Anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffs auf die Ukraine haben die EU-Mitgliedstaaten weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen, die am 26. Februar 2023 in Kraft getreten sind. In diesem Beitrag wird geschildert, was das im Detail bedeutet.
Neben der Erweiterung und Verschärfung der bereits bestehenden Beschränkungen lag ein weiterer Schwerpunkt des zehnten Sanktionspakets darin, Sanktionsumgehungen zu verhindern und zu bekämpfen. Es besteht aus folgenden Verordnungen:
• Verordnung (EU) 2023/427 (VO 2023/427) zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 (VO 833/2014), durch die die güter- und dienstleistungsbezogenen Beschränkungen gegen Russland erweitert wurden
• Verordnung (EU) 2023/426 (VO 2023/426) zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 (VO 269/2014)
• Durchführungsverordnung (EU) 2023/429 (DVO 2023/429), mit der der Anhang I zur VO 269/2014 (Sanktionsliste) um weitere Personen, Organisationen und Einrichtungen (POE) erweitert wurde
Änderung der VO 833/2014
Zusätzliche güterbezogene Verkaufs-, Lieferungs-, Verbringungs- und Ausfuhrverbote: Im Zuge des zehnten Sanktionspakets wurden die Listen der Güter, deren Verkauf, Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr an natürliche oder juristische POE in Russland oder die zur Verwendung in Russland verboten sind, durch VO 2023/427 um zusätzliche Güter erweitert.
So wurde die Position X.C.IX.012 („Seltenerdmetalle und anorganische oder organische Verbindungen von Seltenerdmetallen“) neu in Anhang VII, Teil A eingefügt und Anhang VII, Teil B um zusätzliche KN-Codes in Bezug auf elektronische integrierte Schaltungen (KN-Code 8537 10), Fotoapparate (KN-Codes 8525 89, 9013 80 und 9025 19) und sonstige elektronische/magnetische Bauteile (KN-Codes 8529 10 und 8532 21) erweitert. Wie auch bereits bei früheren Erweiterungen von Anhang VII ist für diese neu gelisteten Güter keine neue Altvertragsregelung vorgesehen, sodass mit Inkrafttreten der VO 2023/427 zum 26. Februar 2023 Verkauf/Ausfuhr dieser Güter sowie die Erbringung darauf bezogener Dienstleistungen nach Art. 2a Abs. 1 und 2 aus VO 833/2014 unmittelbar verboten wurden.
Darüber hinaus wurde die Liste der POE in Anhang IV der VO 833/2014, bei deren Beteiligung an einer Transaktion gem. Art. 2/2a Abs. 7 VO 833/2014 grundsätzlich keine Genehmigung nach Art. 2/2a Abs. 4 VO 833/2014 für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern aus Anhang I der Dual-Use-Verordnung (EU) 2021/821 und Advanced Technologies aus Anhang VII der VO 833/2014 erteilt werden darf, um eine Vielzahl weiterer POE erweitert.
Daneben hat die EU auch die Liste der Industriegüter gem. Anhang XXIII, deren Verkauf/Ausfuhr an POE in Russland oder zur Verwendung in Russland nach Art. 3k Abs. 1 VO 833/2014 verboten ist, durch Einfügen eines neuen Teils C in Anhang XXIII um mehr als 200 Positionen erweitert. Zusätzlich gelistet wurden u.a.:
• diverse Flacherzeugnisse aus Eisen und Stahl aus Kap. 72 KN
• Güter, die dem russischen Militär leicht zugeleitet werden können, wie z.B. Stromerzeugungsaggregate (verschiedene Unterpositionen des KN-Codes 8502), Ferngläser (KN-Code 9005), Radargeräte (8526 10), Kompasse (9014)
• schwere Lastkraftwagen (KN-Code 8704 23)
• Güter für den Bausektor, wie z.B. Brückenteile (KN-Codes 7308 und 7610), Gabelstapler (KN-Code 8427), Krane (KN-Codes 8426 91) und Planiermaschinen (KN-Code 8429 11)
• Güter, die für die Verbesserung der russischen Fertigungskapazität und das Funktionieren der Industrie von entscheidender Bedeutung sind, wie z.B. elektronische Bauteile (verschiedene Unterpositionen der KN-Codes 8544, 8545 und 8547), Maschinenteile (KN-Codes 8486 und 8487), Pumpen (verschiedene Unterpositionen des KN-Codes 8413) sowie Geräte für die Metallbearbeitung (KN-Codes 8458 und verschiedene Unterpositionen des KN-Codes 8459)
• komplette Industrieanlagen aus Kap. 98 der KN
Für diese neu gelisteten Güter wurde in Art. 3k VO 833/2014 eine neue Altvertragsregelung eingefügt, die die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 26. Februar 2023 abgeschlossen wurden, bis zum 27. März 2023 erlaubte (Art. 3k Abs. 3c).
