Die Corona-Krise setzt dem Subkontinent stark zu. Obwohl die gesundheitliche Lage vor Ort prekär ist, müssen Unternehmen vor Ort weitermachen – und sich mit neuen Gesetzen befassen. Vor allem der Verpackungsindustrie stehen Änderungen bevor.

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In der Spitze mehr als 400.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden, überfüllte Krankenhäuser, eine noch ansteckendere Mutante: Das Coronavirus hat Indien erneut fest im Griff. Der Subkontinent befindet sich wieder im Lockdown – so wie schon im vergangenen Jahr. Damals reagierte Indiens Regierung zügig und beherzt. Sie fuhr Wirtschaft und gesellschaftliches Leben weitgehend herunter, beschloss einen der restriktivsten Lockdowns weltweit – und schaffte (zunächst) die Trendwende.

Dabei nahm sie in Kauf, dass das Wirtschaftswachstum auf einen historischen Tiefstand fiel. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte von April bis Juni 2020 um fast ein Viertel. Dann sollte es wieder aufwärtsgehen: Noch im Frühjahr 2021 prognostizierte die Regierung für 2021 eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von 10% bis 12%. Die Ratingagentur Moody’s rechnete sogar mit 14%. Für die Wirtschaft gab es kaum noch Auflagen: Die Unternehmen produzierten wieder, die Menschen kauften wieder ein.

Corona und Plastikverbot belasten Verpackungsindustrie

Dann kam die dritte Corona-Welle. Während Tausende Menschen um ihr Leben kämpfen, muss das wirtschaftliche Leben indes weitergehen. Die Verpackungsindustrie bspw. überarbeitet gerade auf Hochtouren ihre Abläufe und Produkte. Ab 2022 darf in Indien nämlich kein Einwegplastik mehr verkauft werden. Das hat die Regierung im Oktober 2019 per Gesetz festgelegt. Strohhalme gibt es vielerorts bereits aus Papier, Besteck aus Weichholz. Plastikeinkaufstüten werden stabiler, sodass Supermarktkunden sie auch mehrfach benutzen können.

Was sich nach vergleichsweise einfachen Lösungen anhört, stellt zahlreiche Unternehmen vor Herausforderungen: Sie müssen nicht nur ihre Lieferketten und Herstellungsprozesse überdenken, auch die Kosten steigen, etwa für Material. Plastiktüten bspw. müssen ab Oktober mehr als doppelt so dick sein wie bisher – 120 statt 50 Mikrometer. Indiens Regierung verbietet nicht nur die Herstellung von Einwegplastik, sondern alles, was damit zusammenhängt – von der Nutzung über den Verkauf bis hin zum Import und zur Abwicklung. Um die einschneidenden Veränderungen abzumildern, tritt das Verbot stufenweise in Kraft: Seit Januar sind Einwegprodukte wie Tüten, Strohhalme, Besteck und Flaschen verboten, in der zweiten Phase geht es an die Industrieverpackungen. So haben Indiens Unternehmen Zeit, sich umzustellen.

Lockdown erhöht Verpackungsbedarf

Die Branche profitiert indes davon, dass sie auch während des Lockdowns weiter produzieren darf. Und nicht nur das: Die Nachfrage nach ihren Produkten steigt sogar. Denn die Menschen gehen seltener auswärts essen, nehmen Speisen und Getränke nun häufiger mit nach Hause. Auch der E-Commerce boomt. Noch verbraucht Indien im weltweiten Vergleich zwar relativ wenig Kunststoff. Mit 13,6 kg pro Kopf liegt der Subkontinent weit unter dem weltweiten Durchschnitt von etwa 30 kg, hat der indische Industrie- und Handelsverband FICCI errechnet.

Doch: Je stärker die Wirtschaft wächst, desto stärker steigt auch der jährliche Kunststoffverbrauch, sind sich FICCI-Experten sicher. Momentan entfallen laut Verband fast 59% des gesamten Kunststoffverbrauchs in Indien auf Verpackungen, davon der Großteil auf flexible Materialien wie Folien. Das macht rund 10 Mio t Kunststoffverpackungen pro Jahr.

Hermesdeckung macht viele Geschäfte erst möglich

Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) arbeitet seit Jahrzehnten eng mit Unternehmen der Verpackungsindustrie zusammen. Seit 2010 finanziert sie auch den Export von Maschinen für die Verpackungsmittelindustrie in Indien und unterstützt Unternehmen der Branche jetzt, ihre Investitionspläne an die neuen Richtlinien anzupassen.

