Die ganze Welt ist durch die globale Covid-19-Pandemie aus den Fugen geraten, da diese mit einer dreifachen Herausforderung einherging: Einbruch der Nachfrage, Unterbrechung der Produktion sowie Störung von Lieferketten.

Situation in Mitteleuropa

Die Krise traf die Automobilbranche besonders hart, auch wenn es zwischen den einzelnen Ländern beträchtliche Unterschiede gibt. Nach Angaben des Europäischen Automobilherstellerverbands ACEA blieb der Durchschnittsumsatz im Jahr 2020 in Deutschland und der Tschechischen Republik 19% hinter dem Wert von 2019 zurück (der wiederum unter dem Umsatz von 2018 lag). In Polen und der Slowakei war der Rückgang noch stärker ausgeprägt (jeweils 23% und 25%), was zum einen auf den Produktionsstillstand, zum anderen aber auch auf das Einbrechen der Nachfrage aufgrund des ausgesprochen strengen Lockdowns und der Unsicherheit rund um die Entwicklung der Pandemie zurückzuführen ist.

Ein weiterer Sektor, der von den Lockdown-Maßnahmen stark gebeutelt wurde, war der Tourismus. Laut Angaben von Fitch Solutions gingen internationale Touristenankünfte 2020 in Deutschland um 69%, in der Tschechischen Republik um 64% sowie in Polen und der Slowakei um 50% zurück. Zu erklären ist diese Abnahme sowohl durch Grenzschließungen als auch durch Einkommenseinbußen bei größeren Teilen der Bevölkerung. Die Folge waren erhebliche Auswirkungen auf die Einnahmen der in der Branche tätigen Unternehmen. Die Auswirkungen auf makroökonomischem Niveau blieben allerdings geringer, da die Branche nur einen kleinen Anteil an der Gesamtwirtschaft ausmacht: 2,8% des BIP in der Tschechischen Republik, 2,6% in der Slowakei und 1,2% in Polen (OECD-Angaben für 2018, 2017 und 2015).

Ein weiterer stark angeschlagener Bereich war der Transport- und Logistiksektor. 2020 lag der Umsatzrückgang im Luftverkehr in Deutschland bei 45%. Auch die Schifffahrt, die bei der Warenbeförderung aus dem Ruhrgebiet eine wichtige Rolle spielt, musste 2020 in Deutschland einen Rückgang von etwa 17% hinnehmen. Zwar waren die in diesen beiden Bereichen festgestellten Auswirkungen in den drei anderen Ländern weniger massiv, doch der Landverkehr (Schiene und Straße) wurde mit einem Rückgang des realen Umsatzes zwischen 6% und 10% in allen vier Ländern in gleichem Maße beeinträchtigt. Hierbei ist allerdings auf die Unterschiede im Zusammenhang mit den beförderten Produkten hinzuweisen: So befand sich der Handel von Pharma- und IT-Produkten im gesamten Jahr 2020 auf einem stabilen Niveau. Von den positiven Auswirkungen, die der zunehmende Onlinehandel hätte ermöglichen können, scheint der Sektor nicht merklich profitiert zu haben, da dies bei den meisten Unternehmen Veränderungen in der Flotte bzw. im Fuhrpark erfordert hätte.

Letzten Endes ist es die Pharmabranche, die in den vier betrachteten Ländern die stärksten Ergebnisse erzielt hat. Ferner hat die Inlandsproduktion in allen vier Ländern zugenommen, was angesichts der größeren Nachfrage nach Arzneimitteln in einer globalen Gesundheitskrise auf der Hand liegt.

Branchenentwicklung 2021

Während des ersten Quartals von 2021 konnten die meisten Sektoren in allen vier Ländern einen Produktionsanstieg verzeichnen, wobei der Maschinen- und Anlagenbau eine nennenswerte Ausnahme darstellte, der gemäß IHS-Schätzungen in allen vier Ländern weiterhin Produktionsrückgänge hinnehmen musste. Im zweiten Quartal kam es je nach Sektor und Land zu einer Auf- oder Abwärtsbewegung, wodurch insgesamt ein durchwachseneres Bild entstanden ist. Erwartungsgemäß hatte die Automobilbranche in Deutschland, der Tschechischen Republik und Polen einen Produktionsrückgang zu verzeichnen. Ab dem dritten Quartal 2021 sollte sich die Lage allerdings entspannen.

