Das Bundeskabinett verabschiedete Ende Oktober 2022 den Entwurf für ein sog. zweites Sanktionsdurchsetzungsgesetz (SDG II), das anders als noch das SDG I v.a. auf strukturelle Verbesserungen bei der Sanktionsdurchsetzung und Geldwäschebekämpfung in Deutschland abzielt.

Hintergrund der Gesetzgebung zur Durchsetzung von Sanktionen sind v.a. der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine und die in der Folge von der Europäischen Union verabschiedeten Sanktionspakete. Diese umfassen u.a. restriktive Maßnahmen gegen einzelne Personen, Organisationen und Einrichtungen. Die gegen Russland verhängten Sanktionen sollen in Deutschland durch die Sanktionsdurchsetzungsgesetze effektiv vollzogen werden. Deren Anwendungsbereich beschränkt sich jedoch keineswegs auf die gegen Russland ergriffenen Maßnahmen, sondern findet auf sämtliche Sanktionen Anwendung.

Das Bundeskabinett hat am 26. Oktober 2022 den bereits mit dem ersten Sanktionsdurchsetzungsgesetz (SDG I) angekündigten und von den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eingebrachten Entwurf eines zweiten Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (SDG II) verabschiedet. Der Entwurf liegt dem Bundesrat zur Stellungnahme vor, einer Zustimmung des Bundesrates bedarf es laut den zuständigen Ressorts allerdings nicht.

Vorläufer des SDG II

Das am 28. Mai 2022 in Kraft getretene SDG I enthielt noch Maßnahmen, die bis dahin bestehende Regelungslücken kurzfristig schließen sollten, ohne jedoch grundlegende organisatorische Veränderungen der Verwaltung zu erfordern. Das SDG I regelt Befugnisse der zuständigen Behörden für die Ermittlung, Sicherstellung, Verwahrung und Verwertung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen von Personen, die den EU-Sanktionen unterliegen. Diese Befugnisse gehen mit einer Reihe von Informations-, Mitwirkungs- und Auskunftspflichten für Unternehmen einher. Das SDG I dient insb. der Durchsetzung des Einfrierensgebots und des Bereitstellungsverbots. Das Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen verhindert, dass diese für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden; eingefrorene Gelder können nicht bewegt, transferiert oder in sonstiger Weise benutzt werden. Das Bereitstellungsverbot verbietet die Bereitstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen an gelistete Personen, Organisationen und Einrichtungen.

Änderungen von Einzelgesetzen

Das nun verabschiedete SDG II ist ein sog. Artikelgesetz, bei dem verschiedene Gesetze geändert werden müssen: das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), das Geldwäschegesetz (GwG), das Kreditwesengesetz (KWG) und das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Während das SDG I noch überwiegend Ergänzungen dieser Gesetze vorsah, soll durch das SDG II zugleich ein gleichlautendes Sanktionsdurchsetzungsgesetz (SanktDG-E) eingeführt und strukturell ausgegliedert werden, um die Sanktionsdurchsetzung und die Bekämpfung von Geldwäsche in Deutschland zu verbessern.

Bundeszentrale für Sanktionsdurchsetzung: Das SDG II sieht die Schaffung einer Bundeszentralstelle für Sanktionsdurchsetzung vor, um die Ermittlungsbefugnisse auszuüben. Diese sollen zur besseren Durchsetzung von Sanktionen, etwa gegen russische Oligarchen, von den in Deutschland zuständigen Behörden koordiniert werden. Die Bundeszentralstelle für Sanktionsdurchsetzung soll dem Bundesfinanzministerium (BMF) unterstehen und zunächst bei der Generalzolldirektion als bereits bestehender Behörde angesiedelt werden. Später soll sie in eine neu zu errichtende Bundesoberbehörde zur Bekämpfung der Finanzkriminalität überführt werden. Damit tritt die Zentralstelle mit ihrem Aufgabenbereich der Sanktionsumsetzung und -durchsetzung neben das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), die Zollverwaltung und die Deutsche Bundesbank, wobei die Aufgaben und Befugnisse der nach dem AWG zuständigen Behörden unberührt bleiben.

Die bislang in den §§ 9a bis 9d AWG verorteten Befugnisse zur Sicherstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen sollen gemäß Art. 1 SDG II künftig in den §§ 2 ff. SanktDG-E normiert werden. Diese entsprechen zwar im Wesentlichen den §§ 9a bis 9d AWG, sind jedoch nicht deckungsgleich. So soll nach dem Entwurf etwa die Sicherstellung nunmehr bereits im Fall eines „drohenden Verstoßes“ gegen das Bereitstellungsverbot ermöglicht werden.

