Die Erschließung neuer Tiefseevorkommen von Erdöl und Erdgas in Nord- und Südamerika, insbesondere in Brasilien, eröffnet riesige Geschäftschancen für die deutsche Schiffbau- und Offshorezulieferbranche. Eine wichtige Voraussetzung ist allerdings, dass langfristige Finanzierungen und Exportdeckungen zur Verfügung stehen. Im Folgenden wird erläutert, wie eine großvolumige Finanzierung durch den Zusammenschluss vieler mittelgroßer Anbieter in einem Konsortium dargestellt werden kann.
Von Dr. Carsten Wiebers, Abteilungsleiter Maritime Industrie, KfW IPEX-Bank
Öl und Gas werden trotz des verstärkten Ausbaus erneuerbarer Energien auch in Zukunft wichtige Energieträger darstellen. Die Erschließung neuer Tiefseevorkommen in Nord- und Südamerika erfordert massive Investitionen in den Ausbau der Offshoreöl- und gasindustrie. Allein in Brasilien sind Investitionen von über 140 Mrd USD für die Entwicklung von Tiefseeölvorkommen erforderlich. Ein großer Teil dieser Investitionen wird auf Bohrschiffe, Offshoreplattformen, Pipelineverlege und Versorgungsschiffe entfallen, die aufgrund ihres Einsatzortes in Tiefseegewässern höchsten technischen Anforderungen genügen müssen.
Während die führenden Bauwerften dieser komplexen Schiffstypen meist in Asien angesiedelt sind, stammen Bohr-, Sicherheits- und Steuerungsequipment zum Großteil aus Europa (insbesondere aus Norwegen und Deutschland). Der Anteil der europäischen Komponentenlieferungen bei Offshoreschiffen, deren Investitionsvolumina bis zu 800 Mio USD pro Schiff erreichen können, beträgt bis zu 40% der gesamten Baukosten.
Rund 400 Unternehmen der deutschen Schiffbau- und Offshorezulieferbranche setzten nach Angaben des Branchenverbandes VDMA 2012 mit rund 68.000 Beschäftigten 11,6 Mrd EUR um, 74% der Güter wurden ins Ausland exportiert. Dies stellt im internationalen Vergleich den Spitzenplatz bei Produktion und Export dar und unterstreicht die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Anbieter in diesem stark innovationsgetriebenen und kapitalintensiven Sektor. Schon heute bildet die Zulieferindustrie das neue wirtschaftliche Rückgrat des maritimen Standorts Deutschland. Der Bereich Schiffsfinanzierung der KfW IPEX-Bank engagiert sich daher zunehmend im Bereich der Finanzierung von maritimen Investitionsgütern für die Offshoreöl- und gasindustrie. Getrieben von der großen und steigenden Nachfrage nach Schiffstonnage in diesem Sektor, ergeben sich erhebliche Absatzpotentiale für deutsche maritime Zulieferunternehmen. Darüber hinaus führen „Local Content“-Vorschriften in den Einsatzländern (wie z.B. in Brasilien) zu einem Auf und Ausbau der dortigen Werftindustrie, wodurch sich neue Lieferbeziehungen bilden.
Trotz der hohen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter wird der Zuliefermarkt von norwegischen Unternehmen dominiert. Diese bieten über den staatlichen Kreditversicherer GIEK/Eksportkreditt flankierende langfristige Finanzierungslösungen für maritime Exporte an. In Zeiten unruhiger Finanzmärkte und teilweise immer noch restriktiver Kreditvergabe stellt neben der Produktqualität und -verlässlichkeit vor allem auch die Verfügbarkeit von flankierenden Langfristfinanzierungen ein entscheidendes Verkaufsargument für Zulieferer ihren Kunden gegenüber dar.
Die KfW IPEX-Bank ist daher bestrebt, zusammen mit Euler Hermes einen Finanzierungsansatz nach norwegischem Muster zur Unterstützung der Exportbemühungen deutscher maritimer Zulieferunternehmen zu entwickeln. Bei gegebener Bonität kann sie ab dem Zeitpunkt der Ablieferung des Schiffes bzw. der Plattform eine zwölfjährige Exportfinanzierung von bis zu 80% des Auftragsvolumens für die Betreiber und Besteller strukturieren. Voraussetzung dafür ist, dass der Exportanteil deutscher Zulieferer im Rahmen eines Projektes ein ausreichend großes Volumen in Höhe von circa 20 Mio USD erreicht. Aufgrund der relativ starken Fragmentierung des deutschen Zuliefermarktes kann dieses Mindestexportvolumen oft nur durch einen Zusammenschluss der einzelnen Anbieter in Konsortien erreicht werden. Finanzierungskonsortien würden dabei als loser Zusammenschluss von Unternehmen unter einem Konsortialführer, jedoch ohne Übernahme einer technischen Gesamtverantwortung durch eines der teilnehmenden Unternehmen, gebildet werden.
Die Bank arbeitet mit einem industriellen Partner zusammen, der auf Wunsch eine Bündelung von Lieferungen vornehmen kann. Für ein Lieferpaket eines solchen Konsortiums könnte eine Exportdeckung durch Euler Hermes beantragt und von der KfW IPEX-Bank finanziert werden. Diese Pakete können auch durch Komponenten anderer europäischer Lieferanten erweitert werden, um die erforderliche Mindestgröße zu erreichen. Durch die so geschaffene Kombination von hochwertiger Produktqualität und Finanzierungszusage wird den potentiellen Kunden über die Werften oder dem Schiffseigner direkt ein attraktives Gesamtpaket aus einer Hand offeriert. Dies erhöht die Chancen der deutschen Anbieter, an den immensen Wachstumspotentialen des Öl- und Gasmarkts zu partizipieren. Bei der Entwicklung dieses Ansatzes der maritimen Komponentenfinanzierung und für die Bestimmung der optimalen Vorgehensweise zur Komponentenbündelung sind die Impulse der Zulieferer und der Dialog mit der finanzierenden Bank unverzichtbar.
Kontakt: carsten.wiebers[at]kfw.de
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