Sind Güter, die zur Entwicklung und Herstellung von Drohnen verwendet werden könnten, ausreichend vom Russland-Embargo erfasst? Gibt es genügend Maßnahmen gegen Umgehungslieferungen? Dies sind zwei der Fragen, die vom Sanktionspaket 13 vom 23. Februar 2024 thematisiert werden. Was bedeuten dieses neue Paket und die neue AGG 42 für die Exporteure?

Ausgangsfall 1: Maschinenhersteller D aus Deutschland vertreibt seine Güter und deren Ersatzteile weltweit, u.a. auch nach Russland. Zu den am häufigsten benötigten Ersatzteilen gehören Kugellager der ZTN (Zolltarifnummer) 8482 10. Zu seinen Kunden zählen u.a. die beiden folgenden Firmen: Shenzhen Biguang Trading Co. Ltd. (China) und Conex Doo Beograd-Stari (Serbien). Hat D hier irgendwelche Exportbeschränkungen zu beachten?

Ausgangsfall 2: D in Deutschland stellt seiner russischen Tochter R Updates für eine CRM-Software zur Verfügung, die nun auf Russland-Anhang XXXIX gelistet ist. Ist das nach dem letzten Sanktionspaket 12 vom 18. Dezember 2023 noch erlaubt?

Änderungen im Sanktionspaket 13

Am 23. Februar 2024 – zwei Jahre nach Kriegsbeginn – wurden die Ukraine-VO 269/2014 (durch die VO 2024/753) und die Russland-VO 833/2014 (durch die VO 2024/745) ergänzt.

Durch die VO 2024/753 werden weitere 106 Personen und 88 Einrichtungen auf den Sanktionslisten der Ukraine-VO gelistet. Hierunter finden sich Personen/Unternehmen, die an sanktionsumgehenden Beschaffungsmaßnahmen mitgewirkt haben (z.B. ein russisches Logistikunternehmen), oder solche, die den russischen Angriffskrieg unterstützt haben (u.a. zehn Unternehmen, die an der Lieferung von Rüstungsgütern aus Nordkorea nach Russland beteiligt waren, sowie der nordkoreanische Verteidigungsminister und belarussische Unternehmen, die Russlands Streitkräfte unterstützt haben). Außerdem werden Personen/Unternehmen gelistet, die an der Zwangsverbringung ukrainischer Kinder beteiligt waren, oder Personen, die in den illegal annektierten Gebieten der Ukraine staatliche Macht ausübten (u.a. sechs Richter und zehn Beamte).

Durch die VO 2024/745 wird die Russland-VO 833/2014 wie folgt abgeändert:

• Der Russland-Anhang IV (Liste der möglichen militärischen Endverwender) wird neu gefasst, wobei 27 neue Unternehmen aus Russland bzw. aus Drittstaaten aufgenommen werden. Für diese Unternehmen werden i.d.R. keine Genehmigungen erteilt, wenn es um die Ausfuhr gelisteter Dual-Use-Güter oder von Gütern nach Anhang VII geht. Von diesen neuen Listungen sind neben einigen russischen Firmen u.a. vier Unternehmen aus China sowie jeweils eines aus Indien, Sri Lanka, Serbien, Kasachstan, Thailand und der Türkei betroffen.

• Der Russland-Anhang VII (Liste der strategischen Güter) Teil B wird neu gefasst, um v.a. Güter zu erfassen, die zur Entwicklung und Herstellung von Drohnen verwendet werden können. Hier geht es z.B. um Aluminium-Elektrolyt-Kondensatoren (ZTN 8532 22).

• Der Russland-Anhang XXIII (Güter zur Stärkung der industriellen Kapazität Russland) wird mit der gleichen Zielrichtung um weitere Güter der Kategorie ZTN 8504 (elektrische Transformatoren, elektrische Stromrichter sowie andere Selbstinduktions-Spulen) ergänzt.

• Großbritannien wird als neues Partnerland für Eisen- und Stahlimporte in Anhang XXXVI aufgenommen. Daher muss bei Einfuhren aus den zurzeit genannten drei Partnerländern (Schweiz, Norwegen und Großbritannien) kein Einfuhrnachweis nach Art. 3 g Abs. 1 lit. d (vgl. hierzu unseren Beitrag in Ausgabe 8/2023, S. 20 f.) vorgelegt werden.

Lösung Ausgangsfall 1

Aus dem Russland-Embargo ergeben sich jetzt zahlreiche Exportbeschränkungen. Denn erstens ist jetzt das Kugellager (ZTN 8482 10) in Anhang VII gelistet; für Russland würde ohne Ausnahmegenehmigung ein Lieferverbot bestehen. Und zweitens sind beide Kunden – aus China und aus Serbien – in Anhang IV gelistet worden. Nach Art. 2b der Russland-VO dürfen diese Ausfuhren nach China oder nach Serbien an diese Endverwender nur genehmigt werden, wenn es entweder um Altfälle (Verträge vor dem 26. Februar 2022) geht oder um die Abwehr von dringenden Gesundheits- oder Umweltgefahren. Sonst besteht ein Lieferverbot.