Sonderbeauftragter: Die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung erhält gemäß § 9 Abs. 1 SanktDG-E die Möglichkeit zur Bestellung eines Sonderbeauftragten zur Überwachung der Einhaltung von Sanktionen, wenn eine juristische Person oder eine Personengesellschaft gegen ein Bereitstellungs- oder ein Verfügungsverbot verstößt oder Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß vorliegen.

Meldepflicht: Die mit dem SDG I eingeführte Meldepflicht des § 23a AWG, der Ausländer und Inländer, deren Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen aufgrund der EU-Sanktionen einer Verfügungsbeschränkung unterliegen, zur unverzüglichen Unterrichtung der Deutschen Bundesbank oder des BAFA verpflichtet, wird durch § 10 SanktDG-E modifiziert und sprachlich an Art. 9 Verordnung (EU) Nr. 269/2014 angeglichen. Meldepflichtig sind danach nur gelistete Personen selbst, nicht länger jedoch Logistikdienstleister. Neu geregelt wird, dass die Meldung künftig gegenüber der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung und nicht mehr gegenüber der Deutschen Bundesbank oder dem BAFA abzugeben sein soll.
Hinweisannahmestelle: Nach dem Vorbild der EU-Hinweisgeberstelle soll gemäß § 15 SanktDG-E bei der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung nach Inkrafttreten des SDG II eine Hinweisannahmestelle eingerichtet werden.

Verwaltungsverfahren zur Ermittlung von Vermögen: Das SanktDG-E sieht die Möglichkeit von Verwaltungsverfahren zur personen- und vermögensbezogenen Ermittlung vor. Hierfür wird ein öffentlich zugängliches Register eingerichtet, das Angaben zu gelisteten Personen und von diesen kontrollierten Vermögenswerten enthält. Bislang ist es schwierig zu ermitteln, welches Vermögen, welche Grundstücke, Häuser oder Jachten etwa einem Oligarchen gehören. Vor allem der Immobilienbereich soll transparenter werden. Daten zu Eigentümern und Grundstücken aus den Grundbüchern sollen mit dem Transparenzregister verknüpft werden, um die Suche nach Besitzern zu erleichtern. In dem Register sollen auch Informationen über solche Vermögenswerte aufgenommen werden, bei denen Zweifel an der Eigentümerstellung bzw. wirtschaftlichen Berechtigung bestehen. Das Register soll zudem auf der Webseite der Zentralstelle öffentlich zugänglich sein.

Transparenzregister:
Für eine erweiterte Transparenz im Immobilienbereich soll ein Transparenzregister mit erweiterter Abfragemöglichkeit der ca. 530 Grundbücher in Deutschland geschaffen und damit die Zeit bis zur Fertigstellung einer gemeinsamen Grundbuchdatenbank der Länder überbrückt werden. Im Entwurf der Bundesregierung nicht mehr enthalten ist eine noch im Referentenentwurf vom 18. Oktober 2022 vorgesehene Bestimmung, die Meldungen zum Transparenzregister durch Notare (statt durch den Beteiligten selbst) bei Gründungs- und Änderungsakten vorsah, die transparenzpflichtige Vereinigungen oder Rechtsgestaltungen betreffen. Allerdings soll die Grundbuchordnung bestimmen, dass in besonderen Fällen die Eintragung in das Grundbuch nur erfolgen soll, wenn ein Notar den Antrag eingereicht hat.

Mitteilungspflicht für Bestandsimmobilien: Ausländische Gesellschaften, die im Inland Immobilieneigentum unmittelbar oder über Anteilserwerbe (sog. Share Deals) neu erwerben, sind bereits nach den bestehenden Regelungen gegenüber dem Transparenzregister mitteilungspflichtig. Diese Mitteilungspflicht soll künftig auf das Halten von Bestands-immobilien ausgeweitet werden. Entsprechende Mitteilungen müssen nach dem Gesetzesentwurf bis zum 31. Dezember 2023 erfolgen.

Barzahlungsverbot bei Immobilientransaktionen: Mit § 16 a GwG-E sollen Barzahlungen beim Erwerb von Immobilien ausgeschlossen werden. Danach kann eine geschuldete Gegenleistung beim Erwerb von Immobilien nur durch andere Mittel als Bargeld, Kryptowerte oder Rohstoffe bewirkt werden.

Fiktiver Wirtschaftsbeteiligter:
Ferner soll das SDG II mehr Transparenz bei der Figur des fiktiven wirtschaftlich Berechtigten nach § 3 Abs. 2 S. 5 GwG schaffen. Kann nach einer umfassenden Prüfung kein wirtschaftlich Berechtigter ermittelt werden oder bestehen Zweifel daran, dass es sich bei der ermittelten Person tatsächlich um den wirtschaftlich Berechtigten handelt, und liegen keine Tatsachen vor, die eine Meldepflicht auslösen würden, gelten nach dem GwG per Fiktion entweder der gesetzliche Vertreter, der geschäftsführende Gesellschafter oder der Partner des Vertragspartners als wirtschaftlich Berechtigter (sog. fiktiver wirtschaftlich Berechtigter).

