien folgt auf einen Rückgang um 4,1% im vergangenen Jahr ein Zuwachs von lediglich 2,4% im Jahr 2021. Allerdings sind die Wachstumsprognosen für 2022 mit 4,8% deutlich positiver. In Russland dürfte die Steigerungsrate dagegen auf 3,1% sinken.
Asien mit gemischten Aussichten
Während China von der OECD im Septemberbericht noch als recht wachstumsstark eingeschätzt wurde, mehren sich aktuell die Hinweise auf einige Risiken seitens des Immobilienmarktes und der Stromversorgung. In Indien ist die starke Infektionswelle vom Frühjahr abgeklungen und die Wirtschaft läuft wieder kräftig. Die OECD erwartet für das Wirtschaftsjahr 2021 (April bis März 2022) einen Zuwachs des realen BIP von 9,5%. Im vergangenen Jahr war es um 7,5% gesunken. In den ASEAN-Staaten Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand und Vietnam folgt auf einen Rückgang um 3,5% im Vorjahr ein Wachstum von 4,3% 2021. Im Jahr 2022 soll die Wachstumsrate auf 6,3% anziehen. Hintergrund für die aktuelle Wachstumsschwäche sind hohe Infektionszahlen in Malaysia und Thailand sowie die Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit in Vietnam.
Lateinamerika erlebt ein Zwischenhoch
Der am stärksten von Corona betroffene Kontinent ist Amerika, wobei Brasilien mit 21,4 Millionen Infektionen an dritter Stelle hinter den USA und Indien liegt. Mexiko weist dagegen weniger Infektionen als Deutschland auf. Doch die Länder Lateinamerikas leiden unter recht hohen Todesfallzahlen und den Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Entsprechend ging die Wirtschaftsleistung Lateinamerikas 2020 um 7,0% zurück und kommt auch 2021 nur auf einen Zuwachs von 5,8%. 2022 soll es nach Einschätzung der OECD wieder auf 3,2%. In Brasilien folgt auf ein Plus von 5,3% im laufenden Jahr ein Zuwachs von nur noch 1,9% 2022. In Mexiko sieht der Verlauf mit 6,3% und 4,2% günstiger aus.
Afrika wartet noch auf Impfungen
Die afrikanischen Rohstoffproduzenten erlebten eine preisliche Berg- und Talfahrt in der Pandemie, die sich auch in der Wirtschaftsentwicklung niederschlug. So sank die Wirtschaftsleistung in Nigeria 2020 um 1,8% und dürfte 2021 um 2,5% steigen. Allerdings müssen diese Zahlen vor dem Hintergrund eines starken Bevölkerungswachstums gesehen werden. Viele Länder sind durch die Pandemie in ihrer Entwicklung um Jahre zurückgeworfen worden. Das weiter industrialisierte Südafrika spürte die Nachfrageschwäche und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens – einschließlich des Tourismus – besonders deutlich. Das reale BIP sank 2020 um 7,0% und soll sich 2021 um 4,0% erhöhen.