Mittel- und Osteuropa hat für die deutsche Exportwirtschaft insbesondere durch die EU-Osterweiterung an Bedeutung gewonnen. Trotz des regen Handels sind diese Märkte für viele Unternehmen noch unbekanntes Terrain. So ist in deutschen Firmen in der letzten Zeit ein gesteigertes Risikobewusstsein bezüglich dieser wichtigen Wirtschaftsregion entstanden. Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt der Wunsch nach Transparenz hinsichtlich der Bonität der Geschäftspartner und ihrer Märkte.
Von Martina Neumayr, Director Risk Management Solutions & Partner, D&B Deutschland
Seit zehn Jahren verzeichnet die deutsche Wirtschaft einen Anstieg ihrer Verkäufe in die mittel- und osteuropäischen Märkte. 2009 flossen in diese Wirtschaftsregion noch rund 15% aller deutschen Exporte. Drei Viertel der Exporte entfielen allein auf die vier Staaten Polen, Russland, Tschechien und Ungarn.
Die Exporte in die Länder Mittel- und Osteuropas bergen jedoch auch hohe Risiken. Allein deutsche Banken haben insgesamt 182 Mrd Euro Außenstände in diesen Märkten. Die Summe der Außenstände aus Handelsgeschäften der exportierenden Branchen dürfte dies um ein Vielfaches übertreffen. Seit der Finanzkrise hat sich das Wirtschaftswachstum in dieser Region stark verlangsamt bzw. ist in einigen Märkten komplett zurückgegangen.
Die Risiken, bezogen auf die zehn jungen EU-Mitgliedsstaaten, liegen weniger in der finanziellen Instabilität. Die Befürchtung, dass eine Abschwächung des Wachstums einsetzen könnte, was einen Absatzrückgang für die deutschen Firmen bedeuten würde, ist hier viel größer. Kursrisiken fallen nur bei Ländern mit flexiblen Wechselkursen ins Gewicht. Bei einer starken Abhängigkeit von EU-Märkten kann dies jedoch von Bedeutung sein. Exemplarisch dafür steht Ungarn.
Wie für Geschäfte in jedem anderen Land oder jeder anderen Wirtschaftsregion gilt auch für das Geschäft in Osteuropa: Die Bonitätsbeurteilung von Geschäftspartnern erfordert Transparenz. Können sich Kreditmanager im eigenen Land auf die reine Beurteilung der Datenlage einer Firma konzentrieren, so muss aufgrund der kulturellen, vor allem aber der marktwirtschaftlichen Unterschiede im Ausland auch das Risiko, in eben jenem Land Geschäfte zu schließen, mitbetrachtet werden.
Wie sind die Konditionen üblicherweise gestaltet? Welche Zahlungsmoral herrscht im Land? Gibt es spezielle gesetzliche Bestimmungen im Falle einer Forderungsbeitreibung? Diese und weitere Fragen kommen im internationalen Handel und so auch in Geschäftsbeziehungen mit Osteuropa auf. Verfügt der Kreditmanager nicht über eine Dependance oder Kollegen im Land des Debitors, so kann er hier auf umfangreiche Angebote spezialisierter Firmen zurückgreifen.
Analysen der Länderbonität beziehen vier Bewertungs- bzw. Informationskategorien ein: Ökonomie, Politik, Handel und externe Liquidität. Die Informationen werden nach quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten unterschieden. Für jedes Land wird nach Abschluss der Analysen ein Rating vergeben.
Der Risikoindikator bemisst das Risiko, in diesem Land Geschäfte zu tätigen. Er stellt nicht das Risiko des Landes selbst dar. Damit wurde den besonderen Anforderungen von Kredit- und Risikomanagern entsprochen. Der Kreditmanager kann je nach Bedarf und benötigter Detailtiefe einen Bericht wählen oder auch nur das Länderrating in seine Bonitätsbeurteilung des Geschäftspartners einbeziehen. Alle mittel- und osteuropäischen Länder erhalten Ratings, und die Daten werden monatlich aktualisiert, so dass auch z.B. eine Limitsteuerung unter Einbeziehung des Länderratings sinnvoll sein kann.
