Zum 6. Januar 2014 ist der zweite Teil der Export Control Reform (ECR) in Kraft getreten. Hierdurch werden die USML-Kategorien VI, VII, XIII und XX weitgehend liberalisiert und in die EAR überführt; gelegentlich geht der Weg auch wieder zurück in die ITAR. Die Frage ist, wie groß die Unterschiede für die freiwillige Selbstanzeige in den drei Regulations des US-Exportrechts (EAR, ITAR,
OFAC Regs) sind und ob hieraus Nachteile bei einer „Güterwanderung“ zwischen den Regs entstehen.
Von PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte
Ausgangsfall
Die deutsche Firma D produziert bzw. handelt mit Fahrzeugen für den militärischen Gebrauch. Für ein solches Fahrzeug hat sie von der Firma A aus den USA eine Kamera (made in the USA) erhalten, die speziell für militärischen Gebrauch gefertigt wurde. D exportiert diese Kamera an I in Indien, ohne eine vorherige US-Reexportgenehmigung einzuholen. Später findet D heraus, dass die fehlende vorherige US-Reexportgenehmigung ein Exportverstoß sein könnte. Sollte D eine freiwillige Selbstanzeige erstatten, und wenn ja, bei welcher Behörde?
Abwandlung
D liefert an I in Indien ein US-Militärfahrzeug, in welches diese Kamera eingebaut ist. Inwieweit ändert dies die Rechtslage?
Lösung des Falles
Vor dem 6. Januar 2014 war die Kamera erfasst von ITAR-Kategorie VII (g) („alle speziell für Militärfahrzeuge konzipierten oder modifizierten Komponenten oder Teile“). Dann wäre das DDTC (Directorate of Defence Trade Controls des State Department) zuständig gewesen. Seit dem 6. Januar 2014 ist die Kamera nicht mehr erfasst von ITAR-Kategorie VII (g)(14), weil diese lediglich Komponenten erfasst, die klassifiziert sind, klassifizierte Software enthalten oder unter Nutzung klassifizierter Information entwickelt wurden. Die Kamera ist weiter nicht erfasst von den ITAR-Kategorien XIII (zusätzliches militärisches Equipment) und XI (militärische Elektronik). Stattdessen ist die Kamera nun erfasst von Position 0A606.x der CCL (Commerce Control List) der EAR, weil es um Teile oder Komponenten für Militärfahrzeuge geht, die von ITAR-Kategorie VII erfasst sind.
Daher sind nunmehr die EAR anwendbar, und das BIS (Bureau of Industry and Security im Commerce Department) ist die zuständige Behörde. D hat mit der Lieferung nach Indien gegen General Prohibition 1 der EAR verstoßen: Danach bedarf der Export kontrollierter US-Dual-Use-Güter in bestimmte gelistete Länder der vorherigen US-Reexportgenehmigung. Der Kontrollzweck dieser Listung ist vor allem NS (National Security) und RS (Regional Stability). Da Indien nach der Commerce Country Chart für mehrere dieser Kontrollzwecke gelistet ist, bedurfte der Export dieser gelisteten Kamera nach Indien der vorherigen US-Reexportgenehmigung. Daher sollte D über eine freiwillige Selbstanzeige nach den EAR beim BIS – genauer: beim OEE (Office of Export Enforcement im BIS) – nachdenken.
Lösung der Abwandlung
Nach der ITAR-Kategorie VII (x) unterfallen EAR-Güter dieser ITAR-Kategorie, wenn sie „in oder mit ITAR-Gütern genutzt werden“. Dies trifft hier zu: Die Kamera unterfällt, wie gezeigt, der genannten EAR-Position, und sie wird gemeinsam
mit dem ITAR-Gut nach Kategorie VII (US-Militärfahrzeug) genutzt. Hierdurch verliert die Kamera die exportrechtlich liberalere Handhabung nach EAR (vgl. ExportManager 5/2013) und wird wieder zum ITAR-Gut. D hat somit durch den Reexport ohne vorherige DDTC-Genehmigung gegen § 123.1 ITAR verstoßen und sollte daher über eine freiwillige Selbstanzeige nach den ITAR beim DDTC nachdenken.
