Logistikdienstleister werden neben ihrem Auftraggeber zum Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, wenn sie die Einfuhrzollanmeldung als indirekter Vertreter im eigenen Namen und für Rechnung ihres Auftraggebers abgeben. Fällt der Auftraggeber aus, stellt sich die Frage, ob der Logistikdienstleister die entstandene Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann.

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Zu dieser Frage äußerte sich das Finanzgericht (FG) Hamburg in einem aktuellen Urteil vom 18. Dezember 2020 (Az.: 5 K 175/18). Im konkreten Fall lehnte das FG den Vorsteuerabzug ab, ließ aber zugleich die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu (Az.: VII R 9/21). Das letzte Wort zum Vorsteuerabzug der Logistikdienstleister ist also noch nicht gesprochen.

Der folgende Beitrag widmet sich dem einfuhrumsatzsteuerlichen Risiko der Logistikdienstleister und dessen Behandlung durch die Rechtsprechung. In der Praxis sind Logistikdienstleister häufig überrascht von der Steuerpflicht, da es nicht um „ihre“ Waren geht, und noch mehr davon, dass trotz Bestehens der Steuerpflicht in der Regel kein Recht zum Vorsteuerabzug besteht. Daher bietet das Urteil einen guten Anlass, sich die Zusammenhänge bewusst zu machen.

Indirekte Vertretung & unregelmäßige Zollschuldentstehung

Bietet ein Logistikdienstleister die indirekte Vertretung bei der Einfuhr an, ist er sich seiner Steuerschuldnerschaft in aller Regel bewusst. Als Anmelder wird er nach Art. 77 Abs. 3 Unionszollkodex (UZK) zum Zollschuldner, daraus folgt über § 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) die Steuerschuldnerschaft hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt). Im Normalfall stellt der Dienstleister seinem Auftraggeber die Kosten der Dienstleistung und die verauslagte EUSt in Rechnung. Fällt der Auftraggeber aus, könnte der Dienstleister den durch die EUSt entstandenen Schaden vermeiden, wenn er diese als Vorsteuer abziehen könnte.

Zum Schuldner der EUSt kann ein Logistikdienstleister nach Art. 79 Abs. 3 UZK ferner dann werden, wenn er gegen formelle Vorschriften des von ihm verantworteten Zollverfahrens verstößt und dadurch die Einfuhrzollschuld und infolgedessen die EUSt entsteht. Zwei Entwicklungen haben dieses Risiko zuletzt abgemildert: Zum einen wurden bei Schaffung des UZK die Tatbestände ausgeweitet, die zum Erlöschen der Zollschuld führen, sodass manche formellen Verstöße nun heilbar sind oder die Zollschuld bei Hinzutreten weiterer Umstände erlischt (vgl. Art. 124 Abs. 1 lit. h und lit. k UZK). Zum anderen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Reihe von Szenarios identifiziert, in denen die Zollschuldentstehung ausnahmsweise nicht die Entstehung der EUSt zur Folge hat. Liegt indes keine dieser beiden Situationen vor, könnte der Dienstleister den entstandenen Schaden auch bei der unregelmäßigen Zollschuldentstehung nur vermeiden, wenn er die EUSt als Vorsteuer abziehen könnte.

Die Frage nach dem Vorsteuerabzug kann somit bei der indirekten Vertretung und auch bei der unregelmäßigen Zollschuldentstehung gleichermaßen Bedeutung erlangen: Der Logistikdienstleister möchte die von ihm geschuldete EUSt für einen Gegenstand als Vorsteuer abziehen, auf den sich zwar seine Dienstleistung bezieht, der ihm aber nicht gehört und der grundsätzlich für seinen Auftraggeber eingeführt wurde.

Abzug der EUSt als Vorsteuer

Nach § 15 Abs. 1 UStG kann der Unternehmer die entstandene EUSt für solche Gegenstände als Vorsteuer abziehen, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind. Nach herrschender Ansicht und ständiger Rechtsprechung des BFH soll diese Voraussetzung bei dem Unternehmer erfüllt sein, der im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Diese Formulierungen sprechen auf den ersten Blick deutlich gegen das Vorsteuerabzugsrecht des Dienstleisters, denn die Verfügungsmacht wird in aller Regel sein Auftraggeber besitzen.

Bei der Auslegung ist jedoch zu beachten, dass die deutsche Vorschrift im Einklang mit den Vorschriften der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG) stehen muss. In Art. 168 dieser Richtlinie ist geregelt, dass der Steuerpflichtige die EUSt als Vorsteuer abziehen kann für Gegenstände, die für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Angesichts dieser Formulierung ist es alles andere als eindeutig, ob der Berechtigte nicht der Dienstleister sein kann. Diese Unklarheit und die große praktische Relevanz haben zu einer interessanten Auseinandersetzung in der Rechtsprechung geführt.

