Auf die deutschen Exporteure kommen mit der Neufassung der EU-Dual-Use-Verordnung neue Prüfungen zu. Torsten Safarik, Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nimmt im Interview Stellung zu den aktuellen Entwicklungen in der Exportkontrolle.

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Mit dem Schutz der Menschenrechte in der EU-Dual-Use-Verordnung und dem Sorgfaltspflichtengesetz kommen auf das BAFA neue Prüfkriterien zu. Wie verändert die Zunahme eher weicher, politischer Kriterien die Herangehensweise Ihres Hauses an den Außenhandel der deutschen Unternehmen?

Torsten Safarik: Bereits seit dem Inkrafttreten der EG-Dual-Use-Verordnung im Jahr 2000 ist der Schutz der Menschenrechte ein zentrales Anliegen der Exportkontrolle. Dieses Anliegen ist zudem im Gemeinsamen Standpunkt der EU zur Ausfuhr von Rüstungsgütern aus dem Jahr 2008 verankert, dessen Ablehnungskriterien auch bei der Bewertung von Ausfuhren von Dual-Use-Gütern heranzuziehen sind. In der Tat ist mit Art. 5 der neuen Verordnung der Schutz der Menschenrechte noch deutlicher in den Fokus der Exportkontrolle gerückt. Erstmals wurde eine unionsweite verwendungsbezogene Kontrolle für den eingeschränkten Güterkreis der nicht gelisteten Güter für digitale Überwachung eingeführt. Eine Genehmigung wird verweigert, wenn bekannt ist, dass diese Güter zur internen Repression sowie für schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht eingesetzt werden sollen. Diese europäische Regelung greift damit einen deutschen Kontrollansatz auf. In Deutschland gab es für einzelne Güter zur digitalen Überwachung schon vor der neuen EU-Dual-Use-Verordnung restriktive nationale Genehmigungspflichten.

Verwendungsbezogene Kontrollen sind in der Exportkontrolle nicht neu, dennoch beinhaltet die Vorschrift von Art. 5 der neuen Verordnung viele Rechtsbegriffe, die ausgelegt werden müssen. Das bedeutet natürlich ein gesteigertes Informationsbedürfnis der Industrie. Um hier für Klarheit zu sorgen, hat das BAFA bspw. neben zahlreichen Informationsveranstaltungen auch ein eigens für die Anwendung von Art. 5 erstelltes Merkblatt veröffentlicht, das die ausführenden Unternehmen bei der Auslegung und Anwendung der Vorschrift unterstützt. Hier ist eine Parallele zum Lieferkettensorgfaltspflichtengsetz (LkSG) zu sehen, das durch mein Haus ab dem 1. Januar 2023 umgesetzt wird. Wie auch bei der Exportkontrolle werden wir mittels Informationen, Handreichungen und Austausch mit den betreffenden Unternehmen Rechtssicherheit schaffen. Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit: Effektive Exportkontrolle und wirksamer Schutz von globalen Menschenrechten funktionieren nur, wenn Politik, Unternehmen und Verwaltung die Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung wahrnehmen.

Neufassung EU-Dual-Use-Verordnung

Die Neufassung der EU-Dual-Use-Verordnung sieht in Art. 5 Genehmigungspflichten für den Export von „Gütern für die digitale Überwachung“ vor. Die Regelung stellt besonders auf die Bestimmung und Verwendung der Güter ab. Entwickelt sich die Exportkontrolle selbst zu einem Instrument der Kontrolle bis hin zum Endverwender?

Die Bewertung des Endverwenders und der im Einzelfall beabsichtigten Endverwendung waren schon immer unverzichtbare Kernelemente der Exportkontrolle. Diese für jeden individuellen Ausfuhrvorgang entscheidenden Kriterien wurden bspw. bereits im Gemeinsamen Standpunkt der EU zur Ausfuhr von Rüstungsgütern aus dem Jahr 2008 vereinbart. Wesentliche Kriterien bei der Entscheidung über die einzelnen Ausfuhranträge sind zudem die internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die Wahrung ihrer Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen sowie die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland.