Unterschiede bei freiwilliger Selbstanzeige in den drei US-Regulations
Diese mögliche „Güterwanderung“ zwischen EAR und ITAR (hin und evtl. wieder zurück) führt dazu, dass erstens „Arbeitsfehler“ in der Handhabung des US-Exportrechts relativ wahrscheinlich sind und dass zweitens die freiwillige Selbstanzeige (fSA) in allen drei US-Regulations harmonisiert werden sollte, um den Exporteur nicht zu benachteiligen bei solchen „Güterwanderungen“. Ein Vergleich des Verfahrens der fSA ergibt, dass es unter EAR, ITAR und OFAC Regulations weitgehend gleich ist. Stichwortartig kann dies wie folgt zusammengefasst werden: Das Verfahren beginnt mit dem Charging Letter (er enthält die Fakten und den Exportverstoß) und endet mit der Entscheidung des sog. Administrative Law Judge oder mit dem Settlement Agreement, durch welches die Sanktion festgelegt wird; es gibt binnen 30 Tagen eine Berufungsmöglichkeit an den Staatssekretär der zuständigen US-Behörde. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass nur unter den OFAC Regulations die Kriminalsanktionen allein vom Gericht entschieden werden können. Ein Vergleich der Sanktionen unter EAR, ITAR und OFAC Regulations ergibt, dass sie in etwa gleich sind, wobei sie unter ITAR etwas strikter ausfallen. Eine Versagung der Exportprivilegien ist unter den OFAC Regulations nicht möglich, aber unter EAR und ITAR. Da hier D nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, wird es nur um Administrativsanktionen gehen, die nach EAR grundsätzlich bei 100.000 USD und nach ITAR eher bei 500.000 USD liegen, wobei aber noch die Milderungsgründe zu berücksichtigen sind. Ein Vergleich der explizit genannten Milderungsgründe ergibt weitgehende Übereinstimmungen, wobei die EAR neun und die ITAR mindestens fünf anerkennen, und unter den OFAC Regulations die der EAR im Zweifel analog angewendet werden können.
Ergebnis Ausgangsfall
Wenn D zum Ergebnis kommt, dass seine Kamera den EAR unterfällt und er einen Exportverstoß gegen die EAR begangen hat, sollte sein Exportanwalt so rasch wie möglich die sog. Initial Notification einlegen, damit das OEE von diesem Verstoß erfährt, bevor US-Bundesbehörden von diesem Exportverstoß erfahren und Ermittlungen hierzu aufnehmen. Binnen ca. 60 Tagen sollte Ds Exportanwalt den Narrative Account dem OEE vorlegen, in dem der Verstoß, die Exportaktivitäten der letzten fünf Jahre und die ergriffenen Risikomaßnahmen ausführlich beschrieben werden. Das OEE kann im besten Fall das Verfahren einstellen oder eine bloße Verwarnung schicken. Im Ausgangsfall wird es im Zweifel ein Settlement Agreement schicken, mit dem eine geringe – von der Anzahl der akzeptierten Milderungsgründe abhängige – Geldbuße gegen D festgesetzt wird.
Schlussfolgerungen
Die Voraussetzungen sind somit sehr günstig dafür, im Rahmen der ECR, in deren Verlauf die drei US-Regulations möglichst durch eine ersetzt werden sollen, die fSA zu harmonisieren. Denn das Verfahren, die Sanktionen und die Milderungsgründe zwischen den drei US-Regulations sind weitgehend gleich, wobei einige Unterschiede (z.B. die Versagung der Exportprivilegien, Nivellierung der Höhe der Sanktionen) geklärt werden müssten. Diese Harmonisierung der fSA ist auch dringend erforderlich, um Be-nachteiligungen zu vermeiden, weil im Rahmen der ECR „Güterwanderungen“ zwischen EAR und ITAR (hin und her) möglich sind.
Vergleich mit der freiwilligen Selbstanzeige in Deutschland
Deutschland kennt zwei Typen von fSA, nämlich die in § 22 Abs.4 AWG geregelte mit Strafbefreiung (Typ 1) sowie die kraft Praxis entstandene fSA mit der Rechtsfolge Strafmilderung (Typ 2). Die Notwendigkeit einer solchen gesetzlichen Regelung (Typ 1) wurde im Bundestag von uns mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf die US-Regelungen begründet. Auch der Gesetzesvorschlag wurde z.T. eng an den Wortlaut der Regelung in § 764.5 EAR angelehnt; am deutlichsten wird dies in § 22 Abs. 4 Satz 2 AWG (die fSA muss eingelegt sein, bevor Bundesbehörden hierzu ermitteln). Was den deutschen Typ 2 (Folge: Strafmilderung) angeht, sind im Rahmen eines Vergleichs u.E. die US-Regelungen vorzugswürdig, bereits deswegen, weil alle Einzelheiten hierzu in den US-Regulations geregelt sind, bis hin zu den Katalogen für Milderungsgründe. Das deutsche Recht begnügt sich mit gewissen Leitlinien (vgl. § 17 OWiG, § 46 Abs. 2 StGB). Das US-Exportrecht kennt allerdings bisher noch nicht die fSA Typ 1: Angesichts der sehr komplexen Regelungsdichte sind „Arbeitsfehler“ praktisch nicht zu vermeiden, und es würde von daher naheliegen, dass auch die USA eine fSA mit der Rechtsfolge der Strafbefreiung für geringe Exportverstöße (für die sog. „Arbeitsfehler“) einführen, sofern sie fahrlässig begangen werden.
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