Vorstoß des FG Hamburg 2012

In einem Urteil vom 19. Dezember 2012 (Az.: 5 K 302/09) hat das FG Hamburg einem Inhaber eines Zolllagers den Vorsteuerabzug in einem Fall zugestanden, in dem die EUSt wegen Verstößen gegen formelle Vorschriften des Zolllagerverfahrens entstanden war. Das FG argumentierte, dass es auf die Verfügungsmacht nicht ankomme, da schon der Gesetzeswortlaut hierfür keine hinreichende Stütze biete. Die Umsatzsteuer solle für Unternehmen kein Kostenfaktor sein, daher seien alle Aufwendungen zu erfassen, die durch die unternehmerische Tätigkeit veranlasst seien. Der Vorsteuerabzug sei zu gewähren, wenn ein sachlicher Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Umsätzen und eine Verknüpfung mit dem Unternehmen gegeben seien. Im konkreten Fall habe der Lagerhalter die Gegenstände für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, da er ohne diese keine steuerbare Lagerleistung hätte erbringen können. Diese Verknüpfung reiche für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug.

Gegenansicht des FG Schleswig-Holstein 2014

Das FG Schleswig-Holstein hatte kurze Zeit später in einem vergleichbaren Fall zu entscheiden. In einem Urteil vom 9. Oktober 2014 (Az.: 4 K 67/13) wandte es sich ausdrücklich gegen die Entscheidung des FG Hamburg. Es argumentierte, dass der Einsatz des eingeführten Gegenstandes zur Bewirkung von Umsätzen für den Vorsteuerabzug nicht ausreiche, da hierdurch die – stets nur einem Unternehmer zustehende – Abzugsberechtigung bezüglich der EUSt nicht eindeutig festgestellt werden könne. Eine Verwendung für die Zwecke der besteuerten Umsätze liege nur vor, wenn die EUSt ein Kostenelement der Dienstleistungsumsätze wäre, was nicht der Fall sei.

Entscheidung durch den BFH 2015

Bevor der BFH im Revisionsverfahren über die Entscheidung des FG Schleswig-Holstein befand, wartete er das Urteil des EuGH im Verfahren gegen den dänischen Spediteur DSV Road A/S (Rs. C-187/14) ab. Darin ging es um den Vorsteuerabzug des Spediteurs, der aufgrund eines Verstoßes gegen formelle Vorschriften des Versandverfahrens zum Schuldner der EUSt geworden war. Der EuGH lehnte den Vorsteuerabzug ab. Für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen würden eingeführte Gegenstände nur verwendet, wenn die Kosten der Eingangsleistungen im Preis der Ausgangsumsätze oder im Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen enthalten seien, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefere oder erbringe. Bei einer Speditionsleistung fließe der Wert der Gegenstände nicht in das Entgelt ein, daher bestehe kein Abzugsrecht. Der BFH hielt in seiner Revisionsentscheidung vom 11. November 2015 (Az.: 4 K 67/13) an dem Merkmal der Verfügungsmacht fest und wendete die sog. Kostenformel des EuGH als Präzisierung seiner Rechtsprechung an.

Aktuelle Entscheidung des FG Hamburg

In dem Urteil des FG Hamburg vom 18. Dezember 2020 (Az.: 5 K 175/18) lehnte das Gericht den Vorsteuerabzug eines Dienstleisters ab, der die Einfuhrzollanmeldung als indirekter Vertreter abgegeben hatte. Kurz vor der Entscheidung des FG hatte sich der EuGH erneut mit der Frage nach dem Vorsteuerabzug befasst.

In dem Verfahren im Falle des Logistikers Weindel (Rs. C-621/19) stellte der EuGH fest, dass auch Personen, die Gegenstände einführen, „ohne sie zu besitzen“, das Recht auf Steuerabzug in Anspruch nehmen können, wenn sie nachweisen, dass die Kosten der Einfuhr in den Preis bestimmter Ausgangsumsätze oder allgemein in den Preis der vom Steuerpflichtigen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbrachten Dienstleistungen eingegangen sind. Im konkreten Fall verneinte das FG Hamburg das Vorliegen der vom EuGH genannten Voraussetzungen, ging aber aufgrund der Entscheidung im Fall Weindel davon aus, dass es bei Vorliegen dieser Voraussetzungen für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf das Vorliegen der Verfügungsmacht nicht ankomme. Das FG ließ die Revision zum BFH zu, damit dieser Gelegenheit habe, seine Rechtsprechung erneut zu präzisieren.

Ausblick

Die Entscheidung des BFH ist mit Spannung zu erwarten. Die Rechtsprechung ist bislang insgesamt nicht günstig für die Logistikbranche, sie befindet sich aber noch in der Entwicklung und ist auch nicht unwidersprochen. So wird durchaus vertreten, dass nicht weiterbelastbare EUSt-Beträge zumindest kalkulatorisch als Gemeinkosten in die Preise für die Dienstleistungen einfließen dürften. Solche Argumente erhalten durch die Entscheidung im Fall Weindel Rückenwind. In der Praxis müssen Unternehmen der Branche jedoch weiterhin vorsichtig sein. Das Risiko der unregelmäßigen Zollschuldentstehung ist durch Compliance zu minimieren und dort, wo Risiken bestehen bleiben, sollten sich Dienstleister durch entsprechende Vertragsklauseln oder Sicherheiten abzusichern versuchen.

h.henninger@gvw.com

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