Vor allem in den vergangenen zwölf Monaten hat die Bank eine Schlüsselrolle in der Finanzierung von Exportvorhaben deutscher Maschinenbauer gespielt: Da die Verpackungsnachfrage in Indien so stark angezogen hat, sind auch die Auftragsbücher der deutschen Hersteller gut gefüllt. Wer aktuell eine Maschine bestellt, muss 12 bis 24 Monate darauf warten. Die Maschinenbauer investieren deshalb nicht nur in neue Technologien, um ihre Maschinen für die neuen umwelttechnischen Anforderungen fit zu machen, sondern sie erhöhen auch ihre Kapazitäten.

Vor allem staatliche Exportversicherer (Export Credit Agencies/ECAs) spielen dabei eine besondere Rolle: Die meisten Geschäfte in Indien werden mit ECA-Deckungen abgesichert. In Deutschland unterstützt der Bund Auslandsgeschäfte hiesiger Exporteure, indem er politische und wirtschaftliche Risiken in Ländern übernimmt, für die es keine oder nur unzureichende Absicherungsmöglichen der privaten Versicherungswirtschaft gibt. Als Mandatar des Bundes übernimmt die Euler Hermes Aktiengesellschaft die Abwicklung der Hermesdeckungen, die sich also vor allem auf Entwicklungs- und Schwellenländer konzentrieren. Die Bundesrepublik Deutschland übernimmt das Risiko eines Zahlungsausfalls und hilft Exporteuren so dabei, schwer zugängliche Märkte zu erschließen und Geschäftsbeziehungen auch in herausfordernden Zeiten aufrechtzuerhalten.

Eine ECA-gedeckte Finanzierung kann sogar das Zünglein an der Waage sein, damit ein Exportgeschäft überhaupt zustande kommt. Sie deckt vergleichsweise lange Laufzeiten ab, unter Umständen bis zu zehn Jahre (zzgl. in der Regel zwei Jahre Vorlauf), und kann deshalb auch besonders risikoreiche Geschäfte darstellen. Akkreditive hingegen, auch Letters of Credit genannt, sind zwar ebenfalls als Absicherung beliebt, dürfen in Indien aber nur Geschäfte für maximal drei Jahre absichern und finanzieren. Gerade für den Kauf und die Finanzierung von langfristigen Investitionsgütern in der Verpackungsmittelindustrie reicht so ein Zeitfenster oft nicht aus.

Eine Deckung durch den deutschen Exportversicherer Euler Hermes kann auch hohe Auftragswerte absichern. Ein indischer Hersteller von Folien für die Verpackung von Lebensmitteln bspw. investiert aktuell 30 Mio EUR auf dem Subkontinent – davon entfallen 20 Mio EUR allein auf Maschinen aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Die Prämie für die Hermesdeckung richtet sich nach der Höhe des Auftragsvolumens und dem Risiko des Geschäfts. Letzteres setzt sich u.a. zusammen aus der Laufzeit und dem Länder- bzw. Käuferrisiko. Um das Risiko einzelner Länder darzustellen, stuft Euler Hermes sie in Kategorien ein: 1 bedeutet geringstes Risiko, 7 höchstes. Indien fällt unter die Länderkategorie 3. Das Käuferrisiko zeigt an, wie wahrscheinlich es ist, dass der Käufer nicht zahlt. Berücksichtigt werden dabei auch die gestellten Sicherheiten und die Deckungsquote, die üblicherweise bei 95% liegt.

Unterstützung vor Ort

Die LBBW betreibt seit mehr als 25 Jahren eine Niederlassung in Singapur, von der aus sie die gesamte Region Asien/Pazifik betreut. Die Experten dort und aus Deutschland unterstützen Exporteure aus dem deutschsprachigen Raum beim Markteintritt und stehen diesen mit Finanzierungslösungen und Marktkenntnis zur Seite. Um optimale Marktexpertise zu bieten, deckt die LBBW-Repräsentanz in Mumbai seit Ende 1999 mit mittlerweile vier Mitarbeiten zudem den kompletten indischen Markt ab – von Neu-Delhi über Mumbai und Pune bis nach Bangalore und Kolkata. Gerade in herausfordernden Zeiten ist ein verlässlicher Partner mit Marktexpertise unverzichtbar.

frank.schmitz@lbbw.de

sandeep.babbar@lbbwin.com

www.lbbw.com

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