Die Bekämpfung des Klimawandels ist eines der wichtigsten und meistdiskutierten Themen unserer Zeit. Ein entscheidender Hebel dabei ist die Wirtschaft: Die Industrie muss grün werden. Dazu brauchen die Unternehmen intrinsische Motivation, v.a. aber die nötigen Mittel. Kann die Finanzwirtschaft über nachhaltige Finanzierungsoptionen ausreichend Kapital für grüne Investitionen stellen?

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Die Europäische Union (EU) will bis 2050 klimaneutral sein. Deutschland bereits 2045. Die Politik tut etwas gegen den Klimawandel und nimmt dabei auch die Finanzwirtschaft in die Verantwortung: Im Rahmen des Europäischen Green Deal wurden 2021 über die EU-Taxonomie Umweltstandards und -kriterien für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten festgelegt. Ziel ist erstens, Transparenz zu schaffen: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten sind nachhaltig? Zweitens soll nachhaltige Finanzierung gefördert werden. Drittens will die Taxonomie Greenwashing vorbeugen.

Von 2025 an werden zudem für Unternehmen die Offenlegungspflichten verschärft. Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und/oder einem Nettoumsatz von mehr als 40 Mio EUR und/oder einer Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. EUR müssen nach den Maßgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen – Investoren dürften sich diesen genau ansehen und ihn als wichtige Quelle bei der Bewertung des Unternehmens nutzen. „Durch die CSRD verbessert sich die Informationsbasis signifikant, das ist für die Banken ein immenser Vorteil“, sagt Marcus Thiel, bei der Deutschen Bank für das nachhaltige Kreditgeschäft verantwortlich. „Das Thema Umwelt­risiken ist aus der Kreditbewertung nicht mehr wegzudenken – daran wird die Bonität eines Unternehmens zunehmend gemessen.“

Banken legen Programme auf

Mittelfristig soll Nachhaltigkeit in der Industrie zum obersten Gebot werden – auch über den Zugang zu Kapital: braunes Geschäft, kein Geld. Die Finanzinstitute verschreiben sich dem Nachhaltigkeitsziel. Dafür werden eigene Programme aufgelegt. Deutsche Bank und Europäische Investitionsbank (EIB) bspw. kooperieren bei einem Garantieprogramm, über das Unternehmen bei der Deutschen Bank langfristige Kredite von insgesamt 400 Mio EUR bekommen und eine 50%-Garantie der EIB als werthaltige Sicherheit nutzen können. Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass die geplante Investition den Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie entspricht sowie dem Sustainable-Finance-Rahmenwerk der Deutschen Bank.

Auch Private-Equity-Gesellschaften (PEs) haben die Nachhaltigkeit entdeckt: Ihre Investoren erwarten, dass sie ESG-konform investieren und knüpfen Kapitalzusagen immer öfter an Nachhaltigkeitsvorgaben. Die PEs legen folglich zunehmend Fonds auf, die schwerpunktmäßig in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren. Auch reine Impact-Fonds, die sich ausschließlich an ESG-konformen Firmen beteiligen, werden häufiger. In Deutschland wirbt bspw. BonVenture mit „sozialem Risikokapital“ und „Investitionen, die einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen“.
So weit, so sinnvoll. Was aber ist mit den Unternehmen, die bisher alles andere als „grün“ sind? Im deutschen Mittelstand geht v.a. in energieintensiven Branchen die Sorge um, für die eigene Transformation zum nachhaltigen Geschäft keine Investoren mehr zu finden. Unbestreitbar haben Stahl- und Metallbranche, Automotive, Chemiekonzerne sowie andere energie- und ressourcenintensive Unternehmen unter ESG-Gesichtspunkten hohe Hürden zu überwinden. Und da könnte es für einige eng werden.

