Am 16. Dezember 2022 hat die EU als Antwort auf den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine zusätzliche Sanktionen gegen Russland beschlossen (neuntes Sanktionspaket). Die Auswirkungen dieses Embargos für Exporteure in der EU werden in Fortsetzung unserer fünf Beiträge (ExportManager 2/2022, S. 23 ff., 3/2022, S. 25 ff., 4/2022, S.17 ff., 6/2022, S. 20 ff., 8/2022, S. 20 ff.) aufgezeigt.

Beitrag in der Gesamtausgabe (PDF)

Ausgangsfall 1: D in Deutschland möchte Dauermagnete mit der Zolltarifnummer (ZTN) 8505 11 an den Kunden R in Russland liefern; außerdem möchte er technische physikalisch-chemische Untersuchungen für R bzgl. früher gelieferter Güter erbringen. R ist nicht gelistet. Was muss D hierbei nach dem Russland-Embargo beachten?

Ausgangsfall 2: D in Deutschland hatte Güter für Ausstellungs- und Messezwecke an seine Tochter R in Russland geschickt. Nachdem diese Güter unter ein Einfuhrverbot nach Anhang XXI gefallen sind und auch die Frist der Altvertragsregelung verpasst wurde, möchte D diese Güter jetzt noch nach Deutschland zurückholen, da D sein Russland-Geschäft beenden möchte. Ist das noch zulässig?

Neues Sanktionspaket: 1.412 Personen und 147 Organisationen gelistet

Bezüglich der Ukraine-VO 269/2014 gibt es durch die VO 2022/2475 eine geringfügige Änderung (neue Ausnahmen zum Bereitstellungsverbot). Mit der Durchführungs-VO 2022/2476 werden die Listungen um 141 Personen und 49 Organisationen ergänzt, sodass jetzt insgesamt 1.412 (!) Personen und 147 Organisationen gelistet sind. Zu den 49 Organisationen gehören u.a. zwei Banken (Credit Bank of Moscow, Dalnevostochny Bank ist gleich Far Eastern Bank), zwei Automobilhersteller (Bryansk Automobile Plant, Automobile Plant Ural), fünf Maschinenbauer (Volgograd Machine-Building Company VGTZ, Machine Building Co. Vityaz, Kazan Optical and Mechanical Plant, Ulan-Ude Aviation Plant, Votkinsk Machine Building Plant), politische Vereinigungen (z.B. Vereintes Russland, Liberal-demokratische Partei Russlands, Kommunistische Partei Russlands), russische Fernsehsender mit Propaganda (Allrussische Fernseh- und Radiogesellschaft, ANO-TV Novosti) sowie einzelne Abteilungen der russischen Armee (Nationalgarde, russische Luftstreitkräfte, russische Seekriegsflotte, russisches Heer, Sondereinsatzkräfte).

Bezüglich der Russland-VO 833/2014 gibt es wichtige Änderungen durch die VO 2022/2474, darunter diese sieben bedeutendsten:

• Die Liste der militärischen Endverwender (Anhang IV) wird neu gefasst, weil sie um 168 Einträge erweitert und damit fast verdoppelt wurde; jetzt sind dort 408 Einrichtungen gelistet.
• Die Liste der strategischen Güter nach Anhang VII (mit einem Ausfuhrverbot nach Russland) wird neu gefasst, weil dieser Anhang um zahlreiche Einträge ergänzt wurde. Die Intention war u.a., Drohnenmotoren, weitere chemisch-biologische Ausrüstungen, Reizstoffe und elektronische Komponenten aufzunehmen (vgl. Nr. 4 der Präambel). Es gibt Ergänzungen in allen zehn Kapiteln dieses Anhangs.
• Anhang XI (Güter der Luft- und Raumfahrt mit einem Ausfuhrverbot) wird neu gefasst; neu ist v.a. Teil C, der bestimmte Flugmotoren betrifft.
• Anhang XXIII (Güter zur Stärkung der industriellen Kapazität Russlands mit einem Ausfuhrverbot) wird neu gefasst, weil er erheblich erweitert wurde. Die Intention war u.a., Güter wie Generatoren, Spielzeugdrohnen, Laptops, Festplatten, IT-Komponenten, Nachtsicht- und Funknavigationsausrüstung, Kameras und ihre Linsen aufzunehmen (vgl. Nr. 15 der Präambel).
• Ab dem 5. Februar 2023 ist es verboten, bestimmte Erdölerzeugnisse, die aufgrund einer Ausnahmegenehmigung eingeführt wurden, weiterzuleiten. Aber: Es gibt Ausnahmen vom Verbot für Bulgarien bzw. für Ungarn/Slowakei, Erdölerzeugnisse (nach den neuen Anhängen XXXI und XXXII) an andere Mitgliedstaaten oder an Drittstaaten weiterzuliefern, v.a. wenn es um eine Verwendung in der Ukraine geht und/oder wenn keine Umgehung droht (Art. 3m).
• Es gibt weitere Dienstleistungsverbote für Russland bzgl. (1) Markt- und Meinungsforschung, (2) technischer physikalisch-chemischer Untersuchungen und (3) Werbung (mit einer Altvertragsregelung, Art. 5n).
• Der neue Art. 12b erlaubt es den nationalen Behörden, den Verkauf, die Lieferung oder den Verkauf bzw. die EU-Einfuhr von Gütern, die nach den Anhängen mit Ausfuhr- bzw. mit Einfuhrverbot gelistet sind, bis zum 30. September 2023 zu genehmigen, wenn der Verkauf/Export bzw. die Einfuhr entweder für den Abzug von Investitionen aus Russland oder für die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich ist.