Aus den Berichten gehen außerdem die wichtigen wirtschaftlichen Kennzahlen des Landes hervor, so kann der Kreditmanager bei Abschluss von Mehrjahresverträgen und ggf. bestehendem Währungsrisiko auch Inflationsraten einbeziehen oder die generelle wirtschaftliche Stabilität. Auch die möglichen Kreditversicherer sind ersichtlich, so dass gegebenenfalls Risiken abgesichert werden können.
Neben der Wichtigkeit der Markttransparenz ist es nach wie vor unerlässlich, bonitätsrelevante Details über den Debitor selbst zu kennen. Auskunfteien wie D&B bieten Kreditmanagern, die sich im Vorfeld über Kunden informieren möchten, die von den Landesgesellschaften vor Ort recherchierten Informationen zu den betreffenden Firmen an.
Für die Prophylaxe im Geschäft mit osteuropäischen Ländern ist die Überwachung von Debitorenportfolios unerlässlich. Im Zuge der Weiterentwicklung von Services ist es den Kreditmanagern möglich, automatisierte Überwachungsservices für von ihnen definierte Firmen einzustellen und somit vom System auf Veränderungen frühzeitig hingewiesen zu werden. Gleiches gilt für die Überwachung von Ländern über die Länderratings. Die Überwachungen können auch für Teilportfolios zu definierten Zeitpunkten erfolgen und nicht nur über die Onlineplattform eingesehen, sondern auch direkt in kundenspezifische Systeme eingespielt werden. Die direkte Systemintegration kann enorme weitere Vorteile bieten: Die Mehrzahl der Kreditmanager kombiniert eingehende Frühwarnmeldungen zu gravierenden Verschlechterungen automatisch mit ihren Warenwirtschaftssystemen. Auf diese Weise kann der Kreditmanager ein weiteres Instrument unmittelbar nutzen, die Limitsperre.
Die zunehmende Globalisierung macht es erforderlich, die Zusammenhänge und Verflechtungen von Firmen in die Bewertung einfließen zu lassen. Getreu dem Satz „Risikomanagement kennt keine Grenzen“ ist es gerade am prominenten Beispiel Opel, aber auch an den Arcandor-Töchtern ersichtlich, wie wichtig es ist, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Muttergesellschaften mitzuberücksichtigen. Insbesondere wegen des Trends zu einer stärkeren Globalisierung, zu Beteiligungen und Zukäufen von Firmen wird dies für die Risikoprophylaxe immer wichtiger. Weitere wichtige Faktoren der Prophylaxe sind Analysen von Kreditlimiten, Forderungen und Außenständen nach Kunden und deren Muttergesellschaften.
In Deutschland, den USA und Großbritannien seit über 25 Jahren etabliert ist die Teilnahme von Firmen an Zahlungspools. Der Kreditmanager stellt seine Rechnungen mit Debitoren zur Verfügung und erhält im Gegenzug die konsolidierten Werte der übrigen Teilnehmer je Debitor zurück. Auf diese Weise sind ein Vergleich und gleichzeitig eine Überwachung des so wichtigen Kriteriums Zahlungsverhalten möglich. In 90% aller Fälle zeigt sich, dass Firmen, die in die Insolvenz gegangen sind, im Schnitt neun Monate zuvor Veränderungen in der Rechnungsbegleichung aufwiesen.
Die derzeitigen Bedingungen für deutsche Kreditmanager und deren Geschäfte in Osteuropa sind eine besondere Herausforderung. Besonders risikoaverse Firmen könnten nach dem Motto „Cash counts“ verfahren. Doch genau die fehlende Liquidität verhindert das.
Inwiefern die Staaten die Finanzkrise gut bewältigen werden und, daraus folgend, die wirtschaftlich aktiven Firmen auch in Zukunft solide Abnehmer für deutsche Exporteure sein werden, wird sich zeigen. Sicher ist in jedem Fall: Die wirtschaftlichen Verflechtungen haben in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen, und Deutschland ist mit den mittel- und osteuropäischen Märkten schon heute eng verzahnt. Die Wachstumschancen in diesen Märkten sind langfristig nach wie vor gegeben, und so wird in Zukunft dieser Wirtschaftsraum eine immer wichtigere Rolle für das deutsche Exportgeschäft spielen. Das Kreditmanagement muss sich darauf schon heute einstellen.
Kontakt: neumayr[at]dnbgermany.de
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