Auch wenn es zuletzt wirtschaftlich rund lief im Land der Pharaonen: Als Nettoimporteur von Nahrungsmitteln und Öl leidet Ägypten stark unter den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Auch die hohe Abhängigkeit von ausländischen Kapitalflüssen und die schwache öffentliche Finanzlage bereiten zunehmend Probleme. Da kommt ein IWF-Hilfsprogramm wie gerufen.

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Die wirtschaftliche Lage Ägyptens verbesserte sich in den Jahren vor der Covid-19-Pandemie erheblich. Indem das nordafrikanische Land Wirtschaftsreformen im Rahmen eines dreijährigen Programms (2016–2019) des Internationalen Währungsfonds (IWF) umsetzte, konnte es seine makroökonomische Situation stabilisieren, die öffentliche Finanzlage schrittweise konsolidieren und eine Zahlungsbilanzkrise vermeiden.

Schocks setzen Haushaltssaldo und Außenbeitrag unter Druck

Infolgedessen stufte Credendo das mittel- bis langfristige politische Risiko im Jahr 2019 auf Kategorie 5 herauf. Trotz der Verbesserungen blieb die Risikoeinschätzung jedoch weiterhin durch erhebliche Schwachstellen belastet, die durch die Covid-19-Pandemie und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs noch verschärft wurden. Diese Schocks setzten Ägyptens Haushaltssaldo sowie den Außenbeitrag erneut unter Druck. Die Risikoaussichten für das Land haben sich dadurch wieder verschlechtert.

Als Nettoimporteur von Nahrungsmitteln und Öl leidet Ägypten unter dem starken Anstieg der Rohstoffpreise. Darüber hinaus bilden die Abhängigkeit von ausländischem Kapital und die schwachen öffentlichen Finanzen einen gefährlichen Cocktail – v.a. deshalb, weil sich die globalen Finanzbedingungen dramatisch verschärft haben. Nicht zuletzt hat sich der Netto-Auslandsvermögensstatus in den vergangenen zehn Jahren stetig verschlechtert, was sich durch das IWF-Hilfsprogramm sowie weitere Kredite bilateraler und multilateraler Geber weiter fortsetzen dürfte.

Wirtschaft wächst kräftig

Dabei hatte Ägypten den Schock der Covid-19-Pandemie relativ gut überstanden und gehörte zu den Ländern, die nur im Finanzjahr 2020 einen wirtschaftlichen Abschwung erlebten. Im laufenden Jahr 2022/23 wird erneut ein kräftiges Wirtschaftswachstum erwartet und auch mittelfristig dürfte die ägyptische Wirtschaft dank staatlicher Infrastruktur- und Energieprojekte hohe Wachstumsraten erzielen.

Trotz des kräftigen Wachstumskurses bestehen jedoch nach wie vor erhebliche Ungleichgewichte. Zu den größten Schwachstellen zählen ein kleiner Exportsektor, geringe Ersparnisse und Investitionen, eine niedrige Produktivität und der große informelle Sektor des Landes. Die starke Rolle des Staates in der Wirtschaft ist ein weiteres strukturelles Ungleichgewicht, das ausländische Direktinvestitionen abschreckt und die Entwicklung der Privatwirtschaft behindert. Eine entscheidende Voraussetzung für ein stärkeres und ausgewogeneres Wirtschaftswachstum ist, dass sich das Geschäftsumfeld für die Privatwirtschaft verbessert. Dies ist auch als ein Ziel im kürzlich angekündigten IWF-Programm genannt. Die ägyptische Regierung hat mehrfach ihre Bereitschaft bekundet, einen Teil der Wirtschaft zu privatisieren; angesichts zahlreicher Eigeninteressen dürfte es jedoch sehr schwierig werden, die Umsetzung nötiger Reformen zur Stärkung der Privatwirtschaft auch umzusetzen.

Anfälligkeit der Staatsfinanzen

Die ägyptischen Staatsfinanzen hatten sich vor der Covid-19-Pandemie dank struktureller Reformen im Rahmen des laufenden IWF-Programms und des anhaltenden Wirtschaftswachstums nachhaltiger entwickelt. Die öffentliche Schuldenlast etwa ging nach ihrem Höchststand von 97,8% des Bruttoinlandsprodukts im Geschäftsjahr 2016/17 deutlich zurück und erreichte nach nur zwei Jahren 80% des BIP. Doch trotz der fortgesetzten Konsolidierungsbemühungen – mit einem Primärüberschuss seit dem GJ 2018/19 und einem allmählichen Rückgang der Gesamtverschuldung (auf geschätzte 86% des BIP im GJ 22/23) – sind die Zinszahlungen im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen unverändert sehr hoch: 43% im GJ 2022/23, der vierthöchste Wert weltweit (nach Sri Lanka, Ghana und Pakistan), auch im kommenden Finanzjahr ist ein vergleichbares Niveau zu erwarten.

