Mit dem bevorstehenden Sportgroßereignis Fußball-WM 2014 und den nur zwei Jahre später stattfindenden Olympischen ­Spielen in Rio de Janeiro steht das größte Land Lateinamerikas mehr denn je im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Insgesamt 28 Millionen Besucher werden zu den Megaevents erwartet. Rund 11 Mrd EUR fließen allein zur WM in die Erneuerung der Stadieninfrastruktur. Auch deutsche Unternehmen bringen ihr Know-how ein.

Von Karin Gangl, Redaktion ExportManager, F.A.Z.-Institut

Ungeachtet glanzvoller Siege der Seleção erlebte Brasilien am Rande des Confederations Cups die größten Massendemonstrationen seit Jahrzehnten. Außer gegen infrastrukturelle Mängel richtete sich der Unmut der Bevölkerung vor allem gegen die weitverbreitete Korruption, das marode Gesundheits- und Bildungswesen – und auch gegen die hohen Ausgaben für die Fußball-WM. Vor dem Hintergrund des ins Stocken geratenen Wirtschaftswachstums und steigender Lebenshaltungskosten war der Ärger der neuen brasilianischen Mittelschicht über die Verschwendung von Steuergeldern gut nachvollziehbar. Auch das sogenannte WM-Gesetz, das der FIFA und ihren Sponsoren eine Steuerbefreiung und umfangreiche Sonderrechte einräumt, stieß auf Widerstand. Durch das Gesetz werden Kleinhändler entrechtet, und Kommunen dürfen sich für das Event über den gesetzlichen Rahmen hinaus verschulden. In den Augen der Bevölkerung führt sich der Weltverband wie eine Kolonialmacht auf. Während Brasilien 11 Mrd EUR in die Stadieninfrastruktur investiert, hat die FIFA kaum eigene Kosten, dürfte aber mit dem Turnier Gewinne von rund 3 Mrd EUR einfahren.

Ungeachtet dieser Missstände werden durch die Sportgroßereignisse wichtige und längst überfällige Infrastrukturmaßnahmen angestoßen, die vor allem der Stadtentwicklung in den Ballungszentren und dem Personentransport langfristig zugutekommen dürften. Brasiliens Straßen- und Schienennetz ist auch ohne das zusätzliche Besucheraufkommen notorisch überlastet, die Flughäfen sind veraltet und schlecht angebunden. Durch günstige Kredite will die Regierung private Unternehmen animieren, sich am Ausbau der Infrastruktur zu beteiligen. Nach einer Schätzung der staatlichen Förderbank BNDES werden bis 2016 rund 70 Mrd EUR allein in den Ausbau von Straßen, Schienen und Flughäfen fließen.

In die Modernisierung der Airports São Paulo, Campinas, Brasília und Natal sind private Unternehmen durch entsprechende Konzessionierungen eingebunden. Die Flughäfen Belo Horizonte und Rio de Janeiro sollen im Herbst 2013 ebenfalls an private Betreiber fallen. Für die Stromversorgung des größten brasilianischen Flughafens Guarulhos in São Paulo zeichnet der Siemens-Konzern verantwortlich. Er hat im Zusammenhang mit den sportlichen Megaevents in Brasilien Aufträge im Wert von mehr als 1 Mrd EUR an Land gezogen, unter anderem auch für die Sicherheits- und Gebäudetechnik des Nationalstadions Mané Garrincha in der Hauptstadt Brasília. Jüngst stand der Konzern jedoch in der Kritik, da er in einen Kartellskandal im Zusammenhang mit dem Bau und der Wartung von U-Bahn-Linien und Nahverkehrszügen in São Paulo verwickelt ist. Der Vorgang liegt zwar lange zurück und fällt in den Zeitraum 1990 bis 2007, könnte Siemens nun aber bei der Vergabe weiterer lukrativer Infrastrukturaufträge zum Verhängnis werden.

Auch viele andere deutsche Unternehmen, darunter zahlreiche Mittelständler, partizipieren an Investitionen im Zusammenhang mit den WM- und Olympiavorbereitungen oder rechnen sich Chancen auf künftige Aufträge aus. Das Brazil Board des Bundesverbands der Deutschen Industrie hat eigens dafür das Projekt „Winwin 2014/2016“ ins Leben gerufen, das deutsche Firmen bei der Kontaktaufnahme zu lokalen Entscheidungsträgern und der Platzierung ihrer Angebote unterstützt. Mehr als 120 Unternehmen sind in der Projektdatenbank erfasst. Allein im Stadionbau haben rund 70 Unternehmen Angebote eingereicht. Besonders erfolgreich waren dabei deutsche Bauinge­nieure und Architekten.

