Die Bandbreite an Geschäftsmöglichkeiten auf dem russischen Markt ist schier unbegrenzt; aber nur diejenigen Exporteure, die ihre Geschäftsrisiken minimieren und den Blick auf die eigene Bilanz richten, werden wohl als Nutznießer aus dieser Wirtschaftsdynamik hervorgehen.
Von Lothar Meenen, Leiter Trade Finance/CMC Deutschland Süd und Leiter STEF Deutschland, Deutsche Bank AG
Russland hat im Jahr 2010 wieder Fahrt in Richtung Wachstum aufgenommen. Aber auch an Russland ging die internationale Finanzkrise nicht folgenlos vorbei. Der Verfall der Rohstoffpreise, einhergehend mit einer schwächeren Landeswährung, führte 2009 zu erheblichen Mittelabflüssen an den Kapitalmärkten und verstärkte die Rezession. Der lokale Bankenmarkt musste zwischenzeitlich gestützt werden, da die internationalen Finanzierungsmittel nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung standen. Dank dieser Aktionen hielten sich die Kreditausfälle bislang im Rahmen des Verkraftbaren, und einer Kreditklemme wurde entgegengewirkt.
Trotz des russischen Öl- und Gasreichtums bleibt dieser Sektor auch zugleich die Achillesferse Russlands. Russlands gesamtwirtschaftlicher Fokus ist daher auf die Diversifizierung der eigenen Wirtschaft gerichtet. Die Modernisierungsbedürfnisse sind nach wie vor quer durch alle Industriezweige und auch im Bereich der Infrastruktur vorhanden. Ereignisse, wie der rezes-sionsbedingte internationale Preisverfall bei Stahl, der das russische stahlproduzierende Gewerbe beeinträchtigte, oder der sprunghafte Anstieg der Weizenpreise nach dem Exportstopp im Gefolge der lokalen Brandkatastrophe in diesem Sommer, zeigen, wie verflochten die russische Wirtschaft mit den internationalen Märkten auch außerhalb des Öl- und Gasgewerbes bereits ist.
Neben diesen schwierigen, aber dennoch Chancen bietenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist für viele deutsche Unternehmer die russische Einfuhrpolitik ein Unsicherheitsfaktor. Deshalb ist ein Trend zur Errichtung lokaler Produktionsstandorte erkennbar. Für deutsche Unternehmen, die die Chancen in Russland im Rahmen des Exports nutzen wollen, die sich aber im Hinblick auf die skizzierten Unsicherheiten schützen wollen, stehen weitreichende Instrumente der Absicherung bereit.
Deutsche Exporteure können sich mit dem Instrument der Forfaitierung Liquidität verschaffen, indem sie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen nach Russland, welche zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden, schon bei Entstehung der Forderung an eine Bank oder ein Spezialinstitut verkaufen.
Neben dieser finanziellen Flexibilität ist ein weiterer Vorteil einer Forfaitierung der regresslose Charakter dieses Instruments. Dies bedeutet, dass der Forderungskäufer die wirtschaftlichen und politischen Risiken im Zusammenhang mit der Forderung gegenüber dem russischen Kunden übernimmt und somit im Nichtzahlungsfall keinen Rückhaftungsanspruch gegenüber dem deutschen Forderungsverkäufer hat. Ob dieser Verkauf auch zu einer Entlastung der Bilanz führt, liegt im Ermessen der Wirtschaftsprüfer.
Eine wichtige Voraussetzung für einen Forderungsankauf ist, dass der deutsche Exporteur dafür einsteht, dass die Forderungen bis zu deren Erfüllung einwandfreien Rechtsbestand haben und damit die Durchsetzbarkeit für den Käufer der Forderung gegeben ist. Dieses Risiko aus Sicht des Käufers wird auch als Veritätsrisiko bezeichnet.
Bei einer Quasiforfaitierung, dem Verkauf einer durch Euler Hermes, den deutschen staatlichen Exportkreditversicherer, besicherten Forderung, ist dieses Veritätsrisiko sogar noch erweitert. Konkret bezieht sich die Einstandspflicht des Verkäufers auch auf die Ausfuhrdeckung. Diese kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn ein unverschuldeter Nichtzahlungsfall vorliegt und wenn alle für die Indeckungnahme relevanten Informationen korrekt angegeben wurden. Das Veritätsrisiko ist deshalb ein entscheidender Faktor bei der bankinternen Evaluierung derartiger Transaktionen.