Weitere fünf Änderungen betreffen v.a.:

• Ergänzung zu Anhang XV (Organisationen mit Sendeverbot): Hier werden vier neue Sender gelistet.
• Neufassung von Teil B zu Anhang XVII (Eisen- und Stahlerzeugnisse mit einem EU-Einfuhrverbot): Hier gab es Konkretisierungen.
• Neufassung von Anhang XIX (Liste der staatseigenen Unternehmen): Neu aufgenommen wurde die Russian Regional Development Bank (in Teil C, mit neuer Altvertragsregelung).
• Neufassung von Anhang XXV (Erdöl mit EU-Einfuhrverbot)
• Ausnahmen beim Joint-Venture-Verbot für Bergbau, wenn das vorrangige Ziel in der Gewinnung von Materialien nach dem neuen Anhang XXX (Aluminium. Chrom, Kupfer etc.) besteht (Art. 3a)

Zur Prüfreihenfolge

Details zu diesem Thema haben wir bereits in unserem Beitrag in ExportManager 4/2022, S. 17 ff., behandelt. Bei den spezifischen Güterverboten ist zu berücksichtigen, dass neue Ausfuhrverbote – zusätzlich zu den bisherigen nach Anhang II (Güter für Erdölgewinnung), VII (strategische Güter), X (Güter für Raffination), XI (Luft- und Raumfahrt), XVI (Güter der Meeres- und Schiffstechnik), XVIII (Luxusgüter), XX (Kraftstoffe), XXIII (Güter zur Stärkung der industriellen Kapazitäten Russlands) – hinzugekommen sind, und zwar die Anhänge XXXI und XXXII (beide: Erdölerzeugnisse).

Lösung Ausgangsfall 1

Güterprüfung Dauermagnet (mit ZTN 8505 11): Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass zwei Dual-Use-Positionen vorliegen könnten. Falls D nachweisen kann, dass diese nicht vorliegen, bestünde hieraus kein Ausfuhrverbot. Die Standardprüfung (Eingabe der ZTN in die elektronische konsolidierte Fassung der VO 833/2014) ergibt bisher nur einen Eintrag in Russland-Anhang XXIII für eine benachbarte ZTN (nämlich für elektromagnetische Kupplungen/Bremsen mit ZTN 8505 20); hieraus folgt kein Ausfuhrverbot für den Dauermagnet. Die manuelle Eingabe des Begriffs „Dauermagnet“ in die VO 2022/2474 ergibt jedoch, dass er seit dem 17. Dezember 2022 von Anhang VII, Teil B erfasst ist. Daher besteht ein Ausfuhrverbot, da keine neue Altvertragsregelung für diese neue Beschränkung vorgesehen wurde.

Güterprüfung bzgl. technischer physikalisch-chemischer Untersuchung: Sofern kein (vor dem 17. Dezember 2022 geschlossener) Altvertrag vorliegt oder keine der gesetzlichen Ausnahmen eingreift, sind D nach Art. 5n solche Dienstleistungen gegenüber Personen in Russland (wie R) ab sofort verboten. Die Bereitstellung von technischer Hilfe im Zusammenhang mit nach Russland ausgeführten Gütern ist dann nicht verboten, wenn der Verkauf/die Lieferung des Gutes zum Zeitpunkt der technischen Hilfe noch erlaubt ist (vgl. Nr. 26 der Präambel).

Exkurs zu einer Position in Anhang VII: Besondere Auslegungsschwierigkeiten entstehen v.a. bei der neuen Position X.B.X.015 in Anhang VII. Sie listet Reaktoren, Pumpen, Ventile etc., die die Leistungsparameter von Dual-Use-Position 2B350 erfüllen, „unabhängig von ihren Baumaterialien“. Die Dual-Use-Position 2B350 stellt v.a. darauf ab, ob die medienberührenden Flächen aus einem der gelisteten „Werkstoffe oder Materialien“ bestehen. Völlig unklar ist nun, ob die Position X.B.X.015 (wegen der Formulierung „unabhängig von ihren Baumaterialien“) so auszulegen ist, dass es nicht auf die in Position 2B350 gelisteten „Werkstoffe oder Materialien“ ankommt, sondern nur auf die Maße, die in Position 2B350 genannt sind. Einige Zollbehörden legen das derzeit so aus, obwohl unklar ist, inwieweit die „Baumaterialien“ (in X.B.X.015) das Gleiche meinen wie die „Werkstoffe oder Materialien“ (in 2B350).