Gemäß dem GwG-E sollen mitteilungspflichtige Rechtseinheiten künftig begründen müssen, warum sie von dieser Figur Gebrauch machen. Daher ist nach dem Entwurf zwingend anzugeben, dass entweder keine natürliche Person die Voraussetzungen eines wirtschaftlich Berechtigten erfüllt (z.B. Steuereigentum) oder dass der wirtschaftlich Berechtigte nicht ermittelbar ist (§ 19 Abs. 3 GwG-E). Damit sollen v.a. Umgehungen verhindert werden.

Eigentums- und Kontrollstrukturübersichten:
Mit dem SDG II sollen die Eigentums- und Kontrollstrukturübersichten, die das Transparenzregister im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung einer Unstimmigkeitsmeldung erstellt, für Behörden und Verpflichtete nutzbar gemacht werden. Eine Unstimmigkeit liegt etwa vor, wenn der Erstatter der Unstimmigkeitsmeldung eigene Erkenntnisse zu den wirtschaftlich Berechtigten hat und diese von den im Transparenzregister erfassten Angaben abweichen.

VN-Listungen gelten unmittelbar

Eine weitere geplante Änderung (§ 5a AWG) kann für die Praxis durchaus weitreichende Folgen haben. Denn um zeitliche Lücken bei der Umsetzung von Neulistungen durch die Vereinten Nationen (VN) zu vermeiden, soll mit dem SDG II eine Listung auf VN-Ebene im Inland automatisch (vorläufig) für anwendbar erklärt werden. Das bedeutet, dass die Listung einer Person, Organisation oder Einrichtung (und damit insb. das Einfrierensgebot und das Bereitstellungsverbot) nicht erst mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU oder der Veröffentlichung einer Allgemeinverfügung unmittelbar zu beachten ist, sondern bereits mit der Listung durch die VN.

Der Gesetzesentwurf stellt insoweit auf die Veröffentlichung der Aufnahme in die Sanktionsliste durch eine im Internet abrufbare Pressemitteilung des VN-Sicherheitsrates ab. Ab dieser Veröffentlichung sind dann mithin Verfügungen über Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum, im Besitz oder unter der Kontrolle der gelisteten Person stehen, ebenso untersagt wie die Bereitstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen an die Person.

Andere Sanktionsmaßnahmen wie breiter angelegte sektorspezifische Beschränkungen würden von dieser vorläufigen Umsetzungsregelung nicht erfasst. Da insb. die vorläufige nationale Umsetzung regelmäßig am nächsten Werktag nach Veröffentlichung durch den VN-Sicherheitsrat erfolgt, soll – auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten – die Wirksamkeit der gesetzlichen Umsetzung auf längstens fünf Tage befristet werden.

Fiktion der Unzuverlässigkeit

Mit den Ergänzungen in den einzelnen Finanzaufsichtsgesetzen soll in allen Finanzaufsichtsbereichen für natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften, die selbst in einer EU-Sanktionsliste aufgeführt sind, künftig eine unwiderlegliche Fiktion der Unzuverlässigkeit greifen. Für Personen, die für sanktionierte natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften tätig sind oder deren Interessen wahrnehmen, soll hingegen nur eine Regelfiktion der Unzuverlässigkeit gelten, die die Widerlegung der Regelfiktion in besonders gelagerten Fällen ermöglicht. Mit diesen Regelungen soll es der Aufsichtsbehörde ermöglicht werden, Verstößen gegen und Umgehungen von EU-Sanktionen durch beaufsichtigte Unternehmen effektiv entgegenzutreten.

Ausblick

Bislang handelt es sich bei dem Entwurf für das SDG II lediglich um einen vom Kabinett verabschiedeten Regierungsentwurf, dessen Regelungen teilweise Kritik begegnen, da z.B. die mit einer Strafandrohung versehene Selbstauskunft bei natürlichen Personen (§ 16 SanktDG-E) einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit darstellen könnte. Insofern kann es im weiteren Gesetzgebungsprozess noch zu Änderungen kommen.

Über das SDG II hinaus sind laut dem BMF und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz weitere Maßnahmen in Planung. Dazu gehören die Verknüpfung des Registers zum Vermögen sanktionierter Personen mit anderen Registern sowie die Einführung einer neu aufzubauenden Immobilientransaktionsdatenbank. In Letzterer sollen Angaben aus notariellen Beurkundungen zu Immobilientransaktionen gespeichert werden, die den zuständigen Behörden im Bereich der Sanktionsdurchsetzung sowie den Stellen für die Kriminalitäts‐ und insb. Geldwäschebekämpfung einen volldigitalen Zugriff auf aktuelle Daten ermöglichen sollen.

m.niestedt@gvw.com

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