Auch die exportierenden Unternehmen sind hier in der Pflicht. Um im Einklang mit den internationalen und nationalen exportkontrollrechtlichen Regularien handeln zu können, müssen die Unternehmen als Teil ihrer innerbetrieblichen Compliance-Pflichten die transaktionsbezogenen Risiken untersuchen. Dazu gehört auch die Überprüfung der Endverwender und der geplanten Endverwendung. Der neue Art. 5 fokussiert diesen Prüfansatz explizit auf bestimmte Güter der digitalen Überwachung. Den Unternehmen wird verdeutlicht, dass sie die Menschenrechtslage im Bestimmungsland und die Haltung des Endverwenders hierzu berücksichtigen müssen. Dies erfolgt im Zusammenspiel mit der nun erstmaligen Definition eines „Internen Kontrollprogramms“ in Art. 2 der neuen Verordnung. Das Grundprinzip, dass Ausführer die Sensitivität ihrer Güter und ihren Endverwender zu kennen haben, bestand jedoch bereits vorher.

Verbandsklage in der Exportkontrolle

Die neue Bundesregierung könnte die Möglichkeit einer Verbandsklage als neue Komponente der Exportkontrolle auf den Weg bringen. Welche Rolle würde das BAFA dabei spielen? Wie sollten sich exportierende Unternehmen auf diese Entwicklung einstellen?

Nach den bislang vorliegenden Vorschlägen und der Ausgestaltung der Verbandsklage des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, das zum Teil manchen Forderungen als Vorbild für eine Verbandsklage in der Exportkontrolle zu dienen scheint, würde das BAFA Beklagte sein. Käme also die Verbandsklage in dieser Form, würde sich die Klage gegen das BAFA richten.

Das exportierende Unternehmen, dem die Genehmigung erteilt worden wäre, wäre an dem Klageverfahren zu beteiligen. Im Vergleich zum herkömmlichen Zwei-Beteiligten-Prozess würde dies aller Voraussicht nach die Verfahren wesentlich komplexer und zeitaufwendiger machen. Daher würde die Einführung einer Verbandsklage für das BAFA und die betroffenen Unternehmen zu einem deutlichen Mehraufwand führen. Ein Unternehmen könnte dennoch nicht sicher sein, ob und wann die bereits erteilte Genehmigung genutzt werden kann. Es wäre bedauerlich, wenn die Anstrengungen des BAFA zur Optimierung der Antragsverfahren durch zeit- und ressourcenbindende Klageverfahren konterkariert würden, ohne ein höheres Kontrollniveau zu erreichen. Letztlich arbeiten die Gerichte als Teil der Judikative wie auch das BAFA als Teil der Exekutive auf Basis vergleichbarer Rechtsgrundlagen und die höchstrichterlich bestätigte Einschätzungsprärogative der Bundesregierung bliebe auch im Rahmen einer Verbandsklage unbeeinträchtigt.

Transatlantischer Austausch

Der U.S.-EU Trade and Technology Council (TCC) trat Ende September 2021 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Ziel ist u.a., „to coordinate approaches to key global technology“. Die USA setzen in der Exportkontrolle auf die Einschränkung des Transfers sensibler Technologie. Welche Rolle spielt diese Position in der aktuellen Diskussion über die EU-Exportkontrolle?

Mit dem TTC wurde ein neues Forum für den transatlantischen Austausch geschaffen. Eine der zehn Arbeitsgruppen des TTC wird sich auf die Exportkontrolle konzentrieren und eröffnet so die Möglichkeit, dass sich die amerikanischen und die europäischen Exportkontrollsysteme weiter annähern. Die Arbeitsgruppe wird sich u.a. über die technischen Bewertungskriterien sensibler Technologien austauschen und sich hierbei auf die Herausforderungen für die Exportkontrolle fokussieren.