Verschiedene Varianten

Die Transformation hin zur Nachhaltigkeit ist für die Finanziers eine Herausforderung. Allerdings: Nachhaltige Finanzierung ist nicht gleich nachhaltige Finanzierung – es existieren verschiedene Spielarten. Die erste Variante sind Kredite für Unternehmen, die bereits als nachhaltig qualifiziert sind. Diese Form der Finanzierung ist für „braune“ Firmen kaum realistisch.

Die zweite Variante sind sog. Sustainability-linked Loans, also an Nachhaltigkeitsziele geknüpfte Kredite. Hierbei wird vorab vertraglich festgehalten, welche Meilensteine auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit der Kreditnehmer zu erreichen hat. Im Erfolgsfall vergünstigt sich die Kreditmarge. Werden die Ziele nicht erreicht, kann sie allerdings über den eingangs vereinbarten Zinssatz steigen. Diese Option steht auch energieintensiven Unternehmen offen. Die Anforderungen sind allerdings hoch: Kreditgeber achten darauf, dass die Nachhaltigkeitsziele äußert ehrgeizig formuliert sind, um Greenwashing vorzubeugen.

Die dritte Spielart sind Finanzierungen mit nachhaltigem Verwendungszweck. Darunter fällt z.B. die oben genannte Partnerschaft der Deutschen Bank mit der EIB. Das bedeutet in der Umsetzung: Die Bank finanziert nicht das Unternehmen, sondern eine konkrete, zweckgebundene nachhaltige Investition im selbigen, die zu mehr Nachhaltigkeit führt. Dafür kann der Kreditgeber einen Finanzierungsvorteil erhalten, den er weitergeben darf.

Kredite für „braune“ Branchen sind schon heute schwieriger zu bekommen und mitunter teurer. Dazu kommt, dass nachhaltige Finanzierungen sich künftig noch stärker durchsetzen und bald das „New Normal“ darstellen werden. Sowohl Politik als auch Finanzwirtschaft haben sich dem Ziel verschrieben, ESG-konforme Indus­trien und Maßnahmen zu unterstützen. Dass es langfristig noch ausreichend braune Finanzierungsoptionen geben wird, ist also nicht zu erwarten. Thiel verdeutlicht: „Es gibt Fälle, in denen die Kreditvergabe den Nachhaltigkeitsvorstellungen von Finanziers widerspricht und scheitern kann.“

Banken finanzieren Transformation

Energie- und ressourcenintensive Branchen haben es also zu einem großen Teil selbst in der Hand. Sie müssen anpacken und aktiv werden. Denn: Wer sich ehrgeizigen Nachhaltigkeitszielen ernsthaft verschreibt, der wird auch künftig finanziert. „Wenn Transformation möglich ist, wird es Banken geben, die bereit sind zu finanzieren“, zeigt sich Thiel zuversichtlich.
Eine Einschränkung aber gibt es und sie hat das Potenzial, die groß angelegten europäischen Bemühungen für den Umbau zur Klimaneutralität zu torpedieren: Die Transformation, die Europa stemmen muss, ist insgesamt so teuer, dass sich eine viel größere Frage stellt: Ist der europäische Kapital- und Bankenmarkt in der Lage, sie zu finanzieren? „Bankenfinanzierung ist ein wichtiger Baustein, aber es braucht für dieses Thema mehr als nur diesen Baustein“, stellt Thiel klar.

Der Anleihe- und Aktienmarkt wird vielen Großunternehmen zum Teil helfen – aber auch dem Mittelstand ausreichend? Private Geldgeber wie Finanzinvestoren und Kreditfonds dürften sich in vielen Fällen schwertun, weil die Transformation gewollt ist, aber nicht immer die große Rendite winkt. Es kann also durchaus dazu kommen, dass „braune“ Branchen zunehmend Schwierigkeiten bekommen, an günstiges Kapital zu kommen. Damit stellt sich automatisch die Frage nach der Rolle des Staates. Garantien durch die EIB in dreistelliger Millionenhöhe sind schön – aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Unternehmen dürften wegen weitaus größerer Summen vorstellig werden.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank. Den dazugehörigen Link finden Sie HIER

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