Ferner wurde die Liste der in Anhang XI aufgeführten Güter der Luft- oder Raumfahrtindustrie, deren Verkauf/Ausfuhr nach Russland gem. Art. 3c Abs. 1 VO 833/2014 verboten ist, um einen Teil D erweitert, der verschiedene Triebwerke des KN-Codes 8411 listet; parallel hierzu hat die EU in Art. 3c Abs. 5c VO 833/2014 eine neue Altvertragsregelung für derartige Güter eingefügt, die die Erfüllung von vor dem 26. Februar 2023 geschlossenen Verträgen bis zum 27. März 2023 gestattete.
Zusätzliche güterbezogene Kauf-, Einfuhr- und Verbringungsverbote: Neben den oben dargestellten ausfuhrseitigen güter- und dienstleistungsbezogenen Beschränkungen wurden durch die VO 2023/427 auch die einfuhrseitigen Beschränkungen erweitert. So hat die EU einen neuen Teil C in Anhang XXI der VO 833/2014 eingefügt – mit der Folge, dass Kauf/Einfuhr dieser Güter, durch die Russland erhebliche Einnahmen hat, sowie die Erbringung darauf bezogener Dienstleistungen gem. Art. 3i Abs. 1 und 2 VO 833/2014 untersagt sind.
Teil C von Anhang XXI listet sechs zusätzliche KN-Codes aus Kap. 27 (Vaselin, Parafin, Bitumen, Asphalt), Kohlenstoff des KN-Codes 2803 und synthetischen Kautschuk des KN-Codes 4402. Für die neu gelisteten Güter aus Kap. 27 wurde mit Art. 3i Abs. 3d VO 833/2014 eine neue Altvertragsregelung geschaffen, die die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 26. Februar 2023 geschlossen wurden, bis zum 27. Mai 2023 erlaubte. Für die neu gelisteten Güter der KN-Codes 2803 und 4402 sind demgegenüber gem. Art. 3i Abs. 3da VO 833/2014 bis zum 30. Juni 2024 befristete Einfuhrkontingente vorgesehen.
Durch den neu eingefügten Art. 12e VO 833/2014 wird darüber hinaus erstmals gesetzlich geregelt, wann eine Einfuhr vorliegen soll. So stellt Art. 12a Abs. 1 VO 833/2014 klar, dass Gegenstände, die sich physisch in der EU befinden und bereits vor dem Inkrafttreten bzw. vor dem Geltungsbeginn eines Einfuhrverbots gestellt wurden, die aber noch nicht in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind (weil sie zunächst in ein besonderes Verfahren i.S.v. Art. 210 Unionszollkodex oder in die vorübergehende Verwahrung übergeführt worden waren), überlassen werden dürfen.
Diese Auslegung des Begriffs der „Einfuhr“ im Rahmen der VO 833/2014 war zuvor bereits in der FAQ 6 der „FAQ on Import, Purchase and Transfer of Listed Goods“ der Europäischen Kommission sowie in FAQ 48 der Fragen und Antworten zu Russland-Sanktionen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) so vertreten worden; diese Aussagen waren jedoch rechtlich unverbindlich. Durch die gesetzliche Klarstellung der Auslegung des Begriffs der Einfuhr im neu eingefügten Art. 12e VO 833/2014 sollte gem. Erwägungsgrund 25 der VO 2023/427 die Rechtssicherheit bei der Behandlung von Einfuhren gewährleistet werden.