Die EU kann hierbei auf dem langjährigen Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und den Beratungen in den internationalen Exportkontrollregimen aufbauen, denn die Abschöpfung sensibler Technologien zu verhindern ist bereits seit Längerem ein wesentliches Ziel europäischer Exportkontrollpolitik. In Expertengruppen tauschen sich die Mitgliedstaaten – auch unter Beteiligung des BAFA – über den technologischen Fortschritt und die Entwicklung neuartiger, potenziell sensibler Technologien aus. Hier geht es darum, wie wir diesen Technologien aus der Perspektive der Exportkontrolle begegnen. Für das BAFA heißt das: Wie implementieren wir die erforderlichen Kontrollen und berücksichtigen gleichzeitig die Interessen der exportierenden Wirtschaft? Hier gibt es bereits bestehende Verfahrenserleichterungen in Form von nationalen Allgemeinen Ausfuhrgenehmigungen. Auf europäischer Ebene wurde für den Software- und Technologietransfer im Konzernverbund die Allgemeine Ausfuhrgenehmigung EU007 eingeführt. Die Balance zwischen den berechtigten Interessen der Unternehmen und den wichtigen Zielen der Exportkontrolle beizubehalten ist auch im Rahmen des TTC ein Leitmotiv. Dabei ist es notwendig, dass die betroffenen Unternehmen die Ergebnisse akzeptieren, was nicht außer Acht gelassen werden darf.

Klimaschutz in der Exportkontrolle

Und abschließend eine Frage mit Blick auf den Klimagipfel in Glasgow: Sollten Klimaschutzaspekte mehr Berücksichtigung finden in der Exportkontrolle, etwa bei der Ausfuhr von Komponenten zum Bau von Kohlekraftwerken?

Maßgebliches Ziel der Exportkontrolle ist, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und die unkontrollierte Anhäufung und Verbreitung konventioneller Rüstungsgüter zu verhindern. Selbstverständlich handelt es sich beim Klimaschutz um ein außerordentlich schutzwürdiges Ziel. Ich bin jedoch skeptisch, ob die außen- und sicherheitspolitischen Ziele des Außenwirtschaftsgesetzes auf den Klimaschutz anwendbar sind. Wollte man in diesem Rahmen die Belieferung von Kohlekraftwerken vergleichbar reglementieren, müsste man diese gesetzlichen Grundlagen anpassen, jedoch nicht nur auf nationaler Basis, sondern wegen der weltweiten Bedeutung des Klimaschutzes zumindest auch auf EU-Ebene. Da die Instrumente des Klimaschutzes vielfältig sind und auch die Exportkontrolle ihre eigenen Regelungsziele verfolgt, erscheint mir eine Vermischung nicht frei von Herausforderungen.

Erfreulicherweise ist es doch inzwischen Konsens, dass die Zeit der fossilen Energieträger sich dem Ende neigt. Wir beobachten, dass die Unternehmen ihr Produktportfolio auf Nachhaltigkeit ausrichten und viele Staaten, die von Einnahmen aus Öl und Gas abhängig sind, ihr Wirtschaftsmodell anpassen wollen. Diese Anstrengungen sollten wir konstruktiv begleiten.

Eine gewisse, wenn auch zurzeit noch sehr mittelbare Verknüpfung von Exportkontrolle und Klimaschutz kann aber aus den Überlegungen zu den Kriterien „Environmental – Social – Governance“ (ESG) abgeleitet werden. Der ESG-Ansatz scheint sich in der Finanzbranche zur Abgrenzung nachhaltiger Geldanlagen als Standard zu entwickeln. Er dient den Anlegern als Vergleich, um entscheiden zu können, wie nachhaltig ein Unternehmen agiert. Es ist nicht auszuschließen, dass bei der Erstellung von Investmentportfolios die ESG-Kriterien und Nachhaltigkeitskriterien allgemein – gerade vor dem Hintergrund der Offenlegungsverordnung – einen immer höheren Stellenwert einnehmen werden. Ihnen könnte die Funktion eines „Negativen Screenings“ zukommen. In Deutschland zählen zu den am häufigsten genannten Ausschlusskriterien u.a. die Produktion und der Handel von Waffen.

Herr Safarik, vielen Dank für das Gespräch.

poststelle@bafa.bund.de

www.bafa.de

Das Interview führten Tim Goldau und Gunther Schilling. Es erschien anlässlich des Informationstages Exportkontrolle des BAFA am 30.11.2021 in den „Nachrichten für Außenhandel“.

Hinweis: Marian Niestedt stellte die Merkblätter des BAFA in der September-Ausgabe vor. Dr. Harald Hohmann widmete sich in der Oktober-Ausgabe der Neufassung der EU-Dual-Use-Verordnung.

 

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