Unseres Erachtens ist damit etwas anderes gemeint, weil die kurz danach kommende Position X.B.X.017 in Anhang VII wieder von „kontrollierten Werkstoffen oder Materialien“ spricht, sodass sich die Vermutung aufdrängt, dass die Formulierung bzgl. der „Baumaterialien“ etwas anderes meint als die „kontrollierten Werkstoffe oder Materialien“ in Position 2B350.

Lösung Ausgangsfall 2

Da diese Güter unter einem EU-Einfuhrverbot nach Anhang XXI stehen und die Altvertragsregelung abgelaufen ist, wäre die EU-Einfuhr verboten. Nach Art. 12b Abs. 2 könnte das BAFA die Einfuhr bis zum 30. September 2023 genehmigen, wenn die Einfuhr „für den Abzug von Investitionen aus Russland oder für die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich ist“. Hier wird man bejahen können, dass diese Gütereinfuhr für den Abzug von Investitionen aus Russland unbedingt erforderlich ist, da D sein Russland-Geschäft beenden möchte und es nicht mehr rechtzeitig geschafft hat, seine für Ausstellungs- und Messezwecke überlassenen Güter zurückzuholen. (Gerade bei der zweiten Alternative „für die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten“ ist das Verhältnis zur Altvertragsregelung nicht sehr klar).

Auch die zwei weiteren Voraussetzungen von Art. 12b Abs. 2 sind hier erfüllt: Diese Güter befinden sich im Eigentum eines Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates, denn sie sind Eigentum von D, und die betreffenden Güter befanden sich in Russland, bevor das Verbot nach Anhang XXI in Kraft trat.

Resümee

Die weiteren Verschärfungen der Ausfuhrverbote nach Russland – v.a. nach den Anhängen VII, XI, XXIII – und bei den Dienstleistungen sind zu begrüßen, um der russischen Regierung deutlich zu zeigen, dass ihr völkerrechtswidriger Krieg gegen die Ukraine auf die völlige Ablehnung der EU stößt. Die Tendenz zu einem Fast-Total­embargo dürfte hier unvermeidlich sein – und entscheidend ist weiter, dass sämtliche EU-Mitglieder bei der Umsetzung des Embargos an einem Strang ziehen. Dies ist der Fall, und von daher war es auch gut, dass für die drei EU-Mitglieder, die Ausnahmen bzgl. der Erdöleinfuhr zugebilligt bekamen, jetzt geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen sie die Erdölerzeugnisse weiterleiten dürfen.

Allerdings wäre es wichtig, neue Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen immer so präzise zu formulieren, dass klar ist, welche Güter darunterfallen – und bei ihrer Einführung immer auch an die Altvertragsregelung zu denken. Dies ist bei den neuen Ausfuhrbeschränkungen nach Anhang VII versehentlich vergessen worden, sodass sich die Frage stellt, ob hierfür andere Altvertragsregelungen analog genutzt werden können, um Entschädigungsansprüche wegen enteignungsgleichen Eingriffs zu vermeiden.

Das Nachholen einiger Altvertragsregelungen im neunten Sanktionspaket (u.a. Art. 3i und 3k) und v.a. die neue Regelung von Art. 12b sprechen aber dafür, dass der EU-Gesetzgeber auch den Vertrauensschutz berücksichtigt.

Schließlich sind Regelungen wünschenswert, um Umgehungen des Russland-Embargos v.a. durch die Länder Serbien, die Türkei und Indien zu unterbinden. Hierfür sollten wirksame Maßnahmen getroffen werden, um zu verhindern, dass solche Länder die für Russland verbotenen Güter aufkaufen, legal nach Russland liefern und so – anstelle der EU-Staaten – für Russland zu den wichtigsten Kunden werden. Diese Überlegungen sollten auch für den Umgang mit Händlern berücksichtigt werden: Wenn Händler (selbst innerhalb der EU) beliefert werden, sollten vertragliche Absicherungen und vergleichbare Mittel gewählt werden, um eine Weiterlieferung nach Russland zu verhindern (vgl. unseren Beitrag in ExportManager 6/2022, S. 22, Thesen 4 bis 6); das gilt v.a. bei Händlern in Russlands Nachbarländern (wie die Türkei, Usbekistan oder das Baltikum), aber auch bei Händlern in möglichen Umgehungsländern (wie China oder Indien).

Für die Exportunternehmen ist es weiter wichtig, die Unterstützung durch einen Exportanwalt zu haben, um Embargoverstöße zu vermeiden. Wegen aktueller Hinweise zum EU-Exportrecht vgl. HIER und zum Russland-Embargo vgl. HIER

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