Durchfuhrverbote für gelistete Dual-Use-Güter und Feuerwaffen: Durch die neu in die VO 833/2014 eingefügten Durchfuhrverbote für in Anhang I der VO 2021/821 gelistete Dual-Use-Güter (Art. 2 Abs. 1a, Abs. 3a und Abs. 4a) und in Anhang I der Feuerwaffen-Verordnung (EU) Nr. 258/2012 gelistete Güter wurde die Durchfuhr dieser Güter durch Russland auf ihrem Weg von der EU in ein sonstiges Drittland untersagt, um das Risiko der Sanktionsumgehung für diese Güter zu minimieren (vgl. Erwägungsgrund 8 der VO 2023/427). Die Aussage der EU-Kommission in FAQ 2 der „FAQ on Transit of Listed Goods via Russia“ ist somit überholt und in Bezug auf gelistete Dual-Use-Güter und Feuerwaffen unangewendet zu lassen.
Verbot der Ernennung russischer Personen in Leitungsgremien von Unternehmen der kritischen Infrastruktur: Durch den neu eingefügten Art. 5o Abs. 1 VO 833/2014 ist es seit dem 27. März 2023 verboten, russische Staatsangehörige oder in Russland ansässige Personen in Leitungsgremien von EU-Unternehmen der kritischen Infrastruktur zu ernennen, es sei denn, die betreffenden Personen haben (auch) die Staatsangehörigkeit eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates oder der Schweiz. Die in Art. 5o VO 833/2014 verwendeten Begriffe „kritische Einrichtungen“, „kritische Infrastruktur“, „europäische kritische Infrastruktur“ und „Eigentümer oder Betreiber einer europäischen kritischen Infrastruktur“ werden in den neu in Art. 1 VO 833/2014 eingefügten Definitionen erläutert; diese verweisen auf die Richtlinie 2008/114/EG und die Richtlinie (EU) 2022/2557.
In der Richtlinie 2008/114/EG sind als Sektoren der kritischen Infrastruktur nur „Energie“ und „Verkehr“ genannt. In der Richtlinie (EU) 2022/2557 werden demgegenüber neben den Sektoren „Energie“ und „Verkehr“ weitere Branchen aufgeführt. Aktuell sind die zusätzlichen Sektoren der Richtlinie (EU) 2022/2557 für das Verbot in Art. 5o VO 833/2014 noch nicht relevant, da die Mitgliedstaaten die kritischen Einrichtungen für die im Anhang der Richtlinie aufgeführten Sektoren und Teilsektoren zunächst noch ermitteln müssen; daher gilt das Verbot für kritische Einrichtungen und Infrastrukturen der Richtlinie (EU) 2022/2557 erst ab dem 18. Oktober 2024 (vgl. Erwägungsgrund 18 der VO 2023/427).
Verbot der Bereitstellung von Speicherkapazitäten an russische Personen für die Speicherung von Erdgas: Durch den neu eingefügten Art. 5p VO 833/2014 wird die Bereitstellung von Gasspeicherkapazitäten für russische Staatsangehörige, in Russland ansässige natürliche Personen oder in Russland niedergelassene juristische POE sowie für juristische POE, die sich mehrheitlich in deren Eigentum befinden, sowie für natürliche oder juristische POE, die im Namen oder auf Anweisung einer in Russland niedergelassenen juristischen POE oder ihrer mehrheitlich gehaltenen Tochterunternehmen handelt, untersagt.
Weitere Änderungen: Um Umgehungen von Art. 3d Abs. 1 VO 833/2014 zu vermeiden, wonach es nicht in Russland registrierten Luftfahrzeugen, die sich im Eigentum russischer natürlicher oder juristischer POE befinden oder von diesen gechartert werden oder anderweitig unter deren Kontrolle stehen, verboten ist, im Hoheitsgebiet der Union zu starten oder zu landen oder das Hoheitsgebiet der Union zu überfliegen, wurde mit Art. 3d Abs. 5 VO 833/2014 eine Verpflichtung für Luftfahrzeugbetreiber eingeführt, ihren zuständigen Behörden Nichtlinienflüge mindestens 48 Stunden vor dem Flug zu melden; die zuständigen Behörden sind im Falle einer Ablehnung des gemeldeten Flugs gem. Abs. 6 verpflichtet, die anderen Mitgliedstaaten, den Netzmanager und die Europäische Kommission unverzüglich zu informieren.