Für das Gesamtjahr 2021 ist angesichts der niedrigen Ergebnisse im Vorjahr mit einem Wachstum zu rechnen. Aufgrund der ausgesprochen niedrigen Ausgangswerte überrascht es nicht, dass die Automobilbranche in Deutschland, der Tschechischen Republik, Polen und der Slowakei 2021 am stärksten zulegen dürfte. Allerdings dürfte es zumindest in der Tschechischen Republik, Polen und der Slowakei mehrere Jahre dauern, bis das Produktionsvolumen sein Vorkrisenniveau erreicht hat. Aktuell bilden Lieferengpässe bei Halbleitern das größte Risiko für die Erholung der Automobilbranche – eine globale Herausforderung, die zu Produktionsverzögerungen, in manchen Ländern sogar zu vorübergehenden Stillständen führt. In Anbetracht der Bedeutung der Autoindustrie für die tschechische, polnische und slowakische Volkswirtschaft ist dies eine besorgniserregende Entwicklung.

In den Bereichen Tourismus, Transport sowie Maschinen- und Anlagenbau dürfte sich die Lage in diesen Ländern deutlich erholen. Allerdings ist das Schicksal der Tourismusbranche in hohem Maße von den Fortschritten des Impfprogramms sowie dem künftigen Pandemiegeschehen abhängig. Alle weiteren Verzögerungen beim EU-Impfprogramm werden unweigerlich zu einer späteren Wiedereröffnung der Wirtschaft führen und damit die Tourismusbranche beeinträchtigen. Angesichts des relativen Erfolgs der Pharmabranche im Jahr 2020 dürfte das Jahreswachstum 2021 niedrig bleiben, unter Umständen sogar negativ ausfallen.

Hauptrisiken

Die Automobilbranche ist unterschiedlichen Risiken ausgesetzt. Als Erstes sind hier die CO2-Emissionsziele zu nennen, die Automobilhersteller in Europa zusätzlich unter Druck setzen und erhebliche Finanzmittel erfordern dürften. Das zweite Risiko – das mit dem obigen im Zusammenhang steht – betrifft das Auslaufen des Verbrennungsmotors und die gestiegenen Verkaufszahlen von elektrischen Fahrzeugen. Diese Entwicklung bringt hohe Investitionen mit sich. Außerdem sind die Produktionsmittelpreise seit Anfang 2021 deutlich gestiegen. Dies gilt bspw. für Stahl, Eisenerz, Kupfer, Kunststoff oder Energie. Unternehmen, die diese Kosten nicht an ihre Kunden weitergeben können, stellt diese Entwicklung vor große Herausforderungen. Nicht zuletzt seien die Lieferengpässe bei Halbleitern erwähnt, die im ersten Halbjahr 2021 ein erhebliches Abwärtsrisiko für die globale Produktion darstellten.

Das Hauptrisiko für die Pharmabranche besteht darin, dass Politiker den Einfluss, den sie während der Krise in zunehmendem Maße auf diesen Sektor genommen haben, auch künftig ausüben möchten, etwa in Bezug auf die Preisgestaltung. Des Weiteren könnten Sparprogramme, die im Nachgang der Krise mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, zu Mittelkürzungen im Gesundheitswesen und in manchen Ländern auch zu Kürzungen bei der Erstattung von Arzneimitteln führen. Auch nationalistische Politik stellt für die Branche eine wachsende Bedrohung dar.

Ein weiterer Faktor, der die kurzfristigen Aussichten trüben könnte, ist das Auftreten der Delta-Variante. Zwar kommt die Impfkampagne in Europa gut voran, doch das Auftreten bestimmter Varianten könnte die Dauer der Pandemie weiter verlängern, die Wirksamkeit der Impfstoffe verringern und damit die Auswirkungen des Virus auf die Wirtschaftstätigkeit verschärfen. Dies würde besonders die Tourismusbranche, die frühestens 2023 wieder ihr Vor-Corona-Niveau erreicht haben dürfte, indirekt aber auch das Gastgewerbe (Hotels, Restaurants etc.) treffen.

Dies könnte dazu führen, dass die wirtschaftliche Erholung womöglich schwächer ausfällt als derzeit prognostiziert, mehr Arbeitsplätze verloren gehen und mehr Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Es ist zu betonen, dass eine große Insolvenzwelle bisher ausgeblieben ist, da Staaten umfangreiche Hilfspakete verabschiedet haben (27,8% des BIP in Deutschland, 5,4% in Polen, 4,4% in der Slowakei und 15,4% in der Tschechischen Republik laut IWF-Schätzungen von April 2021).

 


Autor

Karsten Koch, Country Manager, Credendo und Jolyn Debuysscher, Country and Sector Risk Analyst, CredendoKarsten Koch,
Country Manager,
Credendo

 

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