Lösung Ausgangsfall 2

Da die CRM-Software in Anhang XXXIX gelistet ist, ist es D nach Art. 5n Abs. 3a der Russland-VO verboten, für ein russisches Unternehmen (wie R) Dienste im Zusammenhang mit dieser gelisteten Software anzubieten. Selbst ein Software-Update wird als ein „anderer Dienst“ anzusehen sein. Da R ein Tochterunternehmen von D ist, könnte sich aus Art. 5n Abs. 7 ergeben, dass dieses Verbot erst ab dem 20. Juni 2024 gilt. Dies ist allerdings nicht sicher, weil dort Abs. 3a nicht explizit genannt ist (dies könnte ein Redaktionsversehen sein).

Deshalb sollte sich D sofort für die neue AGG 42 registrieren, die solche Dienste an die russische Tochterfirma allgemein genehmigt. Diese Allgemeine Genehmigung wurde am 20. Februar 2024 eingeführt und war erforderlich geworden, weil das 12. Sanktionspaket dieses „Tochterprivileg“ mit Wirkung zum 20. Juni 2024 abgeschafft hat. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hält es nicht für erforderlich, Dienstleistungen und Software-Übertragungen an russische Tochterunternehmen von EU-Unternehmen oder von Unternehmen aus den Partnerländern nach Anhang VIII im Wege der Einzelgenehmigung zu überwachen; daher hat es die AGG 42 erlassen.

Resümee

Das 13. Sanktionspaket ist eher ein symbolischer Gesetzgebungsakt anlässlich des zweiten Jahrestags des Ukraine-Kriegs. Es zielt v.a. darauf ab, die Beschaffung von für die russische Kriegsführung besonders wichtigen Drohnen weiter zu erschweren (vgl. die Ausweitungen in Anhang VII, XXIII und IV); dies ist in der Tat sehr wichtig. Für die Verhinderung von Umgehungslieferungen finden sich Ansätze in den zusätzlichen Einträgen auf der Ukraine-Sanktionsliste und in Anhang IV zur Russland-VO.

Da Umgehungslieferungen derzeit wohl das wichtigste Thema beim Russland-Embargo sein dürften, fragt sich, ob dieser Beitrag gegen Umgehungslieferungen ausreicht. Es ist sehr gut, dass solche Unternehmen nun auch in Anhang IV der Russland-VO gelistet werden. Dennoch stellt sich die kritische Frage, ob es transparent genug ist, dass sich Exportbeschränkungen für Lieferungen an bestimmte Unternehmen in einem der 13 Drittstaaten (Armenien, China, Iran, Indien, Kasachstan, Syrien, Singapur, Sri Lanka, Serbien, Türkei, Thailand, Usbekistan, Vereinige Arabische Emirate) aus Anhang IV der Russland-VO ergeben: Welcher Exporteur wird bei einer Lieferung an ein Unternehmen aus einem dieser Drittstaaten daran denken, hierfür auch die Russland-Embargo-VO zu beachten? Da es sich bei Anhang IV der Russland-VO nicht um eine Sanktionsliste handelt, ist unklar, ob die Namen dieser Unternehmen von einer Exportsoftware gelistet sind. Wäre evtl. eine Listung auf der Ukraine-Sanktionsliste (zumindest aufgrund Transparenz) besser?

U.E. erforderlich wäre ein Anhang zur Russland-VO, der die Russland-Umgehungsländer listet, und ausführt, welche Vorsichtsmaßnahmen gegen eine solche Umgehungslieferung getroffen werden müssen. Einen Anfang hierzu hat die im 12. Sanktionspaket eingeführte No Russia Clause Art. 12g (vgl. hierzu Beitrag in Ausgabe 1/2024, S. 21f.) gemacht. Die dann später von der EU-Kommission in den FAQ genannte Musterklausel muss ihre Praktikabilität erst noch beweisen, da die Anforderungen derart weit gehen, dass sie kaum von einem Vertragspartner akzeptiert werden dürften. Wir bleiben bei unserer bisherigen Auffassung: Es sollte immer eine kurze allgemeine Reexport-Klausel geben, und für den Fall, dass von Anhang XL erfasste Güter in ein Umgehungsland verkauft werden, einen dezidierten Absicherungsvertrag (ebd., S. 22).

Die AGG 42 ist ein wichtiger Beitrag dafür, dass (trotz der Beschränkungen im 12. Sanktionspaket) EU-Unternehmen u.a. noch Software oder Software-Dienstleistungen gegenüber ihren russischen Tochter-Unternehmen erbringen können.

Wegen aktueller Hinweise zum Russland-Embargo vgl. HIER

info@hohmann-rechtsanwaelte.com

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