Zudem wurden neue Abs. 4a–4e in Art. 5a VO 833/2014 eingefügt, die eine Pflicht für natürliche und juristische EU-Personen niedergelegen, der EU-Kommission und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Informationen über solche Vermögenswerte und Reserven der russischen Zentralbank zu übermitteln, die von ihnen gehalten oder kontrolliert werden oder bei denen sie Gegenpartei sind. Damit will die EU die einheitliche Anwendung des in Art. 5a Abs. 4 VO 833/2014 niedergelegten Verbots von Transaktionen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven und Vermögenswerten der russischen Zentralbank gewährleisten.
Ferner hat die EU mit RT Arabic und Sputnik Arabic zwei weitere Sender in die Liste der in Anhang XV aufgeführten POE aufgenommen, deren Inhalte gem. Art. 2f VO 833/2014 nicht in der EU verbreitet werden dürfen.
Neben den vorgenannten Verschärfungen der EU-Russland-Sanktionen sieht die VO 2023/833 aber auch einige zusätzliche Erleichterungen und Ausnahmen vor. So wurde die in Art. 5aa Abs. 3 lit. d VO 833/2014 niedergelegte Altvertragsregelung für Transaktionen zur Abwicklung von Gemeinschaftsunternehmen, an denen eine in Anhang XIX gelistete POE beteiligt ist, um sechs Monate bis zum 31. Dezember 2023 verlängert.
Ebenso wurde auch die in Art. 5aa Abs. 3a VO 833/2014 vorgesehene Genehmigungsmöglichkeit für Transaktionen, die für den Abzug von Investitionen und den Rückzug eines EU-Unternehmens aus einer in Anhang XIX gelisteten POE erforderlich sind, um sechs Monate bis zum 31. Dezember 2023 verlängert. Die EU hat außerdem in Art. 5aa Abs. 3 eine zusätzliche Befreiung für die Erbringung von Lotsendiensten eingefügt (lit. h). Darüber hinaus werden durch den neu eingefügten Art. 12d VO 833/2014 Lotsendienste für Schiffe, die aus Gründen der Sicherheit des Seeverkehrs erforderlich sind, insgesamt von dem Verbot ausgenommen, technische Hilfe bereitzustellen.
Um den Rückzug von Wirtschaftsbeteiligten der Union vom russischen Markt weiterhin zu erleichtern, hat die EU ferner einen neuen Abs. 2a in Art. 12b VO 833/2014 eingefügt, der eine zusätzliche Genehmigungsmöglichkeit für die Erbringung von nach Art. 5n VO 833/2014 verbotenen Dienstleistungen bis zum 31. Dezember 2023 vorsieht. Dies gilt, wenn diese Dienstleistungen zum einen für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich sind.
Zum anderen müssen die Dienstleistungen ausschließlich für und zugunsten der aus dem Abzug von Investitionen hervorgehenden juristischen POE erbracht werden und sie dürfen weder unmittelbar noch mittelbar der Regierung Russlands oder einem militärischen Endverwender bzw. einer militärischen Endverwendung zugutekommen.
Darüber hinaus hat die EU zu der Liste der in Anhang VIII zur VO 833/2014 aufgeführten Partnerländer, für die diverse Befreiungen und Ausnahmen in Anspruch genommen werden können (vgl. Art. 2/2a Abs. 4, Art. 2d Abs. 4, Art. 3h Abs. 3, Art. 3k Abs. 4 und Art. 5n Abs. 7 VO 833/2014) und die bislang die USA, Japan, UK und Südkorea umfasste, vier weitere Länder hinzugefügt. Dabei handelt es sich um Australien, Neuseeland, Kanada und Norwegen.