Trotz dieser doppelten Abhängigkeit des Forderungskäufers vom Exporteur wird es der Bank in aller Regel leichter fallen, das deutsche Unternehmen einzuschätzen als den russischen Primärschuldner der Forderung.
Da Euler Hermes im Auftrag des Bundes handelt und demzufolge mit dem Länderrating Deutschlands (AAA) ausgestattet ist, liegt der Vorteil einer Hermes-besicherten Forderung auf der Hand: In Höhe der Deckungsquote – in der Regel zwischen 85% und 95% – kommt diesem risikomitigierenden Faktor entscheidende Bedeutung zu. Dies wirkt sich unter anderem auf die Preisgestaltung aus, so dass vieles dafür spricht, dass eine Quasiforfaitierung Preisvorteile gegenüber einer herkömmlichen Forfaitierung bietet.
Es war eben dieser Preis, welcher vor Ausbruch der Finanzkrise das mehr oder weniger einzige Kriterium für die Realisierung einer Quasiforfaitierung war. Das Potential der Forderungsabtretung allgemein im Hinblick auf das Bilanzmanagement wurde hingegen lange Zeit verkannt, zumal das arbeitsintensive und als unspektakulär angesehene innere Wachstum eines Unternehmens zumeist vernachlässigt wurde.
Mit Ausbruch der Finanzkrise änderte sich dies schlagartig. Durch den abrupten Auftragseinbruch und den damit einhergehenden akuten Liquiditätsmangel gab es nur noch ein Motto: „Cash is King“ – auch durch Forderungsabtretung. Durch den Liquiditätsgewinn des Forderungsverkäufers bereits bei Bestehen der Forderungen können im Umkehrschluss dem russischen Abnehmer oft längere Zahlungsziele gewährt werden, was auf einen Wettbewerbsvorteil für den deutschen Exporteur hinauslaufen kann.
Während der Erholung der Weltwirtschaft, in Zeiten hoher Nachfragevolatilität, sinkender Margen und Kostendrucks, sind Liquidität und finanzielle Flexibilität weiterhin besonders wichtig. Nach und nach setzt sich die Überzeugung durch, dass sich dies am besten und am günstigsten mit einem effektiven Working Capital Management erreichen lässt.
Working Capital Management ist deshalb in vielen Unternehmen von strategischer Bedeutung. Die damit verfolgten Ziele einer reduzierten Kapitalbindung und verbesserter Bilanzrelationen haben großen Einfluss auf das Rating. Freigesetztes Kapital steht für strategische Weichenstellungen zur Verfügung.
Die operativen Maßnahmen für ein aktives und effektives Working Capital Management sind jedoch begrenzt. Ebenso kann sich nicht jedes Unternehmen erlauben, den Fokus auf hohe Anzahlungen zu richten. Demzufolge sind die vorher vorgestellten Instrumente Forfaitierung und Quasiforfaitierung wichtige Bausteine für ein optimales Working Capital Management.
Dabei eignet sich die Quasiforfaitierung besonders bei Risiken in Emerging Markets wie Russland. Speziell bei immer wiederkehrenden Lieferungen an die gleichen Adressen können durch den revolvierenden Verkauf unter einer Rahmenbesicherung, der sogenannten Ausfuhrpauschalgewährleistung, weitere Kosten gespart und Liquidität generiert werden.
Summa summarum können die oben vorgestellten Instrumente zur erheblichen Verbesserung der Risikopositionen in der Bilanz beitragen, die Liquiditätsposition in der Bilanz vergrößern und Wettbewerbsvorteile schaffen. Eine frühe Einbindung einer Bank in internationale Geschäftstätigkeiten kann den deutschen Exporteuren helfen, einen optimalen Risiko- Liquiditäts-Mix zu finden, der sowohl auf Exporteurseite als auch auf russischer Importeurseite Vorteile mit sich bringt.
Kontakt: lothar.meenen[at]db.com
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