Das Stuttgarter Ingenieursbüro Schlaich Bergermann und Partner (sbp) erhielt gemeinsam mit den Berliner Architekten Gerkan, Mark und Partner (gmp) den Zuschlag für die Konzeption der Stadien in Brasília und Manaus. Während gmp zusätzlich das Stadion in Belo Horizonte plant, ist sbp auch in die Baumaßnahmen am legendären Fußballtempel Maracanã in Rio de Janeiro eingebunden, in dem unter anderem das WM-Endspiel ausgetragen wird. Dort werden die bis zu 78.000 Zuschauer auf Sitzen des schwäbischen Möbelbauers Eheim Platz nehmen.

Auch andere deutsche Firmen konnten erfolgreich Aufträge für das Maracanã ergattern. So kommt die Dachkonstruktion, bestehend aus einem Seiltragwerk und einer Membranstruktur, von der Firma Hightex mit Sitz am Chiemsee, die bereits zur WM 2010 in Südafrika die Dachmembran des prestigeträchtigen Soccer-City-Stadions in Johannesburg geliefert hatte. Für die Rasenbewässerung sorgt das hessische Unternehmen WISY AG aus Kefenrod-Hitzkirchen. Mit seinem brasilianischen Partner SEPA ist der Membranbauspezialist Hightex auch an den Austragungsorten Porto Alegre und Natal an den jeweiligen Dachkonstruktionen beteiligt.

Über eine öffentliche Ausschreibung erhielt das Braunschweiger Architekturbüro von Schulitz und Partner gemeinsam mit einem brasilianischen Partner den Auftrag zum Entwurf des Stadions in Salvador (Bahia). Die Stadionbestuhlung für die Arenen in Curitiba und Recife mit insgesamt 87.000 Plätzen kommt vom fränkischen Hersteller Stechert.

Vor allem in Nischenbereichen wie Produktion und Services für technische Einbauten sowie in den Bereichen IT, Sicherheit und Spezialgewerke können deutsche Anbieter punkten. So liefert die Firma G. Lufft GmbH aus Fellbach bei Stuttgart besondere Wettersensoren, die in allen zwölf WM-Stadien klimatologische Messdaten erfassen. In Brasilien herrscht ein überwiegend tropisches Klima, bedingt durch die Größe des Landes gibt es sogar unterschiedliche Klimazonen. Durch die präzisen Messungen können extreme Witterungsbedingungen wie starke Hitze oder Regenfälle bis hin zu Stürmen, die das Spielgeschehen beeinflussen können, exakt prognostiziert werden.

Weltweit besondere Beachtung dürfte der Beitrag der Firma GoalControl aus Würselen bei Aachen finden: Erstmals setzt die FIFA 2014 bei einer WM-Endrunde auf Torlinientechnik, die durch den Einsatz mehrerer Kameras dreidimensionale Kontrollen ermöglicht und dem Schiedsrichter zweifelsfrei signalisiert, wenn ein Ball die Linie überquert hat. Das Würseler Unternehmen, das zeitweise mit bis zu 80 Mitarbeitern vor Ort in Brasilien vertreten war, setzte sich gegen zwei deutsche und einen englischen Mitbewerber durch.

Auf Sponsorenseite verbindet insbesondere Adidas große Hoffnungen mit der Fußball-WM. Einen Gewinn von 1,5 Mrd EUR verbuchten die Herzogenauracher rund um die WM in Südafrika. Dieses Mal soll er auf 2 Mrd EUR gesteigert werden. Lateinamerika war in den vergangenen zehn Jahren die für den Konzern am schnellsten wachsende Region. In Brasilien hat jedoch Nike noch die Nase vorn. Doch bei der WM ist Adidas allgegenwärtig: Es stellt den Spielball, stattet Schiedsrichter und Helfer aus und darf als einziger Sportartikelhersteller in den Stadien werben.

Noch hängt Brasilien bei vielen Modernisierungsvorhaben, speziell in den Bereichen Infrastruktur und Transportwesen, dem Zeitplan hinterher. Dadurch ergeben sich auch über die Fußball-WM und die Olympischen Spiele hinaus interessante Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen, beispielsweise in den Bereichen Logistik, IT und Energie.

Für Mittelständler empfiehlt sich dabei eine Zusammenarbeit mit einheimischen Vertriebspartnern oder aber der Zusammenschluss in Kooperationsclustern, da die Präsentation von Komplettlösungen die Erfolgschancen deutlich erhöht.

Kontakt: k.gangl[at]faz-institut.de

16 replies on “Brasilien- Sportgroßereignisse bieten Chancen”

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