Ursache der enormen Zinsbelastung ist die bis zuletzt verfolgte Geldpolitik hoher Zinsen, um ausländisches Kapital anzulocken. Dies trieb jedoch auch die Zinszahlungen für die ägyptischen Staatsschulden in die Höhe, da diese weitgehend im Inland finanziert werden.

Entlastend wirkt, dass ein Großteil der öffentlichen Schulden auf Landeswährung lautet und bei inländischen Finanzinstituten finanziert wird. Dies bedeutet jedoch auch, dass der Bankensektor eng mit dem öffentlichen Sektor verbunden ist, sodass eine Restrukturierung der inländischen Staatsverschuldung unweigerlich den Bankensektor und seine Fähigkeit beeinträchtigen würde, den Privatsektor zu unterstützen.

Eine der größten strukturellen Schwachstellen Ägyptens ist der begrenzte Exportsektor. Das Land ist als Quelle für Deviseneinnahmen auf private Transfers (46,6% der Leistungsbilanzeinnahmen im Jahr 2021), den Tourismus (13,1%) und die Einnahmen aus dem Suezkanal (12,6%) angewiesen.

Krisen der Welt treffen Ägyptens Leistungsbilanz hart

Die Covid-19-Pandemie und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die globalen Lebensmittelmärkte und die Rohstoff­preise treffen Ägyptens Leistungsbilanz hart. Als Nettoimporteur von Öl und Lebensmitteln – nur 2021 war das Land Nettokraftstoffexporteur – und als einer der großen Weizenimporteure hat das nordafrikanische Land infolge des kriegsbedingten Anstiegs der Rohstoffpreise einen erheblichen Druck auf die Importrechnungen erfahren. Und die direkte Abhängigkeit von der Ukraine und Russland bei den Getreideimporten sowie im Tourismussektor verschärft die Situation noch.

Zur Finanzierung des strukturellen Leistungsbilanzdefizits ist Ägypten auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen. Allerdings sind globale Investoren angesichts des Kriegs in der Ukraine und der anhaltenden Verschärfung auf den globalen Finanzmärkten in Sicherheit geflohen, sodass Ägypten stattdessen Kapitalabflüsse verzeichnet hat und die Währungsreserven auf einen Stand von unter drei Monatsimporten gefallen sind.

Zudem hat das ägyptische Pfund gegenüber dem US-Dollar stark an Wert verloren. Kurzfristig verstärkt die Abwertung den Inflationsdruck (die Inflationsrate erreichte im Oktober 16,2% gegenüber dem Vorjahr) und erhöht die Kosten für die Rückzahlung von Fremdwährungsschulden. Die Abwertung steht nichtsdestotrotz im Einklang mit der Forderung des IWF nach einem flexibleren Wechselkurs und dürfte den Druck auf die Devisenreserven verringern.

Es ist hervorzuheben, dass auch das vorherige IWF-Programm flexiblere Wechselkurse vorsah, dieses Ziel wurde jedoch de facto aufgegeben. Positiv zu vermerken ist, dass der IWF eine 46-monatige Vereinbarung über eine erweiterte Fondsfazilität (Extended Fund Facility, EFF) in Höhe von 3 Mrd USD genehmigt hat.

Das IWF-Programm dürfte auch zusätzliche Finanzmittel regionaler und multilateraler Geber erschließen. Diese neuen Darlehen wirken zwar kurzfristig positiv, erhöhen zugleich jedoch Ägyptens Auslandsverschuldung, die sich derzeit auf einem moderaten Niveau befindet.

Verringerung des Liquiditätsdrucks

Die Genehmigung eines EFF-Hilfsprogramms durch das IWF-Direktorium ist eine sehr gute Nachricht, da sie den Liquiditätsdruck in Ägypten aufgrund eines starken Rückgangs der Devisenreserven verringert und es den Behörden ermöglichen würde, die obligatorische Verwendung von Akkreditiven für die Importfinanzierung auslaufen zu lassen. Dies wäre auch deshalb positiv, weil die Beschränkungen – die auf eine Verringerung der Importe abzielen – zu unangemessenen Zahlungsverzögerungen bei grenzüberschreitenden Handelsgeschäften führen. Ohne eine Aufhebung der Beschränkungen und im Falle eines weiteren Drucks auf die Devisenreserven würde Credendo voraussichtlich auch die kurzfristige politische Risikoeinschätzung für Ägypten auf Kategorie 6 herabstufen.

Ausführliche Länderberichte finden Sie auf der Seite www.credendo.com

k.koch@credendo.com

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