Ausweitung/Änderung der personenbezogenen Russland-Sanktionen in VO 269/2014
Neben den sektorspezifischen Russland-Sanktionen hat die EU im Zuge des zehnten Sanktionspakets auch die personenbezogenen Sanktionen ausgeweitet. Durch die DVO 2023/429 wurden weitere 87 natürliche Personen sowie 34 Organisationen in Anhang I der VO 269/2014 aufgenommen.
Eine derartige Listung hat zum einen zur Folge, dass sämtliche in der EU befindlichen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz der gelisteten POE stehen, eingefroren werden – mithin jegliche Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung verhindert werden (Art. 2 Abs. 1 VO 269/2014). Zum anderen ist es EU-Personen untersagt, den gelisteten POE unmittelbar oder mittelbar Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen (Art. 2 Abs. 2 VO 269/2014).
Zu den neu gelisteten Organisationen gehören u.a. die drei russischen Großbanken Tinkoff Bank, Alfa-Bank und Rosbank. Ferner wurden der National Wealth Fund, die Russian National Reinsurance Company sowie diverse russische Rüstungsunternehmen gelistet. Gelistet wurde auch die in Dubai ansässige Schiffsverwaltungsgesellschaft SUN Ship Management (D) Ltd., die Teil der staatlichen russischen Reederei PAO Sovcomflot ist. Der Grund ist ihre Rolle in puncto Verwaltung und Betrieb des russischen Seeverkehrs für den Transport russischen Öls.
Unter den neu gelisteten natürlichen Personen finden sich Mitglieder des Föderationsrates und der Staatsduma, stellvertretende Minister und Beamte in Führungspositionen, Militärangehörige und Söldner, Propagandisten sowie Verantwortliche für die Deportation und Zwangsadoption ukrainischer Kinder. Gelistet wurden auch vier iranische Personen, die an der Entwicklung und Lieferung von Drohnen, die von Russland gegen die Ukraine eingesetzt werden, beteiligt sind.
Durch die VO 2023/426 hat die EU einen neuen Abs. 2d in Art. 6b VO 269/2014 eingefügt, der in Bezug auf die drei neu gelisteten russischen Großbanken Freigabemöglichkeiten für bestimmte Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen vorsieht. Auch in Bezug auf die neu gelistete Aktiengesellschaft Scientific And Production Association „Impuls“ werden durch den neu in Art. 6b in VO 269/2014 eingefügten Abs. 5b zusätzliche Freigabemöglichkeiten geschaffen. Die EU hat zudem die Freigabemöglichkeit für bestimmte Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die von dem bereits seit Längerem gelisteten Nationalen Zentralverwahrer gehalten werden, erweitert (Art. 6b Abs. 5a VO 269/2014). Darüber hinaus wurde die Frist gem. Art. 6b Abs. 3 lit. a VO 269/2014 um drei Monate bis zum 31. Mai 2023 verlängert. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die mitgliedstaatlichen Behörden bestimmte Transaktionen zur Übertragung von Eigentumsrechten, die von einer gelisteten POE gehalten werden, genehmigen.
Ferner hat die EU die in Art. 8 VO 269/2014 niedergelegten Informationspflichten in Bezug auf eingefrorene Konten sowie sonstige Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die von den in Anhang I der VO 269/2014 aufgeführten POE gehalten werden und sich im Gebiet der Union befinden, konkretisiert und ausgeweitet.
Handlungsempfehlung
Neben der Verschärfung der bereits bestehenden Sanktionen legt das zehnte Sanktionspaket einen Fokus darauf, Sanktionsumgehungen zu verhindern und zu bekämpfen. Diese sollen durch zusätzliche Verbote und Meldepflichten unterbunden werden. Auch im Rahmen künftiger Sanktionen, die bereits Gegenstand von Beratungen zwischen Vertretern der EU-Mitgliedstaaten sind, dürfte neben der Verschärfung der Sanktionen gegen Belarus abermals ein Schwerpunkt darauf liegen, Umgehungen zu verhindern. Das BMWK hat seinerseits bereits am 22. Februar 2023 in einem Positionspapier Maßnahmen zur Eindämmung von Umgehungsaktivitäten vorgeschlagen, die möglicherweise Eingang in ein elftes Sanktionspaket finden werden.